Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Deutsche Bank vernichtet Mails

Beim Handel mit CO2-Zertifikaten soll die Deutsche Bank 850 Millionen Euro hinterzogen haben. Die Ermittlungen werden offenbar behindert.

Will sich Deutsche-Bank-Boss Fitschen selbst richten? Bild: dpa

HAMBURG taz | Steuerfahnder im Haus, vernichtete E-Mails, das Urteil im Kirch-Prozess und nun auch noch eine Gewinnwarnung – die Deutsche Bank bestimmt auch am Wochenende weiterhin die Schlagzeilen. In der Affäre um Steuerhinterziehungen beim Handel mit CO2-Emissionsrechten soll die Deutsche Bank Unterlagen vernichtet haben. Außerdem hat die Deutsche Bank überraschend eine Gewinnwarnung ausgesprochen.

Etwa 500 Staatsanwälte, Steuerfahnder und Kriminalbeamte hatten am Mittwoch die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt sowie Filialen in Berlin und Düsseldorf durchsucht. Fünf Angestellten wurden festgenommen. Zu ihnen soll ein führender Mitarbeiter aus dem Rechtsbereich gehören. Dieser soll zusammen mit Kollegen aus der Sparte Informationstechnik E-Mails nach einer ersten Razzia Ende April 2010 absichtlich vernichtet haben.

Damals hatte die Deutsche Bank versprochen, „vollständig zu kooperieren“ und alle für die Aufklärung erforderlichen Unterlagen zu übergeben. Zwei Jahre später entdeckten Generalstaatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt, dass Nachrichten fehlten. Einen Teil des Materials konnte die Bank nachliefern, ein anderer Teil soll gelöscht worden sein.

Die Bank und die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen gibt zwar Fehler zu, ging aber in einem Interview mit dem Handelsblatt in die Offensive: „Meines Erachtens war das Vorgehen der Staatsanwaltschaft überzogen.“ Fitschen wird vorgeworfen, sich mit seiner Unterschrift unter die Mehrwertsteuererklärung des Jahres 2009 des besonders schweren Steuerbetrugs schuldig gemacht zu haben.

Wer wusste was?

Experten schätzen den möglichen Steuerschaden für den Fiskus aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten auf 850 Millionen Euro. Ob die Deutsche-Bank-Spitze oder doch eher untergeordnete Abteilungen tatsächlich in ein kriminelles Mehrwertsteuerkarussell eingestiegen sind, bleibt bis auf weiteres offen.

Verschmutzungsrechte, die Europas Industrie von der Politik zugeteilt worden sind, werden grenzüberschreitend gehandelt. Im Preis inbegriffen ist eine sogenannte Mehrwertsteuer. Über internationale Zwischenhändler und einer unübersichtlichen Kette von Scheinfirmen werden Verschmutzungszertifikate verkauft, ohne die fällige Mehrwertsteuer – auch „Vorsteuer“ oder „Umsatzsteuer“ genannt – an das Finanzamt zu überweisen.

Am Ende der Handelskette lassen sich Abwickler wie die Deutsche Bank die angeblich vom Geschäftspartner bezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt auszahlen – der Staat verliert so bares Geld.

Mögliche Unmöglichkeit

Auch andere Großbanken in der EU könnten noch in Verdacht geraten. Die Polizeibehörde Europol schätzt den europaweiten Schaden auf mehr als fünf Milliarden Euro, der durch CO2-Karusselle verursacht wurde. In Deutschland soll es seit einer gesetzlichen Verschärfung 2010 unmöglich sein, den Fiskus mit Verschmutzungszertifikaten zu betrügen.

Der jüngste Fall bei der Deutschen Bank reiht sich in eine lange Liste an Skandalen ein: Zinsmanipulationen in London, Streit mit Leo Kirch, zwielichtige Immobiliengeschäfte in den USA, Bilanztricks, Agrar- und Atomspekulationen. Die Häufung mag teils an der schieren Größe liegen sowie am konsequenteren Vorgehen der amerikanischen Finanzaufsicht gegen Auslandsbanken.

Aber letztlich handelt es sich um hausgemachte Probleme. Dazu gehörte in den 2000er Jahren die rasante Hinwendung zum spekulativen Investmentbanking, dass lange Zeit der jetzige Co-Chef Anshu Jain in London zu verantworten hatte. Dessen PR-Strategen und Vordenker lieferten sich bis zur Berufung zum Vorstandsvorsitzenden einen erbitterten medialen Kampf mit Fitschen und seinen Freunden in der Bank. In Frankfurt gibt es daher Stimmen, die den jüngsten Fall auf hausinterne Machtkämpfe zurückführen.

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