Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Das Treffen zwischen Muslimen und AfD? Ein Blind Date mit Anlauf. Und Gauland und Petry spielen fleißig Dementibingo.

Kinderbild von Jerome Boateng auf einer Kinderschokoladenpackung

Gauland ist halt das Gegenteil von Kinderschokolade, außen weiß und innen braun Foto: reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Irgendwie hat keiner Bock auf Bundestagswahl 2017.

Was wird besser in dieser?

Wenn’s ein Auto wäre, könnte die Bundesregierung Prämien zahlen.

Der Präsidentenwahlkrimi in Österreich ist gerade noch mal gut ausgegangen. Können wir hier daraus Lehren ziehen? Oder ist uns der Alpenstaat kulturell einfach zu fremd?

In der Hinsicht: 25 Jahre vorgespult. Anfang der 90er stand der Haiderismus in Österreich da, wo der Rechtspopulismus heute in Deutschland lauert. Man könnte die Erkenntnis ableiten, dass Regierungsbeteiligung die FPÖ hat zersplittern lassen und doch jedes Mal neu erstarken. So richtig „entzaubert“ klingt 49,7 Prozent nicht.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bedford-Strohm, fordert flächendeckenden Islam-Unterricht an Schulen. Sollte Deutschland nicht lieber endlich flächendeckend laizistisch werden?

Ist mit dem Grundgesetz nicht zu machen, weil es in Art. 7 Religionsunterricht als obligates „ordentliches Lehrfach“ festschreibt. Ein Privileg, das die christlichen Kirchen schon in den 70ern verteidigten: Sie forderten „Ethik“ als Ersatzfach – Motto: Wer Religion abwählt, soll zur Strafe wenigstens keine Freistunde bekommen. Schon damals wuchsen die Zahlen nicht nur der Ungläubigen, sondern auch der Muslime in Deutschland. Bedford-Strohm hofft nun, im Islam-Unterricht würden sich Muslime „kritisch mit der Tradition ihrer Religion auseinandersetzen“. Frommer Wunsch, denn Art. 7 GG schützt auch das kirchliche Privileg, „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ zu lehren. Deshalb sollten sich „die Muslime in Deutschland so aufstellen, dass es klare Ansprechpartner für den Staat gibt“. Bingo, unterm Strich liest sich das, als habe Bedford-Strohm Bock, mal ordentlich durchorganisierten kritischen Islam-Unterricht zu geben, flächendeckend. Dagegen das Grundgesetz beim Wort genommen: „Religionsunterricht“ könnte ebenso legal „Unterricht über alle Religionen sein“, von didaktisch geschulten Ethikern erteilt – nicht von der jeweils interessierten Lobby. Was am deutlichsten Not tut, ist Religionskunde übereinander, damit Muslime etwas übers Christentum erfahren können oder die „Verteidiger des christlichen Abendlandes“ etwas über den Islam. Und das Christentum.

Das Treffen von der AfD und dem Zentralrat der Muslime lief nicht so gut. Hätte es besser laufen können?

Nein, klasse PR für beide, ein Blind Date mit Anlauf.

Der stellvertretende AfD-Chef Alexander Gauland will Jérôme Boateng nicht als Nachbar. Nur: Wer will schon den Gauland als Nachbar? Sie?

Na ja, ich komme klar, wenn der Nachbar kein Christ ist wie Gauland und Christen wie Boateng bepöbelt. Gauland ist halt das Gegenteil von Kinderschokolade, außen weiß und innen braun. Nun entschuldigt sich Petry für Gauland, der sich neulich wiederum von Petry distanzierte beim Thema „Schießen an der Grenze“. Die hauen einfach mal einen raus, spielen Dementibingo und lachen sich schlapp über die mediale Überpräsenz, die sie damit erzielen.

Barack Obama hat Hiroshima besucht. Hätte er sich für den Atombombenabwurf 1945 entschuldigen müssen?

Er hat am Schmerz teilgenommen, wenn das geht. Und das geht sicher eher, als sich im Wortsinne „zu entschuldigen“ – aus der Schuld kann man nicht raus. Im Umgang Japans mit der Geste Obamas liegt Verzeihendes, und darum kann es gehen. Immerhin hat das Nobelkomitee mit dem präventiven Abwurf seines Friedenspreises über Obama schöne Wirkungen erzielt, die er nun mit Besuchen auf Kuba, in Japan und mit Plädoyers gegen Atomwaffen umsetzt.

Die Linkspartei ist in der Krise. Oder wird sie da bloß hineingeredet?

Wenn mir nach 25 Jahren klar würde, dass mich reichlich Rechtsradikale als dumpfe Protestpartei wählten, ohne ein Wort vom Programm verstanden zu haben, hätte ich auch ne Krise. Die Arbeitsteilung, in der Wagenknecht rechte Ressentiments bedient, Bartsch bürgerliche Koalitionsmechanik, Kipping linksfrisch zu lüften versucht und Riexinger immer noch denkt, das sei eine lustige Art von Gewerkschaft – hm! Wirkt wie vier Parteien oder eben der Versuch, die zerfahrene SPD mit linken Mitteln nachzubauen.

Und was machen die Borussen?

Das Banner „Keine Zukunft für Nazis 4.6.“ vor der Südtribüne beim letzten Heimspiel wies auf die Haltung der Fans zu einem geplanten Nazi-Aufmarsch hin. Das ist auch schon das Interessanteste an dem Termin.

Fragen: Anne Fromm, Ambros Waibel und Eren Caylan

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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