Die Streitfrage: Ist die Schreibschrift überflüssig?

Finnland schafft die Schreibschrift ab, damit Schüler mehr Zeit haben, um das Tippen zu üben. Auch in Deutschland sind Blockbuchstaben beliebter.

Kafka mochte Schreibschrift. Bild: dpa

Computer und Smartphones vertreiben die Handschrift immer mehr aus dem Alltag. Wenn überhaupt, schreiben Erwachsene meist in Druckschrift – oder machen spätestens nach drei oder vier verbundenen Buchstaben einen Sprung. Die in der Schule mühsam eingeübte Schreibschrift findet sich höchstens noch in persönlichen Grußkarten oder in Briefen wieder.

Finnland ist einen Schritt weiter gegangen und hat kürzlich beschlossen, die Schreibschrift abzuschaffen. Das Pisa-Musterland streicht die Schrift mit den verbundenen Buchstaben ab Herbst 2016 aus seinen Lehrplänen. Zukünftig sollen die Schüler nur noch Druckbuchstaben lernen – und dafür mehr Zeit haben, um das Tippen an iPad und Computertastaturen zu üben.

Die finnische Bildungsministerin Minna Harmanen begründete die Reform gegenüber der Helsinki Times damit, dass es für viele Kinder derart mühsam sei, einzelne Buchstaben mit der Hand zu verbinden, dass es zu Schreibblockaden führe.

Udo Beckmann von der deutschen Gewerkschaft „Verband Bildung und Erziehung“ warnt davor, sich Finnland zum Vorbild zu nehmen: „Den Kindern darf unter dem Dach der Schule keine Beschränkung ihrer motorischen Fähigkeiten zugemutet werden.“ Studien in Frankreich und den USA zeigen, dass sich Kinder mit einer Verbundschrift Texte besser merken können. Offenbar würden dabei mehr Hirnareale aktiviert. Ein weiterer Vorteil: Schüler könnten viel schneller schreiben, weil sie anders als bei der Druckschrift nicht jeden Buchstaben neu ansetzen müssen.

Höchstens mal ein Einkaufszettel

Schon jetzt ist die in Deutschland gelehrte Schrift allerdings alles andere als einheitlich, sondern variiert je nach Schule oder Land. Im Westen verbreitet ist die verschnörkelte lateinische Ausgangsschrift, zu der es seit 1973 eine vereinfachte Version gibt. In ostdeutschen Grundschulen ist eine schlichtere Schulausgangsschrift gängig, die 1968 in der DDR eingeführt wurde.

Seit 2011 erproben einige Lehranstalten noch eine vierte Schreibart: die vom Grundschulverband entwickelte Grundschrift, die aus zu verbindenden Druckbuchstaben besteht – eine Mischform aus Block- und Schreibschrift. Erkenntnisse, mit welcher Art Kinder besser Schreiben und Lesen lernen, gibt es kaum. Womöglich ist die Grundschrift aber nur der erste Schritt hin zu einer Abschaffung der verbundenen Schrift.

Befürworter glauben, dass die Schreibschrift Schüler überfordere. Die Nürnberger Bildungsforscherin Stephanie Müller verwies darauf, dass etwa 70 Prozent der Schüler nach dem Kindergarten überhaupt nicht mehr die motorischen Voraussetzungen für verbundene Schriften mitbrächten. Gründe dafür sieht sie unter anderem in mangelnder Bewegung, aber auch darin, dass die Eltern hier oft keine Vorbilder seien.

Denn die schreiben höchstens ihre Einkaufszettel von Hand – in krakeligen Blockbuchstaben.

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