Antiterrorgesetze in der Türkei: Ausnahmezustand als Normalität

Das türkische Parlament verabschiedet Gesetze mit massiven Freiheitsbeschränkungen. Damit zementiert Präsident Erdoğan seine Herrschaft.

Erdogan spricht und zeigt mit der rechten Hand nach vorn

Recep Tayyip Erdoğan hat jetzt ganz viel zu sagen Foto: reuters

ISTANBUL taz | Das türkische Parlament hat ein Paket neuer Antiterrorgesetze verabschiedet. Erst vor einer Woche war der Ausnahmezustand aufgehoben worden. Trotz massiver Kritik der Opposition, die im Falle des HDP-Abgeordneten Ahmet Şık sogar dazu führte, dass man ihm das Wort entzog, wurden die Sicherheitsgesetze am Mittwochabend so wie von der Regierung vorgeschlagen verabschiedet. Aus Sicht der Opposition ist damit der Ausnahmezustand zur neuen Normalität geworden.

Wie bisher gilt zunächst für drei Jahre, dass jeder Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung entlassen werden kann. Die Gouverneure der 81 Provinzen sollen weiterhin Vollmachten wie im Ausnahmezustand haben. Sie können Demonstrationen verbieten und über einzelne Personen Reisebeschränkungen verhängen. Die Polizei kann ohne richterlichen Beschluss Verdächtige bis zu zwölf Tagen festhalten, sollte das für die Ermittlungen erforderlich sein.

Mit der Verabschiedung dieser Gesetze ist die Übergangsphase von einer parlamentarischen Demokratie zu einer neuen Präsidialrepublik, die nach dem Putschversuch vor zwei Jahren und dem anschließend verhängten Ausnahmezustand begann, weitgehend abgeschlossen. Nachdem Präsident Recep Tayyip Erdoğan am 8. Juli seinen neuen Amtseid abgelegt hatte, wurden durch eine Serie von Präsidialdekreten nahezu alle bis dahin existierenden Institutionen aufgelöst und dem neuen System angepasst. Angefangen von der Abschaffung des Amts des Ministerpräsidenten über die Neubesetzung der höchsten Richterstellen bis hin zu einem neuen staatlichen Statistikamt soll der Prozess bis Ende August praktisch umgesetzt werden. Alle Fäden laufen dann im Präsidentenpalast zusammen.

Das gilt auch für außenpolitische Entscheidungen. Der seit knapp zwei Jahren inhaftierte US-amerikanische Pastor Andrew Brunson wurde am Mittwoch aus der U-Haft in einen Hausarrest entlassen. Vor Kurzem hatte das zuständige Gericht in ­Izmir eine Haftentlassung abgelehnt. Brunson soll Kontakte zur PKK und zur Gülen-Sekte unterhalten haben. Er führte seit 20 Jahren eine kleine evangelikale Gemeinde bei Izmir. Seine Entlassung aus der U-Haft folgte gesundheitlichen Gründen. Die USA drohten der Türkei im Fall Brunson mit Sanktionen. Falls die Behörden nicht „sofortige Schritte“ ergriffen, um den US-Geistlichen auf freien Fuß zu setzen und zurück in die Vereinigten Staaten zu schicken, würden Strafmaßnahmen in „bedeutsamem“ Umfang verhängt, warnte Vizepräsident Mike Pence am Donnerstag in Washington.

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