DIE WAHRHEIT: Lambrini-Mädchen wollen nur Spaß haben

Herr Lambrini ist gestorben. Er hat sich zu Tode gesoffen, und irgendwie ist das auch angemessen.

Herr Lambrini ist gestorben. Er hat sich zu Tode gesoffen, und irgendwie ist das auch angemessen. John Halewood, wie Herr Lambrini richtig hieß, besaß das größte unabhängige Getränkeunternehmen in Großbritannien. Seit 1978 stellt es die sprudelnde Alkoholplörre Lambrini her, von der 40 Millionen Flaschen jährlich verkauft werden.

Mit seinem Billiggesöff hat Halewood reihenweise junge Leute an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine Alison Whelan kaperte eine Personenfähre in Dartmoor, nachdem sie zwei Tage lang Lambrini gesoffen hatte. „Ich bin eine Piratin“, schrie sie, sprang an Bord des Schiffes und übernahm das Ruder.

Die Fähre krachte wie bei einem Flipper-Automat in andere Schiffe, bevor Whelan die Polizei anrief und erklärte, dass sie ein Problem habe. 30 Polizeiautos und Krankenwagen rückten umgehend an. Der Lambrini-Werbespruch lautet: „Lambrini-Mädchen wollen nur Spaß haben.“

Besonders am „Suizid-Sonntag“, dem Tag nach Abschluss der Universitätsexamen Ende Juni in Cambridge, bricht das Lambrini-Chaos aus. Einmal hatten die Organisatoren des Festes, die „Wyverns Drinking Society“, der natürlich nur Männer angehören, ein aufblasbares Schwimmbecken im Durchmesser von zwei Metern mit Gelee gefüllt. Darin fanden Ringkämpfe von Studentinnen im Bikini statt, der Gewinnerin winkten 250 Pfund.

Eine Nadia Witkowski, die im Halbfinale verloren hatte, rastete voller Wut und Lambrini aus. Die 23-Jährige schwang die Flasche wie eine Keule, stürzte sich auf ihre Kommilitonin Hannah Ford, die aus unbekannten Gründen als Schmetterling verkleidet war, und schlug ihr die Nase blutig.

Als zwei Ordner die gelierte Witkowski überwältigen wollten, versetzte sie einem einen Kopfstoß und dem anderen einen Boxhieb in den Magen. Erst eine Polizeieinheit bekam die glitschige Studentin zu fassen. Ein Sprecher der Wyvern-Trinkgesellschaft sagte: „Fräulein Witkowski wird künftig nicht mehr zu Gartenpartys eingeladen.“

Dabei entsprach ihr Benehmen durchaus der Tradition. Bei Oxfords Gegenstück zu Cambridges „Wyvern Drinking Society“, dem „Bullingdon Club“, dem früher Premierminister David Cameron, Schatzkanzler George Osborne und Londons Bürgermeister Boris Johnson angehörten, geht es ebenso lustig zu. Einmal rollten sie einen Studenten im Frack in einem mobilen Toilettenhäuschen einen Hügel hinab.

Ein anderes Mal zerstörten die Studenten sämtliche 500 Fenster in der Universitätskirche. Seitdem dürfen sie ihre Treffen nicht mehr innerhalb eines Bannkreises von 25 Kilometern um die Universität abhalten. Einige Restaurants in Universitätsstädten haben inzwischen untersagt, dass Gäste ihre eigenen Getränke mitbringen und dafür Korkengeld bezahlen, weil die Studenten stets Lambrini mitbrachten und das Lokal vollkotzten.

Halewood selbst hat nie Lambrini angerührt, er hat guten Wein bevorzugt. Deshalb ist er auch nie in ein aufblasbares Schwimmbecken mit Gelee gesprungen, sondern starb standesgemäß neben dem Swimmingpool im Garten seiner Villa.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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