Inklusives Internet: Barrierefrei surfen

Behinderte Menschen stoßen im Netz auf Hürden. Eine neue EU-Richtlinie will diese abbauen. Sie greift aber zu kurz.

Nahaufnahme eines Laptops, die Finger einer Hand fahren über die Erhebungen der Braillezeile.

Sinnvolles Hilfsmittel für blinde UserInnen: die Braillezeile Foto: Michel Arriens

Das Europäische Parlament hat im Oktober eine Richtlinie zum barrierefreien Zugang zu Webseiten und mobilen Anwendungen verabschiedet. Die Richtlinie sieht vor, dass alle öffentlichen Institutionen wie Verwaltung, Gerichte, Finanzämter, Bibliotheken, Universitäten und Institutionen des Gesundheitswesens ihre Internetseiten und Smartphone-Apps barrierefrei gestalten müssen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die EU-Mitgliedstaaten 21 Monate lang Zeit, ihre Bestimmungen in nationales Recht zu überführen.

Das Internet in Europa wird also barrierefreier. Doch was heißt das eigentlich?

Hilfstechnologie schafft den Zugang zu PC und Smartphone auch für blinde Menschen. Eine Screenreader-Software wandelt den Bildschirminhalt so um, dass er von einer künstlichen Sprachausgabe und auch auf einer Braillezeile ausgegeben werden kann. Eine Braillezeile ist ein schmales Gerät, das unterhalb der Tastatur liegt und auf dem zeilenweise Text in Blindenschrift erscheint.

Da blinde Menschen die Maus nicht bedienen können, navigieren sie mit Kurztastenbefehlen. So springen sie mit der Taste H von Headline zu Headline, mit E von Eingabefeld zu Eingabefeld. Damit das gelingt, müssen die Webdesigner die Regeln der Barrierefreiheit berücksichtigen. So sind etwa Überschriften im HTML-Text als Headlines auszuweisen. Es reicht nicht, die Schrift nur zu fetten.

Alternativtext für den Screenreader

Wichtig ist auch, dass Grafiken und Fotos über einen Alternativtext verfügen. Dieser ist für sehende Leserinnen und Leser unsichtbar, wird aber vom Screenreader ausgegeben. So erfahren blinde Menschen, was auf Bildern zu sehen ist. Ein Beispiel von taz.de: „Martin Schulz zieht die Stirn in Falten. Sehr nahes Porträt“.

Menschen mit Behinderungen fordern immer wieder: „Nichts über uns ohne uns!“ Jedoch sind sie in den Redaktionsräumen des Landes kaum vertreten. Zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember 2016 präsentiert sich die taz am Vortag als Ergebnis einer „freundlichen Übernahme“.

Darin erzählen Autor_innen von sich. Davon, dass sie nicht „an den Rollstuhl gefesselt sind“ oder „an ihrem schweren Schicksal leiden“. Davon, wie es ihnen im Alltag und im Beruf ergeht. Koordiniert wird die Übernahme von Leidmedien.de. taz.mit behinderung – am Kiosk, eKiosk und natürlich online auf taz.de.

Im Gegensatz zu blinden orientieren sich sehbehinderte Menschen überwiegend visuell. Für sie ist es wichtig, dass Websites frei skalierbar sind, sodass sie sie so stark vergrößern können, wie es die Art der Behinderung verlangt. Andere sehbehinderte Userinnen und User stellen Farben und Kontraste individuell ein. Für diesen Fall muss sichergestellt werden, dass nach der Anpassung alle Inhalte zugänglich bleiben.

Barrierefreiheit betrifft aber nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen. Für gehörlose Userinnen und User ist es wichtig, dass Videos untertitelt, Audiodateien in Textform und dass Inhalte in Gebärdensprache angeboten werden. Menschen mit einer kognitiven Behinderung benötigen Texte in leichter Sprache. Motorisch eingeschränkte Nutzerinnen und Nutzer sind darauf angewiesen, dass sie die Website auch ohne Maus bedienen können.

Die EU-Richtlinie bedeutet einen Fortschritt, da sie die Standards der Barrierefreiheit verbindlich regelt. Da die mobile Nutzung einen immer höheren Stellenwert bekommt, ist es außerdem ein positives Signal, dass auch Apps mit einbezogen wurden.

Für Deutschland ändert sich aber nur wenig, da hier für Websites öffentlicher Institutionen Barrierefreiheit bereits verpflichtend ist. Auf Bundesebene ist dies in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung geregelt. Die EU-Richtlinie klammert weiterhin den Privatsektor aus. Dabei spielen Onlineshops, soziale Medien, Websites von Banken und Versicherungen und Nachrichten-Seiten im Surf-Alltag eine größere Rolle als Websites und Apps von Bundesbehörden

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