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Die Seitenwende der tazDas nächste Kapitel

Seit 2011 denken wir über taz Journalismus ohne täglich gedruckte Zeitung nach. Jetzt ist der Moment gekommen. Ein Zeichen von Aufbruch und Solidarität

Chefredaktion und Justiziar: Barbara Junge, Katrin Gottschalk, Ulrike Winkelmann, Katharina Bigot. Foto aus dem Kunstprojekt Foto: Joerg Reichardt

Auf der Frankfurter Buchmesse 1977 flog die Idee einer linken Tageszeitung bereits durch die Luft, auf dem Tunix-Kongress 1978 stand sie auf der Tagesordnung, und am 27. September 1978 erschien schließlich die erste Nullnummer der taz. Gefragt nach dem stärksten Gefühl in dieser Zeit, antwortete taz-Mitgründer Arno Widmann einmal: Aufbruch.

Die letzte gedruckte werktagstaz 🐾

Unter der Woche wird fortan nicht mehr gedruckt: Die historische werktagstaz vom Freitag, dem 17.10.2025, erscheint ausnahmsweise weitgehend ausschließlich gedruckt und als ePaper. Sie bleibt ganze zwei Wochen im Handel sowie in unserem eKiosk als ePaper erhältlich. Sie enthält Text von Fatma Aydemir, Sibylle Berg, T.C. Boyle, Dave Eggers, Olga Grjasnowa, Olga Hohmann, Nefeli Kavouras, Francesca Melandiri, Christof Meueler, Feridun Zaimoglu, ein Dreiergespräch von Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann, den abgeschlossenen Fortsetzungroman „Spionin der Redaktion“ und vieles mehr. Alles zur Seitenwende

Endlich eine eigene, linke Tageszeitung zu machen und jeden Tag herauszufinden, was das sein kann, das elektrisierte die Gründer*innen. Und sie wurden schon damals getragen von vielen. Dass die taz entstehen konnte, war denjenigen zu verdanken, die bereits ein Abo der Zeitung abschlossen, als es sie noch gar nicht gab – und damit den Druck überhaupt erst ermöglichten.

Bis heute wird die taz fast ausschließlich von ihren zahlenden Le­se­r*in­nen getragen, seit 1992 sogar von mittlerweile über 25.000 Ge­nos­s*in­nen besessen. Solidarität durchzieht die Struktur unseres Verlages und auch unsere Berichterstattung. Unser Redaktionsstatut hält fest, dass wir insbesondere den Stimmen Raum geben, die gegenüber den Mächtigen kein Gehör finden. Um dies auch in Zukunft leisten zu können, muss die taz wirtschaftlich bleiben.

Und hier ist sie nun also: die letzte gedruckte Werktagsausgabe der taz. Das klingt so umständlich, dass sehr viele Menschen, auch bei uns im Haus, diese Ausgabe schlicht als „die letzte Ausgabe“ bezeichnet haben. Das ist grundlegend falsch und richtig zugleich.

Wir werden auch nach diesem 17. Oktober 2025 weiter drucken – unsere wochentaz, die sich einer stetig wachsenden Le­se­r*in­nen­schaft erfreut. Wir werden nach diesem 17. Oktober auch weiter täglich eine Zeitung machen in Form eines ePapers, das sowohl die gewohnte Seitenansicht ermöglicht als auch ein bequemes Lesen in der bildschirmpassenden Textansicht. Aber.

Aber es fällt doch etwas weg. Das tägliche Anfassen einer Zeitung. Das tägliche Rascheln einer Zeitung (auch wenn wir dies im ePaper elektronisch reproduzieren, achten Sie einmal darauf!). Die tägliche Zeitung am Esstisch, die nicht erst über ein technisches Gerät bedient werden muss. Wir können und wollen nicht verhehlen, dass etwas fehlen wird.

Und doch steht diese Ausgabe im Zeichen von Aufbruch und Solidarität.

Seit 2011 denken Menschen in der taz über die Endlichkeit des täglichen Papiers nach. Seit 2018 arbeiten wir daran, unsere anderen taz-Produkte so zu stärken, dass sie diesen großen Verlust auffangen können. Wir haben schon oft darüber geschrieben, warum wir nun aufhören, unsere tägliche Ausgabe zu drucken. Manchen Ge­nos­s*in­nen und Le­se­r*in­nen kommt es schon zu den Ohren heraus.

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Status: In Transformation

Ricarda Lang, Navid Kermani, Aline Lüllmann, Bernhard Pörksen, Katrin Gottschalk
Ricarda Lang, Navid Kermani, Aline Lüllmann, Bernhard Pörksen, Katrin Gottschalk

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Deshalb haben wir für diese Ausgabe die Geschichte unserer Transformation neu erfunden – als Agententhriller. Wie ein Staffelstab ging die Geschichte unter 16 Re­dak­teu­r*in­nen der taz von Autor zu Autorin und nahm jeweils eine neue, nicht vorhersehbare Wendung. So ist ein Kettenroman entstanden, es ist Fiktion, Literatur – so wie der Großteil der Texte in dieser Ausgabe.

Wir haben 13 deutsche und internationale Au­to­r*in­nen gebeten, über Aufbruch und Solidarität zu schreiben. Die Form, die sie dafür wählen konnten, war ganz frei. Sie schreiben über eine Nasen-Operation, über Münzen in einem Brunnen und über einen Besuch im Spielcasino – Themen, die auf den ersten Blick weit weg sind von dem, was sonst in der taz steht. Aber genau das war unsere Idee: ein Ausbruch aus der Nachrichtenwelt, die uns allzu oft den Atem raubt, in deren Strudel wir glauben, dass alles nur schlechter wird. Dabei gibt es sie, die Solidarität, die Momente von Liebe und Schönheit. Die Au­to­r*in­nen dieser Ausgabe machen sie sichtbar.

Arundhati Roy schrieb einmal: „Another world is not only possible – she is on her way. On a quiet day I can hear her breathing.“ Eine andere Welt sei nicht nur möglich, sondern schon auf dem Weg. An einem ruhigen Tag könne sie sie atmen hören.

Für die Gestaltung dieser besonderen Ausgabe haben wir den Künstler Christian Jankowski gewinnen können. In seiner Konzeptkunst richtet er den Blick häufig auf diejenigen, die zu wenig gesehen werden. Er teilt auf seine Weise also unser solidarisches Selbstverständnis.

Die Grundsätze unserer journalistischen Arbeit werden bleiben. Daran ändert nicht, dass Sie nun die letzte gedruckte Werktagsausgabe der taz in den Händen halten. Daran wird auch keine künstliche Intelligenz etwas ändern – oder welche technischen Entwicklungen auch immer noch vor uns liegen. taz bleibt taz.

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