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Debatte um Anerkennung PalästinasZweistaatenlösung heißt natürlich: zwei Staaten

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Eine Anerkennung Palästinas ist zwingend logisch. Das Land muss mit Israel auf Augenhöhe sein, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar.

Ohne eine Anerkennung Palästinas durch Israel und die Völkergemeinschaft geht nichts voran Foto: imago, Montage: taz

D eutschland unterstützt eine Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt. Eine Zweistaatenlösung bedeutet die Existenz und Anerkennung zweier Staaten, also Israels und Palästinas. Insofern muss jede Regierung, die eine Zweistaatenlösung unterstützt, sowohl Israel als auch Palästina anerkennen, schon aus Gründen der Logik. Emmanuel Macron hat das jetzt erkannt, wie vor ihm schon die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs der Welt.

Politik ist nicht immer logisch, und daher hat Deutschland gegen eine Anerkennung Palästinas politische Vorbehalte. Dieser Schritt könne erst am Ende eines Friedensprozesses stehen, lautet ein Argument. Das ist zwar auf den ersten Blick einleuchtend, aber die Erfahrung spricht dagegen. Wenn es eine Lehre aus mehr als drei Jahrzehnten Scheitern im Nahost-Friedensprozess gibt, dann die: Es muss zwei Gesprächspartner auf Augenhöhe geben, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar. Die Anerkennung Palästinas auch durch Israel muss also am Anfang des Friedensprozesses stehen, nicht am Ende. Die Anerkennung Israels durch die Palästinenser galt schließlich auch als zwingende Voraussetzung für jeden Friedensprozess.

Ein weiteres Argument gegen eine Anerkennung Palästinas zum jetzigen Zeitpunkt lautet: Die Grenzen Palästinas müssten erst klar definiert werden. Aber in welchen klar definierten Grenzen erkennt Deutschland denn Israel an? Innerhalb des historischen Mandatsgebiets Palästina ist die Grenze des einen logischerweise die Grenze des anderen. Völkerrechtlich gilt bis heute die Grenze, die bis zum Sechstagekrieg 1967 existierte. Eine rechtsgültige Veränderung könnten die beiden Staaten untereinander aushandeln. Dafür müssen sie aber beide als Staaten anerkannt sein.

Die einzige logische Alternative zur Anerkennung eines palästinensischen Staats ist die Anerkennung der israelischen Souveränität über das gesamte historische Palästina – also mit der Annexion der Westbank und des Gazastreifens. Dann aber stünde Israel vor der Wahl, allen Palästinensern gleiche Rechte in einem demokratischen Staat zu gewähren, also seinen Charakter als „jüdischen Staat“ aufzugeben, oder ein Apartheidsystem einzurichten, in dem mehrere Millionen Palästinenser überhaupt keine Rechte besitzen.

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Soweit bekannt, will Deutschland weder das eine noch das andere, und auch viele Israelis erkennen sich in dieser Alternative nicht wieder. Dann bleibt nur die Zweistaatenlösung auf Grundlage einer gegenseitigen Anerkennung, wobei die internationalen Partner mit gutem Beispiel vo­ran­gehen sollten. Eine Staatsräson, die sich der Logik widersetzt, ist keine Räson, sondern Unsinn.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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26 Kommentare

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  • "Die Anerkennung Israels durch die Palästinenser galt schließlich auch als zwingende Voraussetzung für jeden Friedensprozess."

    Aber genau daran klemmt's ja. Die Palästinenser selbst müssten diesen Palästinenserstaat und seine Grenzen, und damit Israel als Nachbarn, anerkennen und akzeptieren. Eine sehr große "from the river to the sea" Fraktion will genau das nicht.

  • Zweistaatenlösung klingt ja erstmal schön und gut, ein Blick auf die Landkarte genügt aber, um sich zu fragen, wie sie umgesetzt werden soll. Ein zweigeteilter palästinensischer Staat, der aufgrund seiner Geografie kaum lebensfähig beziehungsweise immer vom Goodwill seines Nachbarn Israel sein wird, eine geteilte Hauptstadt - wie soll das funktionieren?



    Die Teilung Palästinas war das Ergebnis des Zerfalls des osmanischen Reichs und kolonialer Denkweise nach dem ersten Weltkrieg, die wie wir wissen, auch andernorts zu bis heute andauernden Konflikten geführt hat. Mann kann Geschichte nicht rückabwickeln, und nun sitzt der Karren tief im Dreck, und der Wille beider Konfliktparteien zu einer einvernehmlichen Lösung ist in weite Ferne gerückt.



    Trotzdem sollte man meiner Meinung nach aus oben genannten Gründen eher eine Einstaatenlösung nach dem Vorbild der Schweiz anstreben.

  • Meines Wissens gehört zu einem Staat ein klar umrissenes Territorium und eine klar definierte Staatsmacht - beides ist im Falle Palästinas nicht gegeben. Die Anerkennung dieses fiktiven Gebildes dient primär der Selbstwahrnehmung der Anerkennenden als "Die Guten" und teilweise der Unterstützung der gegebenen, meist terroristischen und islamistischen Akteure auf arabischer Seite. Die Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt wird durch die Hamas als Bestätigung ihres Kurses gesehen werden, der neben der genozidalen Gewalt gegen Israelis auch die Opferung zigtausender gazanischer Zivilisten als wohlfeile Medienmasse beinhaltet. Wie man so etwas richtig finden kann geht in meinen Kopf nicht rein, eine politische Szene die solches fordert ist von allen guten Geistern verlassen und als politischer Akteur nicht mehr ernstzunehmen.

  • Man kann die Situation und den Weg dahin auch so zusammenfassen:

    Int’l Recht und int’l Ordnung wären ein Witz, wenn die jeweils Mächtigen ihrer Zeit sie nicht als Vorwand nutzen würden, ihre Interessen durchzusetzen. USA, Russland, China und andere machen seit Jahrzehnten vor, was sie vom int’l Recht halten und uns Schländle war oft eine williger Weggefährte.

    Faktisch war die Zweistaatenlösung von Anfang an eine unrealistische Notlösung. Sie sanktionierte die gewaltsame Gründung des Staates Israels und stellte einen geteilten und kaum lebensfähigen Staat Palästina nur in Aussicht. Da war die Fortsetzung des Konflikts vorprogrammiert. Nun droht eine neue Eskalationsstufe: Die Vertreibung der Palästinenser wird von Teilen der israelischen Regierung und Gesellschaft ganz konkret in Erwägung gezogen. Wie die arabischen und islamischen Nachbarn darauf reagieren, bleibt abzuwarten. Damit würde aber mindestens mehr als eine neue Generation von TerroristInnen ins Leben gerufen.

  • "Das Land muss mit Israel auf Augenhöhe sein, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar."

    Das ist leider genauso unrealistisch wie bei der Ukraine. Die Welt ist nicht fair und mit unrealistischen Zielen verschlimmert man oft noch die Lage (siehe zb Ukraine). Wichtig wäre Pragmatismus und realistische Ziele.

  • Was würde man hier aktuell als "Palästina" anerkennen? Ein von Hamas Terroristen geführtes Gebiet und ein von der korrupten Fatah seit Jahren ohne Wahlen geführtes Gebiet. Beides weder getrennt noch zusammen autonom lebensfähig. Man muss weg von den Schlagworten zu realistischen Lösungen.

  • >...Apartheidsystem einzurichten, in dem mehrere Millionen Palästinenser überhaupt keine Rechte besitzen.<

    Die dritte Möglichkeit wäre Vertreibung der Palästinenser. Darauf soll es wohl hinauslaufen.

    • @A. Müllermilch:

      So ist es zu befürchten.



      "56 Prozent der israelischen Juden unterstützen die Vertreibung der palästinensischen Bürger Israels aus ihrem Land." www.middleeasteye....stinians-gaza-poll



      Millionen Palästinenser bedeuten für Israel spätestens nach dem 7.10. Millionen potenzieller oder mutmaßlicher Terroristen. Also sind auch Gefängnis und Entrechtung keine Optionen mehr. Und wenn sich die Palästinenser weigern, ihre Heimat aufzugeben, wird versucht, die "Freiwilligkeit" durch "Druck ausüben" zu erhöhen. U.a. durch unterscheidslose Bombardierungen, die Herbeiführung von Unbewohnbarkeit oder die Verwendung von Hunger und "humanitärer Hilfe" als Waffe.

  • Eine bloße Anerkennung Palästinas würde auf praktischer Ebene keine Konfliktlösung darstellen. Sie würde einen faktisch dysfunktionalen Staat legitimieren, in dem Terrororganisationen wie die Hamas weiter Einfluss ausüben und tiefgreifende strukturelle Probleme – darunter Korruption, autoritäre Machtstrukturen unter Präsident Abbas, mangelnde Meinungsfreiheit und systematische Repressionen gegen Minderheiten – unberührt blieben. Die Ablehnung des Existenzrechts Israels, die seit Jahrzehnten besteht, würde dadurch nicht relativiert und die bestehenden Konflikte eher verschärfen. Vielmehr könnte eine solche Anerkennung internationale Legitimation suggerieren, ohne reale Reformen, Gewaltverzicht oder einen ernsthaften Friedensprozess herbeizuführen. Symbolische Schritte allein reichen nicht aus, solange es keine garantierten Fortschritte in Richtung Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und echter Verhandlungsbereitschaft gibt. Zudem würde sie problematische politische Praktiken und gesellschaftliche Spannungen international tolerieren, ohne die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern oder eine friedliche Koexistenz zu fördern.

    • @BrendanB:

      Das sehe ich genauso. Ergänzen würde ich gerne noch, dass ein palästinensischer Staat aus realpolitischen Sicherheitserwägungen Israels eine absolute Vollkatastrophe wäre. Die strategische Tiefe Israels beträgt bei Tel Aviv beispielsweise stolze 15 km. Israel wäre gegen Raketenterror aus dem Westjordanland nicht zu verteidigen. Mordende Stoßtrupps a la 7. Oktober wären in kürzester Zeit in dicht besiedeltem Gebiet. Und wer genau sollte die Hamas an massiver Aufrüstung hindern, wenn der autonome Staat Palästina erst mal existiert? Aus meiner Sicht muss es genau umgekehrt gehen, die Palästinenser bekommen ihren eigenen Staat wenn sie über einen langen Zeitraum (30 Jahre) gezeigt haben, dass sie friedlich sein können und Israel als Staat anerkennen.

      • @QuantumRider:

        Deswegen muss ein eigener Staat auch am Ende stehen und nicht am Anfang.

        Wahrscheinlich wären umfangreiche Sicherheitsgarantien notwendig für Israel. Und zwar von den Nachbarstaaten wie auch von so Experten wie Südafrika, Nicaragua und Norwegen, die sofort in die Bresche springen und im Zweifelsfall auch militärisch für Ordnung sorgen.

        Das will nur niemand machen. Man könnte sich ja die Hände schmutzig machen. Auf UN Resolutionen und -Soldaten kann Israel sich nicht verlassen, wie der Fall der Hisbollah im Libanon zeigt.

  • Viel interessantes, ausser im letzten Satz. Lassen wir doch den Begriff "Staatsraison " einmal weg, er ist bestenfalls vordemokratisch, schlimmstenfalls tiefbraun à la Carl Schmitt und im GG nirgendwo erwähnt, da sie völlig konträr zum GG ist. Leitsatz deutscher Politik, das ist ok.

    • @Jo Lang:

      In USA spricht man von außen- oder sicherheitspolitischen Doktrin, die mal ausformuliert, mal stillschweigend die langfristigen Strategien flankieren. Wenn man sie in Rechnung stellt, wird vieles verständlich(er).

  • Sehr guter Beitrag!

    Dies würde zu gleich bedeuten, den Weg zu einem Großisrael zu beenden.



    Wobei dieses weit über palästinensisches Gebiet hinausgeht.

    Ob das in einem so gottesfürchtigen Staat denkbar ist, scheint ebenso unrealistisch wie islamistische Terroristen, die nach Einklang mit rechtsradikalen Israelis suchen.

  • Es wird nur Frieden geben, wenn es einen gemeinsamen demokratischen Staat mit Israelis und Palästinensern gibt.

    Jeglicher Einfluss durch extremistische islamische Staaten wie den IRAN auf die Palästinenser muss beendet werden.

    Eine zweitsaatenlösung wird nicht funktionieren, es hat mit Gaza nicht funktioniert, es wird aus sonst nicht funktionieren.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Einen gemeinsamen Staat mit Israelis und Palästinensern, in dem perspektivisch die Juden zur Minderheit werden, halte ich für vollkommen ausgeschlossen. Niemals würden die Israelis einem solchen Vorschlag zustimmen, weil ja der Staat Israel letztendlich auch deswegen gegründet wurde, ein sicherer Hafen für Juden zu sein. Würden sie dort zur Minderheit werden, wäre das nicht mehr gewährleistet.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das wäre eine schöne Sache, wenn es beide Seiten (Palestinenser und Israelis) akzeptieren könnten. Am besten ein tatsächlich laizistischer Staat.

      • @EffeJoSiebenZwo:

        Ein laizistischer Staat in dieser Region Nahost wäre so erfolgreich, wie der versuch einer Eisbärenzucht in der Sahara. Fast alle Staaten dort, einschließlich Israel und Palästina, berufen sich bei ihrem Existenzrecht oder der Rechtfertigung von Gewalt auf ihre jeweiligen religiösen Grundlagen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Es wird niemals einen gemeinsamen Staat geben. Es kann nur eine Zwei-Staaten-Lösung geben. Mit der bloßen Anerkennung eines Staats "Palästina" ist jedoch nichts gewonnen. Damit würde nur Terror legitimiert.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ich habe Sie, wenn ich mich recht erinnere, schon einmal daran erinnert, dass Iran kein Akronym ist; die Großbuchstaben sind also deplatziert. Und der iranische Einfluss auf die sunnitisch-nationalistische Hamas ist nicht Ursache des NO-Konflikts, sondern ein Zweckbündnis als Folge israelischer Besatzungspolitik (nach deren Extremismus man durchaus auch fragen kann, gerade angesichts der Ereignisse in Gaza…). Wie der von Ihnen vorgeschlagene gemeinsame Staat aussehen sollte, bleibt auch ein Rätsel: denn es ist schwer vorstellbar, dass sich die israelische Seite auf eine Lösung einlässt, die angesichts der demographischen Struktur das Ende Israels als jüdischer Staat bedeuten würde.

      • @O.F.:

        Chomenei hat schon in den 60er Jahren vor der israelischen Besetzung Gazas und des WJL zur Vernichtung Israels aufgerufen. Die Bessenheit der iranischen Theokratie hat also nichts mit Israels Verhalten zu tun.

        Es sei denn, Sie sehen Israel selbst als besetztes Gebiet und nicht als legitimen Staat an. Das tun ja viele Extremisten und propalästinensische Aktivisten.

      • @O.F.:

        Demographie lässt sich verändern. Angesichts der desolaten Lage in der Region ist anzunehmen dass sich die Situation erst nachhaltig verändert, wenn sich China als vermutlich kommende Weltmacht Nr. 1 dort intensiver engagiert und auch Konzepte der harmonischen Gesellschaftsentwicklung dort implementiert. Ägypten und China sind ja derzeit in ernsthaften Verhandlungen zur militärischen Zusammenarbeit. Perspektivisch dürfte es mit Gaza aufwärts gehen, wenn sich Ägypten dort mit konzeptueller und tatkräftiger Unterstützung Chinas die Verwaltung und Sicherheitsbelange wahrnimmt, kombiniert mit wirtschaftlichem Aufbau und nachhaltiger Steuerung der Demographie. Die Westbank wird vermutlich bei Israel verbleiben, mit verschiedenen autonomen arabischen Emiraten, die ja bereits in der Entstehung sind. Die aktivistische Linke und der "wertebesessene Westen" werden auf Sicht wohl keine nennenswerte Rolle in der Weltpolitik mehr spielen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ok für Ihren Kommentar über den Iran, können wir bitte auch dasselbe über die USA sagen, die ein vielfach größeres Volumen an Waffen in die Region pumpt?

      • @Jo Lang:

        Die USA sind ein extremistisch fanatisch-religiöser Staat wie der Iran?

  • Ein erfrischender und einleuchtender Kommentar in "einfacher" Sprache.