Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Auch wir sind Wulff, das Oberlandesgericht folgt nur deutschen Befehlen, und für Rot-Grün wird es immer knapper.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Für Rot-Grün reicht es laut Umfragen nur noch, wenn die Linkspartei mitmachte.

Was wird besser in dieser?

Steinbrück, der gerissene Fuchs! Viele hatten ihn für einen Rechten gehalten.

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Christian Wulff. Nie zuvor hat die Justiz in Deutschland einen früheren Bundespräsidenten angeklagt, und ein Jahr später ist der Staatsanwalt der Schurke. Also, wer ist denn nun eigentlich der Böse?

Leider: alle. Die Staatsanwaltschaft hat Wulff zum Rücktritt gezwungen, indem sie seine Immunität aufheben ließ. Doch von 21 vorgeworfenen „Tatkomplexen“ ist nun nur noch einer übrig, und da geht es um Marginalien. Möglich sogar, dass das Gericht den Prozess ablehnt. Nun können die einen nölen: Die da oben halten doch alle zusammen, den Wulff lässt man laufen. Die anderen: Karrieregeile Juristen haben den Mann wegen nichts geschlachtet. Bei Helmut Kohl ging es am Ende nicht um 110 Euro für ein Kindermädchen im Hotel, sondern um eine die Republik erschütternde mafiöse Korruptionsstruktur. Der Dicke zahlte 300.000 Mark und die Justiz beließ es dabei, die Sache niemals aufzuklären. Mir ekelt vor Staatsanwälten im Auftrag der Bild-Zeitung, und vor den Zeitungen als Staatsanwälten auch. Wulffs Rücktrittsgrund ist „Peinlichkeit im Amt“, wie immer das juristische Verfahren ausgeht. Und offenbar ist uns ein schiefgegangener Musterschüler peinlicher als ein Bimbestitan. Wir sind mit peinlich.

Ab Mittwoch wird die Mordserie des rechtsextremistischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verhandelt. Welche Erwartungen haben Sie an diesen Prozess?

Da sitzen keine obskuren V-Leute auf der Anklagebank, keine selbstgerechten Ermittler, keine unfähigen Verfassungsschützer: Es wird eine individuelle Schuld bemessen werden. Das ist das Mindeste. Meine Erwartung ist eine Befürchtung, nämlich: Die Struktur, die die Verbrechen ermöglichte, wird nicht verurteilt werden können.

Das Oberlandesgericht München muss beim NSU-Prozess eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter ausländischer Medien vergeben. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ist die Peinlichkeit damit aus der Welt?

Das Verfassungsgericht hat die Hausaufgaben von OLG, Außen- und Justizministerium gemacht: Das Vergabeverfahren muss nicht nur in sich fair sein, sondern auch im Zugang. Sehr simpel, eigentlich. Das OLG hat sich hinter der unausgesprochenen Präambel des deutschen Geistes versteckt: „Tut mir leid, ich hab die Vorschriften nicht gemacht.“

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat eine Panne bei der Auswahl des Wahlkampfmottos „Das Wir entscheidet“ eingeräumt. Er machte aber zugleich klar, dass die SPD an dem Slogan festhalten werde, obwohl eine Zeitarbeitsfirma mit demselben Spruch wirbt. Gute Idee?

Endlich ein vernichtender Angriff der SPD gegen das Zeitarbeits-Unwesen ! Mit einem SPD-Slogan kann die Firma doch einpacken.

Beim „Spiegel“ wurden die Chefredakteure gefeuert. Franziska Augstein , die Tochter des „Spiegel“-Gründers, ärgert sie sich laut, dass so viele Interna aus dem Gesellschafterkreis des „Spiegels“ nach außen dringen. „Dergleichen Gequatsche macht die Jahresbilanz nicht besser“, sagte die Journalistin. Was könnte dem Blatt denn jetzt helfen?

Der Konflikt ist doch unabhängig vom Personal da: Wenn ich alles gelesen habe, was bei Spiegel Online gratis und stets drängelnd viertelstündlich neu aufploppt, habe ich keinen Appetit mehr auf das dicke, teure, schnell veraltende Heft. Andererseits ist Spiegel.de so lange Meinungs- und Marktführer, wie jedermann sich dort für umme mit Meinung bewerfen lassen kann. Kurz: Die können in Hamburg noch 5-mal die Chefredaktion wechseln – der Bedeutungsverlust des Heftes ist langfristig unvermeidlich.

Borussia Dortmund Trainer Jürgen Klopp hat bei seiner neu erblühten Haarpracht auf dem Kopf nachgeholfen. Sein Geständnis: „Ja, ich habe mich einer Haartransplantation unterzogen“. Wie gefällt Ihnen dieser Style?

Ich persönlich halte männlichen Kopfhaarwuchs für einen Aspekt der Pubertätskrise. Man kann den jungen Lümmels mit Worten nicht begreiflich machen, dass das Leben erst anfängt, wenn die Frisur geht. Da müssen sie durch.

Und was machen die Borussen sonst so?

Dortmund kann gewinnen, München darf nicht verlieren. Arschkarte in zuständigen Händen. Alles bereit für Real.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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