Spielfilm „Helle Nächte“ auf der Berlinale: Klarheit ohne Pferde

Thomas Arslans „Helle Nächte“ ist ein Vater-Sohn-Roadmovie mit einer Geschichte, die zu klein ist für die Weite der Landschaft.

Luis, nicht über die Maßen pubertär Foto: Schramm Film / Marco Krüger

Weit ist die Landschaft, eng die Konstellation. Ein Mann, Michael (Georg Friedrich), am Schreibtisch, der Vater ist tot. Derselbe Mann, am Frühstücks­tisch, die Freundin geht nach Washington, aber immerhin fragt sie, wie er das findet. Sie verschwindet dann aus dem Film.

Derselbe Mann, im Auto: Jetzt ist er mit dem Sohn, der bei der Expartnerin lebt, in Norwegen unterwegs. In Norwegens Norden, da ist es Sommer, die Nächte sind hell. Da hat der Vater gelebt, da ist der Vater plötzlich gestorben, da hat der Vater noch ein Manuskript über Tunnelbau geschrieben, das der Sohn nun liest. Der Vater war ein schwieriger Mann, aber einfach ist auch Michael nicht.

Der Sohn, Luis (Tristan Göbel), pubertiert, aber in Maßen. Da hat man schon schlimmer pubertierende Söhne gesehen. Kein Fan von Natur, kein Fan von intimen Vater-Sohn-Gesprächen, kann man verstehen. Vater und Sohn fahren im Auto, zu zweit durch bewaldete, weit geschwungene Landschaft. Natürlich mit Fjorden.

Sie sind allein, oder wären es, säßen nicht auf dem Rücksitz die ganzen Klischees, die in einer so schlichten Geschichte, einer so vertrauten Konstellation gerne mitfahren würden. Und der Regisseur Thomas Arslan schmeißt sie nicht raus.

"Helle Nächte" auf der Berlinale: 14. 2., 17.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 19. 2., 21.45 Uhr, Friedrichstadt-Palast

Also stehen Vater und Sohn gemeinsam am Fjord, sprechen wenig, lassen Steine über das Wasser springen. Man nähert sich an, aber langsam. Und Schnitt. Luis lernt ein gleichaltriges Mädchen kennen, sie gucken einen Death-Metal-Clip, sie spielt ihm Musik auf sein Handy, dann fährt sie davon.

Eine ziemlich großartige Fahrt

„Helle Nächte“ ist ein Vater-Sohn-Road-Movie und zu dem, was man darunter erwartet, fügt Thomas Arslan erstaunlich wenig hinzu. Einmal eine ziemlich großartige Fahrt durch den Nebel, in den immer dichteren Nebel hinein, einen der geschwungenen Berge hinan, eine Autofahrt-Subjektive ohne Figuren, ohne Auto im Bild, ein Bewegtbild, das das Fahren, die Bewegung selbst ist, darunter zunächst noch das Knirschen der Räder auf der unbefestigten Straße, dazu der im Film mehrfach wiederkehrende drone­artige Sound von Ola Fløttum, der nach und nach das Knirschen verdrängt wie der immer dichtere Nebel die Sicht.

Das ist der einsame Höhepunkt dieses Films.

Thomas Arslan ist unter den Regisseuren der Berliner Schule der Klassizist. Ein Meister der Reduktion, bei dessen Filmen aber stets die Gefahr besteht, dass am Ende nicht viel mehr als Skelette verbleiben: Plot-Skelette, Figuren-Skelette, Beziehungs-Skelette. Es geht ihm nicht um Prägnanz, sondern um Klarheit; nicht um Auskleidung, sondern um Struktur.

Schon bei „Gold“, dem Western, der vor ein paar Jahren im Berlinale-Wettbewerb lief, schien das Genre auf den bloßen Knochen geschält. Was die Landschaft angeht und ihre Weite und die für die Landschaft zu kleine Geschichte darin, ist „Helle Nächte“ fast so etwas wie ein noch einmal reduziertes Remake des Vorgängerfilms. Allerdings ohne Pferde. Und auf einen einzigen, wenig dramatischen Konflikt heruntergekocht. Vater und Sohn und was sie verbindet und trennt. Ein bisschen Entwicklung. Das ist da. Und mehr ist da nicht.

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