Ex-Politikredakteur der "NotW": "Wir sind der Kollateralschaden"

David Wooding, Ex-Redakteur der "News of the World" über den Tag, an dem seine Zeitung eingestellt wurde, den Ruf des britischen Journalismus und die Verantwortung von Rupert Murdoch.

Macht's gut und danke für den Fisch: die letzte Ausgabe der "News of the World" in der Druckerei. Bild: reuters

Medienmogul Rupert Murdoch steckt im Abhörsumpf. An seiner Seite strampelt Sohn James und seine rechte Hand, Rebekah Brooks, ist im Sog des Telefon-Hacking-Skandals rund um die Murdoch-Gazette "News of the World" bereits abgesoffen. Ebenfalls auf der Strecke geblieben sind die mehr als 250 Mitarbeiter der mittlerweile eingestellten Sonntagszeitung. David Wooding ist einer von ihnen.

taz: Herr Wooding, glauben Sie Rebekah Brooks, James und Rupert Murdoch, dass diese von den Abhörmaßnahmen nichts gewusst haben?

David Wooding: Ich habe keine Ahnung. Sie sagen, sie wussten es nicht, und ich glaube ihnen, bis das Gegenteil bewiesen wurde.

Haben Sie in ihrer Redaktion über solche Maßnahmen gesprochen?

Nein, es wurde nie darüber gesprochen. Ich habe für Rebekah Brooks gearbeitet, als sie Chefredakteurin der Sun war, und ich habe sie niemals irgendwen auffordern hören, ein Telefon zu hacken.

Halten Sie Abhörmaßnahmen für normales, journalistisches Handwerk?

Nein, es ist illegal.

Die britische Zeitung The Guardian hat geschrieben, dass nicht nur die News of the World (NotW) diese Methoden anwandte.

Was ich vom Hörensagen weiß ist, dass ein paar Showbiz-Reporter es getan haben sollen, um zu sehen, was die Stars so treiben. Das war das Gerücht, das die Runde machte. Und das war vor langer Zeit.

ist 55 Jahre alt und arbeitete den Großteil seiner Karriere bei Tabloid-Zeitungen in London. Die letzten 18 Monate war er als Politikredakteur bei der News of the World angestellt – bis diese vor knapp drei Wochen plötzlich eingestellt wurde.

Sind solche Methoden in Großbritannien allgemein üblich?

Von dem, was wir in den jüngsten Wochen gehört haben, scheint es weiter verbreitet zu sein, als ich dachte. Aber es war keineswegs eine geläufige journalistische Praxis, nein. Es war bekannt, dass es vor sich ging, aber es war nicht üblich.

Während der Journalistenausbildung in Großbritannien lernt man also nicht, wie man ein Telefon hackt?

Natürlich nicht! Mobiltelefone sind erst so in den letzten zehn Jahren zu etwas geworden, das der gewöhnliche Durchschnittsmensch besitzt. Das Abhören von Telefonen konnte also gar nicht so lange praktiziert worden sein, weil es noch nicht so lange Mobiltelefone gibt. Und es hörte vor ungefähr fünf Jahren auf, würde ich schätzen. Jetzt würde es niemand mehr machen, weil man die Konsequenzen kennt. Es war lächerlich, anzudeuten, dass Journalisten beigebracht wird, Telefone zu hacken.

Immerhin hat der Ruf des britischen Journalismus unter dem Skandals ziemlich gelitten.

Ja, aber es gibt in allen Berufsständen Menschen, die Regeln zurechtbiegen oder brechen. Die Frage, auf die ich die Antwort nicht kenne – insbesondere im Milly-Dowler-Fall – ist, ob der Journalist den Ermittler gebeten hat, herauszufinden was er könne, und dieser dann auf eigene Initiative hin Milly Dowlers Mobiltelefon abhörte. Oder ob der Journalist den Privatdetektiv beauftragt hat, ihr Telefon zu hacken. Glenn Mulcaire [der Privatdetektiv, der 2007 wegen illegaler Abhörmaßnahmen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde; Anm. d. Red.] war ganz klar skrupellos.

Mulcaire behauptete, er habe wegen des Erfolgsdrucks, den die NotW auf ihn ausübte, so gehandelt. Haben Sie denselben Druck erfahren?

Nein. Das ist eine Ausrede, die von Leuten benutzt wird, die gehackt haben. Ich hatte Jobs, bei denen ich mehr unter Druck stand, als bei der NotW. Aber man geht nicht los und zapft Telefone an. Man kommt durch anständige harte Arbeit an Geschichten, mit ehrbarer ehrlicher Anstrengung, indem man herumstochert, recherchiert und seine Kontakte trifft.

Und seien wir mal ehrlich, Telefone abzuhören muss der ödeste Weg gewesen sein, auf eine Geschichte zu stoßen. Wenn Sie sich meine Voicemail anhören: "Hallo Liebling, wann kommst du nach Hause?" oder "Möchtest du Curry zum Abendessen oder Fish and Chips?". Was für ein langweiliges Leben muss das sein, dazusitzen und sich diesen Müll anzuhören.

Wie haben Sie von der Schließung Ihrer Zeitung erfahren?

Ich war nachmittags in einem Lokal mit einem Parlamentsmitglied, das mir eine Geschichte lieferte. Dann rief mich mein Kollege an: "Schau in deine Emails." Und da war eine sehr lange Email von James Murdoch, in der er erklärte, wie schlimm die letzten paar Wochen gewesen seien. Und sie endete einfach mit der Zeile: "Also wird die NotW diesen Sonntag die letzte sein." Das traf mich wie eine Bombe. Die NotW war profitabel, erfolgreich, beliebt. Es war ein großer Schock.

Halten Sie die Schließung der Zeitung angesichts der Vorwürfe für gerechtfertigt?

Als herauskam, dass möglicherweise das Telefon von Milly Dowler gehackt wurde, waren die Menschen angewidert und das waren wir auch. Wir fanden es schockierend, abscheulich und unvertretbar. Die öffentliche Sympathie für uns schwand, Anzeigenkunden zogen ihre Werbung zurück. Es ist schwierig zu wissen, was das Richtige ist.

Eine andere Option wäre gewesen, die NotW zu verkaufen, schätze ich. Aber Rebekah Brooks sagte zu uns in einem Meeting: "In einem Jahr, wenn ihr seht, was da sonst noch ist, werdet ihr wissen, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben."

Empfinden Sie Scham?

Ich bin stolz, für die NotW gearbeitet zu haben, ich werde nichts anderes sagen. Sie war eine großartige Zeitung und wir haben einige sehr positive Dinge geleistet. Wir haben Kampagnen für gute Zwecke geführt, 250 Leute hinter Gitter gebracht, Gauner und Kriminelle. Murdoch, seine Zeitungen, haben in guten investigativen Journalismus investiert. Das ist also der Punkt, auf den ich stolz bin. Als das mit Milly Dowler passierte, ja, da war ich beschämt. Das erste Mal in meinem Leben schämte ich mich, ein Boulevard-Journalist zu sein, und ich bin den Großteil meiner Karriere einer gewesen.

Würden Sie den Abhörskandal als eine Überschreitung von Grenzen bezeichnen?

Natürlich. Es war ethisch falsch. Es war rechtlich falsch. Es war journalistisch falsch. Ich war durch und durch erschüttert. Aber ich habe nichts falsch gemacht und das hat auch keiner der Leute, die zur Zeit der Schließung bei der NotW arbeiteten. Es waren Leute in der Vergangenheit, die das getan haben, und die besudelten nicht nur den Namen einer großartigen Zeitung, die es seit 168 Jahren gab, sondern auch die Leute, die bei ihr arbeiteten, und brachten diese um ihre Jobs.

Was halten Sie von Rupert Murdochs Verhalten? Lässt er seine Mitarbeiter für sich bluten?

Die Leute sagen immer, der Chef sollte Verantwortung übernehmen. Aber Murdoch ist der Chef eines multimillionenschweren globalen Imperiums. Und die NotW macht weniger als ein Prozent seiner Geschäftsaktivitäten aus. Also ist es möglich, dass er nichts vom Telefon-Hacking wusste, weil es hier Leute gab, die die Zeitung für ihn leiteten. Es gibt eine Untersuchung dazu, wir müssen abwarten.

Aber wenn ein Chefredakteur jeden Tag die Sekretärin bittet, ihm ein Käse-Sandwich kaufen zu gehen, und ihr fünf Pfund gibt, und die Sekretärin dann hingehen würde und das Käse-Sandwich aus dem Supermarktregal klaut und die fünf Pfund für sich behält. Wenn das passierte, würde der Chefredakteur davon wissen?

Werden Sie bei anderen Murdoch-Blättern arbeiten können und würden Sie das überhaupt wollen?

Im Moment habe ich keine Angebote von News International, aber ich würde nicht ausschließen, wieder für sie zu arbeiten.

Werden Sie noch für andere Zeitungen arbeiten können oder ist das nun ein Stigma, das Sie nicht mehr los werden?

Das war etwas, über das wir uns Sorgen machten, als die Zeitung unterging und wir das Gefühl hatten, dass man uns alle über denselben Kamm scherte. Aber ich war recht oft im Fernsehen und im Radio, um den Menschen zu erklären, dass all das vor fünf bis zehn Jahren passiert ist. Ich sah mich selbst nicht als Opfer, weil die Familie von Milly Dowler hier das wirkliche Opfer ist, aber wir haben nichts falsch gemacht. Es ist traurig, dass wir unsere Jobs verloren haben. Wir sind der Kollateralschaden.

Glauben Sie, dass sich das britische Mediensystem nach dem Skandal verändern wird?

Es gibt keine Zweifel, dass wir härtere Reglementierungen haben werden. Aber wir werden schon jetzt extrem stark reglementiert und das Abhören von Telefonen war bereits illegal. Was für eine größere Abschreckung kann man haben, als dass man dafür ins Gefängnis geht? Was würde ein Mehr an Reglementierungen bringen? Außer, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet. Denn dieser Skandal wurde nicht von der Polizei aufgedeckt und auch nicht von Politikern, sondern von einem Journalisten.

Wenn man es für Journalisten schwieriger macht, ihre Arbeit zu tun, würden eine Menge Dinge nie enthüllt werden. Einige Parlamentsmitglieder könnten den Skandal jedoch als Ausrede nutzen, um sich an der Presse zu rächen.

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