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Anklage gegen Ex-Minister ScheuerVorwurf der Falschaussage

Hat das Maut-Debakel für Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) doch noch ein Nachspiel? Gegen ihn wurde jetzt Anklage erhoben.

Großes Scheitern: Damaliger Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) spricht 2019 im Bundestag zur PKW-Maut Foto: dpa

Berlin dpa | Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wegen des Vorwurfs einer uneidlichen Falschaussage vor dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags erhoben. Mit angeklagt ist laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft der ehemalige Staatssekretär Gerhard Schulz. Wegen der besonderen Bedeutung des Falles wird Scheuer nach Angaben der Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht angeklagt.

Der ehemalige CSU-Politiker hatte den seit 2022 juristisch verfolgten Vorwurf damals bestritten. Der Bild-Zeitung sagte er jetzt: „Die Entscheidung, nun Anklage zu erheben, ist für mich nicht nachvollziehbar und macht mich betroffen. Die Motive und der Zeitpunkt für die Anklage sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch motiviert. Nach einer so langen Zeit der Untersuchung nutzt der Staatsanwalt genau das sogenannte mediale „Sommerloch'“ für die Anklageerhebung.“ Für eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur war Scheuer zunächst nicht zu erreichen.

Ermittlungsverfahren 2022 eingeleitet

Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte im Mai 2022 wegen des Verdachts einer Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags ein Ermittlungsverfahren gegen Scheuer sowie den früheren Verkehrsstaatssekretär Schulz eingeleitet. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass Scheuer und Schulz bei einer Zeugenaussage „bewusst wahrheitswidrig“ ausgesagt hätten, hieß es damals.

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Konkret ging es darum, dass Scheuer im Oktober 2020 vor dem Untersuchungsausschuss gesagt hatte, nach seiner Erinnerung habe es kein Angebot des designierten Mautbetreiberkonsortiums gegeben, den Vertragsabschluss zur Pkw-Maut auf einen Zeitpunkt nach dem zu erwartenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu verschieben. Manager der eigentlich vorgesehenen Maut-Betreiberfirmen hatten im Ausschuss von einem solchen Angebot an Scheuer berichtet, dieser habe dies abgelehnt.

Maut-Debakel kostete den Staat 243 Millionen Euro

Die Pkw-Maut – ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen schwarz-roten Bundesregierung – war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Ein Untersuchungsausschuss hatte sich danach mit möglichen Fehlern Scheuers befasst. Die Opposition hatte Scheuer schwere Fehler im Haushalts- und Vergaberecht zulasten der Steuerzahler vorgeworfen. Er habe Verträge zur Pkw-Maut abgeschlossen, noch bevor Rechtssicherheit beim EuGH bestand. Scheuer hatte die Vorwürfe stets bestritten.

Der deutsche Staat musste infolge des Maut-Debakels 243 Millionen Euro Schadenersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben. Scheuer hatte im Mai 2022 gesagt, er habe vor dem Untersuchungsausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt: „Ich gehe fest davon aus, dass auch eine Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis kommen wird.“ Laut den damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft lagen dem Ermittlungsverfahren mehrere Strafanzeigen von Privatpersonen zugrunde.

Scheuer hatte im April 2024 sein Bundestagsmandat niedergelegt. Er hat inzwischen eine Beratungsfirma gegründet.

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6 Kommentare

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  • Endlich kriegt mal einer der Berufslügner einen drüber.



    Würde man auch Aussagen dem Wähler gegenüber ähnlich juristisch bewerten, wären sie durch die Bank weg alle dran.



    Ich kann mich noch gut erinnern wie die schon zur (ebenfalls schlecht gemachten) Einführung der LKW Maut behaupteten dass das in keiner Konstellation jemals für Pkws kommen würde. Das hat schon damals kaum einer geglaubt, weshalb sie das immer und immer wiederholten. Hörte sich schon fast wie ein Schwur an. Dafür es dann doch versucht zu haben, über den Umweg "nur Ausländer", müssten die sich eigentlich alle für rechtfertigen, nicht nur Scheuer.

  • Mich interessiert auch, warum bei eigentlich klarer Datenlage die Staatsanwaltschaft so lange zögerte. Auch die Bundestagswahl ist lange genug her.



    Dass dies geklärt wird, ist überfällig.

    Vergessen wir dabei nicht Ramsauer und Dobrindt, die das Projekt längst schon zuvor hätten stoppen müssen und das Gegenteil taten.

  • Man hört es schon aus der csU: alles politische Juristerei um dem edlen, vollkommen unschuldigen Andy eins auszuwischen. Nun ja, mit der Methodik in Sachen BGH kriegen interessierte Parteien es sicherlich auch bald hin, die Staatsanwaltschaften zu "säubern". Viellecht helfen ja die politischen Freunde in den USA, Ungarn oder Polen mit ein paar wertvollen Tipps...

  • Vor Gericht, verurteilen, Gefängnis

  • Naja, er kann ja auch scholzen dann klappt das schon.

  • Politisch motivierte Anklage, der Scheuer-Andy greift mal in den Rechtspopulistenbaukasten.



    Wegleugnen, Durchmeiern, Aussitzen, rotzfrech Zurückkeifen. In Scheuer manifestiert sich Vieles, was so manchen an der Politikerkaste ankotzt. Mit gutem Willen einfach Dilettantismus, mit schlechtem ein Fall für den Staatsanwalt oder für die Regressabteilung, die ja leider schon abgewunken hat.