EU-China-Gipfel: Verhärtete Fronten
Der EU-China-Gipfel am Donnerstag in Peking dürfte nicht feierlich verlaufen. Ob Ukraine, Handel oder Menschenrechte: Es gibt viele Streitpunkte.

Das zeigt bereits die Agenda des Gipfeltreffens, welche von ursprünglich zwei Tagen auf einen Tag geschrumpft ist. Im Mittelpunkt stehen die Gespräche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Chinas Staatschef Xi Jinping und Premier Li Qiang. Derzeit wäre es für die chinesische Staatsführung ein Leichtes, die Europäer mit Zugeständnissen zu umwerben. Der als unberechenbar geltende US-Präsident Donald Trump hat mit seiner aggressiven Handelspolitik und polternden Rhetorik dafür Steilvorlagen geliefert.
Doch während der vergangenen Wochen zeigte sich, wie verhärtet die Fronten sind. Beim Ukrainekrieg, dem zentralen außenpolitischen Streitpunkt, sind zwischen der EU und China längst die Masken der Höflichkeit gefallen. Zu Beginn des Monats sagte Außenminister Wang Yi im Gespräch mit Kaja Kallas in Brüssel, China könne nicht zulassen, dass Russland den Krieg verlieren werde. Dies würde die USA ermutigen, sich stärker auf den Indopazifik und die Eindämmung Chinas zu konzentrieren. Das ist eine bemerkenswerte Aussage, besteht Peking doch in seiner offiziellen Propaganda stets darauf, neutral in diesem Konflikt zu sein.
Wang machte seine Bemerkungen zwar nur im Hintergrundgespräch, doch seine Worte wurden von mehreren europäischen Diplomaten geleakt. Kallas hingegen äußerte ihre Kritik gegenüber China öffentlich: Sie warf der Volksrepublik vor, einerseits bessere Beziehungen mit Europa zu fordern, doch gleichzeitig einen Krieg auf europäischen Boden zu ermöglichen. Chinesische Unternehmen seien „Moskaus Rettungsanker, um seinen Krieg gegen die Ukraine aufrechtzuerhalten“.
Täglich fast eine Milliarde Handelsdefizit
Denn China hält nicht nur Putins Kriegskasse mit massiven Ölimporten am Laufen, sondern exportiert auch nach Schätzungen rund 85 Prozent jener „Dual use“-Produkte, die das russische Militär für seine Offensiven benötigt. Zuletzt hat dies eine Recherche des Kyjiw-Büros der ARD empirisch belegt: Sie haben die russischen Drohnen, die Nacht für Nacht die ukrainische Zivilbevölkerung terrorisieren, in ihre Einzelteile zerlegt. Und fanden dadurch heraus, dass diese zu 60 Prozent aus chinesischer Herstellung stammen.
Auch beim Handel, dem für beide Seiten wichtigsten Thema, sind Fortschritte unwahrscheinlich. Seit Jahren fordert die EU besseren Marktzugang und fairen Wettbewerb. Doch Peking ist nicht zu Zugeständnissen bereit.
Ausländische Firmen werden systematisch benachteiligt, während Chinas Industriepolitik mit massiven Subventionen Überkapazitäten schafft, die zu Dumpingpreisen exportiert werden. Seit die USA ihren Markt mit hohen Zöllen abschotten, fluten chinesische Waren Europa. Das Handelsdefizit der EU gegenüber China erreicht Rekordhöhen: Täglich beträgt es fast eine Milliarde Euro.
Zudem spielt China seit dem Frühjahr eine neue Machtkarte aus: Es schränkt die Ausfuhr Seltener Erden drastisch ein. Diese Rohstoffe, unverzichtbar für Computerchips und Elektroautos, kontrolliert China fast vollständig. Bei der Produktion hält es 60 Prozent des Weltmarkts, bei der Verarbeitung sogar 90 Prozent. Westliche Armeen sind mittlerweile vollkommen von den Rohstoffen abgeschnitten, internationale Unternehmen stark eingeschränkt.
Beim Klimawandel ist die EU auf China angewiesen
„Die Chinesen werden noch drei bis vier Jahre dieses harte Monopol haben“, sagt Andreas Kroll, Rohstoffhändler und führender Finanzmarktanalyst mit Schwerpunkt auf Seltene Erden: „Aber sie werden es verlieren“. Der Rest der Welt, einschließlich Europa, investiert derzeit massiv in den Aufbau eigener Minen zum Abbau Seltener Erden. Bis diese Projekte greifen, bleibt die EU bei Zukunftstechnologien, Medizin und Rüstung von China abhängig. Und diese Abhängigkeit wird Chinas Staatsführung natürlich auch beim Gipfeltreffen nutzen, um Konzessionen von der EU zu erhalten.
Gleichzeitig ist Brüssel auf Chinas Kooperation im Kampf gegen den Klimawandel angewiesen. China ist der größte CO2-Emittent und zugleich führend bei erneuerbaren Energien. Die Weltwirtschaft nachhaltig zu transformieren kann nur gemeinsam mit dem Reich der Mitte gelingen. Doch je angespannter die Beziehungen, desto weniger zeigt sich China gesprächsbereit. Peking fordert von Brüssel: Entweder ihr akzeptiert uns als Partner oder ihr behandelt uns als Systemrivalen.
Chinas Kompromisslosigkeit zeigt sich auch in anderen Bereichen. Kritik an den Umerziehungslagern in der Region Xinjiang nennt Peking „antichinesische Lügen“. Die jüngsten Sanktionen gegen Russland, die auch zwei chinesische Firmen betreffen, basierten angeblich auf „erfundenen Anschuldigungen“. Und als eine chinesische Fregatte zuletzt im Roten Meer ein deutsches Aufklärungsflugzeug mit einem Laser ins Visier nahm, wies das Außenministerium sämtliches Fehlverhalten kategorisch ab.
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