Gespräche zu "Stuttgart 21": Schluss mit Basta

Heiner Geißler versucht im Streit um "Stuttgart 21" zu schlichten und kritisiert die Entscheidungsprozesse. FDP-Chef Westerwelle warnt indessen vor einer "Nichts-geht-mehr-Republik".

Fordert mehr Transparenz in der Politik: Mediator Heiner Geißler. Bild: reuters

STUTTGART/BERLIN dapd | Der Schlichter im Konflikt um "Stuttgart 21", Heiner Geißler, hat die Entscheidungsprozesse für das umstrittenen Bahnbauvorhaben scharf kritisiert. "Staatliche Entscheidungen bei solch gravierenden Projekten ohne Einbindung der Bürger gehören dem vorherigen Jahrhundert an", sagte der frühere CDU-Generalsekretär. Auch der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, kritisierte die mangelnde Einbeziehung der Bevölkerung in das Projekt.

FDP-Chef Guido Westerwelle warnte vor dem Hintergrund des starken öffentlichen Widerstands gegen den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation vor einer "Nichts-geht-mehr-Republik". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kündigte derweil an, seine Partei werde sich für ein Stopp von "Stuttgart 21" einsetzen, falls die Schlichtung scheitert und die Grünen bei der Landtagswahl 2011 Regierungsverantwortung erhalten.

Geißler sagte: "Die Schlichtung ist ein deutliches Signal dafür, dass in Deutschland die Zeit der Basta-Entscheidungen vorbei ist." Wenn "Stuttgart 21" gekippt würde, kämen auf die Bahn Kosten in Höhe von über drei Milliarden Euro zu. Nach Informationen der Bild am Sonntag hat die Bahn bereits 1,43 Milliarden Euro in das Projekt gesteckt. Bei einem Ausstieg müsste die Bahn zusätzlich 1,8 Milliarden Euro in die Erneuerung des Gleisvorfeldes des bisherigen Bahnhofes stecken.

Friedrich mahnte eine bessere Vermittlung von Großprojekten wie "Stuttgart 21" an. Als Beispiel nannte er einen ähnlichen Neubau in Wien: "Es wird in Wien als ein Riesenevent der Stadt gefeiert, die Bevölkerung wird mitgenommen und ist begeistert von diesem Projekt. Es ist kommunikativ sehr, sehr sorgfältig vorbereitet. Ich glaube, man hat in Stuttgart ebenfalls geglaubt, dass es ein Selbstläufer wird, dass alle Hurra schreien, und es ist dringend notwendig, das jetzt nachzuholen."

Trittin hofft auf eine Befriedung des Streits vor der baden-württembergischen Landtagswahl am 27. März 2011. Vielleicht finde Geißler bis dahin eine Lösung, "die beide Seiten akzeptieren oder die man in einer Volksabstimmung zur Entscheidung stellt". Für den Fall eines Scheiterns der Schlichtung und einer Regierungsbeteiligung der Grünen stellte Trittin eine Stopp des Projekts in Aussicht: "Wir können den Menschen versprechen, dass wir alles dafür tun, den Neubau zu verhindern."

Die Entscheidung über "Stuttgart 21" ist nach Ansicht Westerwelles von grundsätzlicher Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Als Außenminister stelle er sich auch die Frage, welches Zeichen die Bundesrepublik in die Welt sende. Die dynamische Welt des 21. Jahrhunderts sei voller Länder, deren Gesellschaften eine enorme Veränderungsbereitschaft an den Tag legten. Dagegen sehe er "hierzulande Anzeichen für eine skeptische Grundhaltung", die sich breitmache. "Das kann so nicht weitergehen, wenn wir im globalen Wettbewerb auch in Zukunft bestehen wollen." In einer "Nichts-geht-mehr-Republik" könne der Wohlstand für alle nicht gesichert werden.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, äußerte sich kritisch zu dem von Grünen, SPD und Projektgegnern geforderten Volksentscheid über "Stuttgart 21". "Ein nachträglicher Volksentscheid stellt ein ernsthaftes Problem für die Verwirklichung von Infrastrukturprojekten dar. Irgendwann muss hier ein Schlusspunkt gesetzt werden, spätestens dann, wenn die höchsten Gerichte über das Projekt entschieden haben. Ansonsten verlieren wir unsere Zukunftsfähigkeit." Es mag Ausnahmen von diesem Grundsatz geben, diese sollten aber nicht Schule machen, sagte Voßkuhle.

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