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Kehrtwende des US-Präsidenten„Russland sieht aus wie ein Papiertiger“

Nach einem Treffen mit Selenskyj hält der US-Präsident einen Sieg der Ukraine für möglich. Sie könne ihr gesamtes Staatsgebiet zurückgewinnen.

Der US-Präsident Donald Trump bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in New York am 23. September Foto: Alexander Drago/reuters

Von

Hansjürgen Mai aus Washington

taz | US-Präsident Donald Trump glaubt neuerdings an einen Triumph der Ukraine im Krieg mit Russland. Es eine überraschende Abkehr von seiner bisherigen Position und ein weiteres Zeichen dafür, dass seine Beziehung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin immer weiter bröckelt.

„Nachdem ich die militärische und wirtschaftliche Situation zwischen der Ukraine und Russland kennengelernt und verstanden habe und die wirtschaftlichen Probleme gesehen habe, in der sich Russland befindet, bin ich der Meinung, dass die Ukraine mit der Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist … die gesamte Ukraine zurückzugewinnen“, schrieb Trump in einem Post auf Truth Social am Dienstag.

Gemeint ist damit, dass die Ukraine keine territorialen Zugeständnisse an Russland machen müsse, um den Krieg zu beenden, sondern zu einem militärischen Sieg in der Lage sei. Trump postete diese Erklärung im Anschluss an sein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Rande der UN-Vollversammlung in New York.

Der 79-jährige US-Präsident hatte bisher immer von Kompromissen geredet, die beide Länder machen müssten, um Frieden zu schließen. Dabei wurde auch immer wieder die Möglichkeit von Landabtretungen seitens der Ukraine in den Raum geworfen. Kyjiw, so Trumps bisherige Position, müsse Gebiete an Moskau abtreten, um einen Waffenstillstand zu erzielen. Welche Zugeständnisse Russland hätte machen müssen, blieb derweil offen. Diplomatische Früchte trug die Idee nicht, denn die Ukraine lehnte das ab und Russland erhob zusätzliche Forderungen und weigerte sich auch, einen Waffenstillstand zu akzeptieren.

Trump: „Russland steckt in großen Schwierigkeiten“

Trump sagte nun, Russland „sieht sehr aus wie ein Papiertiger“. Er verwies auf zunehmende ökonomische Probleme und Benzinknappheit in Russland und sagte, wenn die Russen die Wahrheit über die Situation ihres Landes erführen, könnte „die Ukraine ihr Land in seiner ursprünglichen Form zurückgewinnen und, wer weiß, sogar weiter gehen“.

Er meinte: „Putin und Russland stecken in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, und jetzt ist es Zeit für die Ukraine zu handeln. Ich wünsche beiden Ländern jedenfalls alles Gute. Wir werden die Nato weiterhin mit Waffen beliefern, damit die Nato damit machen kann, was sie will“.

Unklar ist, ob Trump mit der „gesamten Ukraine“ die Ukraine in den Grenzen vor Beginn der russischen Expansion im Jahr 2014 meint. Dann würde dies bedeuten, dass der US-Präsident auch eine Wiedereingliederung der illegal von Russland annektierten Krim an die Ukraine für möglich hält.

Der Social-Media-Post ist das vielleicht bisher klarste Zeichen, dass Trump eingesehen hat, dass Putin kein wirkliches Interesse an einer diplomatischen Lösung des Konflikts hat. Die bisherigen Friedensverhandlungen haben zu keinen Ergebnissen geführt. Vielmehr hat Russland die Angriffe auf die Ukraine in den vergangenen Wochen weiter verschärft.

Kreml: „Wir sind kein Papiertiger“

Am Mittwoch wies der Kreml in Moskau Trumps Post empört zurück. Zur Charakterisierung Russlands als „Papiertiger“ erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: „Russland ist kein Tiger, sondern ein Bär, und es gibt keine Papierbären“.

Trump, der vor seinem Amtsantritt angekündigt hatte, den Krieg in der Ukraine innerhalb eines Tages beenden zu wollen, muss sich neun Monate später eingestehen, dass er die Komplexität des Konflikts unterschätzt hat. Während seiner Ansprache bei der UN-Generaldebatte bestätigte er diese Fehlkalkulation.

„Ich dachte, dieser Krieg wäre am einfachsten zu lösen, da ich immer ein gutes Verhältnis zu Präsident Putin hatte. Aber im Krieg weiß man ja nie, was passiert“, sagte Trump.

Um den Krieg in der Ukraine zu beenden, brauche es die Hilfe Europas. Er verlangte von Europa und den Nato-Staaten, dass sie sämtliche Öl- und Gasimporte aus Russland sofort stoppen. Mit diesen Importen würde man nämlich einen Krieg gegen sich selbst finanzieren. „Wer hat sowas schon mal gehört?“, fragte Trump.

Selenskyj: „Wir schätzen seine Entschlossenheit“

Selenskyj bedankte sich im Anschluss bei Trump in einem Post auf X. „Er hat die Situation stets gut verstanden und ist über alle Aspekte dieses Krieges bestens informiert. Wir schätzen seine Entschlossenheit, ein Ende des Kriegs herbeizuführen, sehr“, schrieb der ukrainische Staatschef.

Selenskyj nahm am Dienstag an einer Sitzung des Weltsicherheitsrats teil und kritisierte dabei die unwirksamen Strukturen der Vereinten Nationen. „Wir müssen zugeben – das Interesse der Welt an der UN nimmt ab. Die Organisation hat weniger Einfluss, und es fehlen immer häufiger konkrete Entscheidungen zu wichtigen Themen. (…) Die bestehenden Mechanismen funktionieren derzeit nicht. Aber sie könnten funktionieren“, erklärte er.

Der ukrainische Präsident wird am Mittwochnachmittag deutscher Zeit während der UN-Generaldebatte eine Ansprache halten.

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18 Kommentare

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  • Trump, aber auch viele Menschen hier im Land, wollen nicht wahrhaben, dass Putin entschlossen ist, die Ukraine vollständig "zu erobern". Danach folgen Belarus (Weißrussland) und die Baltischen Staaten. Das sind in seinen Augen alles russische Kernländer.

    • @Il_Leopardo:

      Weißrussland muss er nicht erobern. Das fällt nach Lukaschenko als Erbe an Putin oder seinen Nachfolger.

      Und das Baltikum? Ich kenne seine Pläne nicht, aber ich vermute, dass sich der "Westen" nach einer, von Putin angestrebten, Niederlage in der Ukraine zerstreiten wird. Putin wird also einfach erst mal die Diversionswirkung seines Erfolges abwarten und zugreifen, wenn die Gelegenheit günstig ist. Dass er gegen die geschlossene Front der NATO einen Angriff wagt, um eine paar Wälder und Küstenstädte an der Ostsee zu erobern, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Das Verhältnis von Gewinn und Risiko stimmt nicht.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sind sie sicher, dass die Nato wegen ein, wie Sie die Länder nennen, "paar Wäldern und Küstenstädte an der Ostsee" eingreifen würde. Das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich!

  • Trump ist ein Laberhansel der mit seinem Gedöns nur Innenpolitik macht. Er hält Versprechen nicht ein und hat eine autoritäre Agenda. Es wird keine nennenswerten weitere Hilfen für die Ukraine geben aus den USA.

  • Während Trump es in die Hände der EU legt der Ukraine zum Sieg zu verhelfen, mahnt der Verteidigungsminister des größten Mitgliedstaates zur Besonnenheit im Umgang mit Russland und das selbst noch dann, wenn russische Kampfflugzeuge während eines Nato Manövers in der Ostsee im Tiefflug über einen deutschen Zerstörer hinwegziehen.

    Würde bei einem weniger ernsten Thema glatt als Satire durchgehen und ist wirklich nur damit zu erklären, das Deutschland militärisch immer noch blank dasteht.

    Um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen, wird ihr lieber vorenthalten, dass in diesem Sommer russische Drohnen auch über Ostdeutschland kreisten und russische Flugzeuge in den Luftraum über der Ostsee eingedrungen sind.

    Ignorieren kann auch eine Strategie sein, nur könnte sie auch dazu führen, dass die Gegenseite sich dazu ermutigt fühlt die Eskalationsspirale in die Höhe zu schrauben.

    In Deutschland wird das offiziell lediglich als Provokation betrachtet, in Skandinavien und im Baltikum spricht man hingegen von einem Testlauf. Der Unterschied zwischen einer Provokation und einem Test sollte auch dem Verteidigungsminister geläufig sein.

  • Super.







    Trump hat also nur 9 Monate gebraucht um zu verstehen, was vorher schon alle wußten.







    Hoffen wir, daß er so bald nicht mit Putin telefoniert...

  • Kehrtwende? Oder sagt Trump einfach nur, dass was die Europäer hören möchten? Damit sie sich in eine noch größere Abhängigkeit von Amerika begeben und am Ende bei einer Konfrontation mit China auch an der amerikanischen Seite stehen müssen.



    Und selbst wenn Trump sein Wort halten würde, müsste er nicht handeln.



    Das alle Nato-Mitglieder auf russisches Gas und Öl verzichten ist doch vollkommen unrealistisch.



    Letztendlich ist der Öl- und Gasverbrauch aus Russland nur etwa 20% zurückgegangen, wenn man die undeklalierten Reimporte über Indien berücksichtigt. Und wenn man die ganze NATO betrachtet hat sich wenig getan, da die Türkei Ihre Importe drastisch erhöht hat.

  • Zahlen und Fakten:

    Russland und Ukraine im direkten Vergleich Kenndaten Wirtschaft und Militär bei Kriegsbeginn.

    BIP PPP (kaufkraftbereinigt in 2022 USD):



    Russ: 5500 Milliarden USD



    Ukr.: 550 Milliarden USD

    Ausenhandels -Überschuss oder Defizit pro Jahr



    Russ: ca. 150 Milliarden USD Überschuss



    Ukr.: ca 5 Milliarden USD Defizit

    Bevölkerung:



    Russ: 140 Millionen



    Ukr.: 40 Millionen

    Soldaten aktiv:



    Russ: 1 ,20Millionen



    Ukr.: 0,35 Millionen

    Aktive Reservisten:



    Russ: 2,0Millionen



    Ukr.: 0,2Millionen

    Kampfflugzeuge ohne Strategische Bomber



    Russ: ca 1500 davon "modern" ca. 400



    Ukr.: ca 100 davon "modern" NULL

    Marschflugkörper etc



    Russ: x -tausend



    Ukr.: NULL

    Kampfpanzer im Dienst



    Russ: ca 3000. davon "modern" ca. 2000 + 15-tausend in Reserve



    Ukr.: ca 750. davon "modern" NULL + 1-tausend in Reserve

    Unterstützer-Staaten in BIP PPP 2024 und Industrie-Anteil:



    Russ: China = 35 Billionen USD ca. 35% Industrie-Anteil



    Ukr.: USA = 27 Billionen USD ca.18 % Industrie-Anteil



    + EU = 23 Billionen USD ca.25 % Industrie-Anteil

    Solange China Russland wirtschaftlich unterstützt sehe ich nicht wie die Ukraine hier "gewinnen" soll.

    • @Jörg Heinrich:

      Hinter der Ukraine steckt fast die ganze (NATO-)EU und noch einige weitere Staaten, nicht zuletzt die USA mit Trump.

      Ich wüsste nicht, dass Russland hier auch nur den Hauch einer Chance hätte, die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen.

      Das, was Trump da sagt über die Chance für die Ukraine (& Co.!), alle bisher besetzten Gebiete inklusive der Krim zurück zu erobern, ist völlig richtig. Alle wissen das aus den Führungsetagen der NATO, nur sprechen sie es im Gegensatz zu Trump nicht aus.

      Russland wird über kurz oder lang wohl zur Kapitulation gezwungen bzw. wird ansonsten kollabieren und womöglich zerfallen.

      • @Uns Uwe:

        Wenn Sie die volkswirtschaftlichen Kennzahlen in meinem Kommentar auf den Sie antworten genauer ansehen.

        Dann werden Sie feststellen das China als "kaufkraft-bereinigt" also KKP (eng. PPP) gerechnet größte Volkswirtschaft der Welt so viel Industrieproduktion hat die die USA und die ganze EU zusammen.

        Diese Kennzahlen sind auch kein "Geheimwissen" sondern stehen auf Weltbank und IWF-Daten gestützten Wikipedia-Artikel, wie z.B.: Artikel "List of countries by GDP (PPP)" , "Economy of China", "Economy of the United States" usw.

        Die Machtverhältnisse werden oft falsch eingeschätzt eine "Unterstützung" durch China hat ungefär das gleiche "Gewicht" wie die Unterstützung von USA und EU zusammen.

        Den geopolitschen Einfluss und die wirtschaftliche Stärke "nicht-westlicher" Staaten wie jene die sich in BRICS abstimmen zu unterschätzen kann zu potentiel gefährlichen Fehleinschätzungen führen.

        BRICS beinhaltet neben China ( größte Volkswirtschaft PPP gerechnet) auch Indien (3. -größteVolkswirtschaft PPP), Russland (4. Größte PPP) und Brasilien (8. Größte PPP).

        Diese Staaten unterstützen entweder Russland (China) oder verhalten sich neutral und sanktionieren nicht (Indien, Brasilen).

  • Damit rückt für Putin eines seiner wichtigsten Ziele dieses Krieges - die Anerkennung als Weltmacht - in weite Ferne. Er hat sich verzockt, er hatte jetzt die beste Chance auf einen Friedensschluss aber er hat Trump verarscht und das mag der nicht.

    • @Machiavelli:

      Trump ändert seine Meinung öfter als seine Unterwäsche.

      Putin hat seine Kriegsziele und die will (und wird er wahrscheinlich) erreichen. Dabei ist ihm Trumps Meinung ziemlich egal. Schließlich kann Trump auch nicht mehr machen als Biden. Und selbst danach sieht es nicht aus.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Putin hat seine Kriegsziele und die will (und wird er wahrscheinlich) erreichen." Putin kann seine Ziele nicht erreichen. Sein Ziel war die Ukraine zu erobern und dann in Russland einzugliedern, die Propagandaartikel dafür waren schon geschrieben. Dan wollte er vier Oblaste annektieren, davon ist er weit entfernt. Er wollte das die NATO sich aus Osteuropa zurückzieht, das wird nicht passieren, stattdessen hat die NATO expandiert. Die Machtbalance zwischen Europa und Russland verschiebt sich langsam aber beständig in Richtung Europa. Russland wird täglich schwächer das macht es gefährlicher.

        • @Machiavelli:

          "Russland wird täglich schwächer das macht es gefährlicher."

          Das ist Wunschdenken.

  • Abgesehen davon, dass nach der irren Rede vor der UN und abgesehen davon, dass der Mann, der sich Präsident der USA nennen darf, dafür Aplaus erhielt, sagte dieser Mensch:



    "bin ich der Meinung, dass die Ukraine mit der Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist … die gesamte Ukraine zurückzugewinnen“,

    Ich verstehe das so: ihr kauft mir das "Zeug" das es braucht ab und dann könnt ihr damit Putler zurück drängen.

    Weder scheint wirklich erkennbar, dass die Unterstützungs-Willigen, dafür das Geld aufbringen wollen und teils auch nicht können, noch ist die EU dafür zuständig und schon garnicht fähig.







    Was also ist neu? An einem geraden Tag hat einer eine Meinung.

  • Wie es ausschaut, wird Putin nun doch nicht der Best-Buddy Trumps. Hat er denn wirklich geglaubt, dass eine "gutes Verhältnis" zu Putin den Krieg beenden wird?



    Wenn Trump nun "entschlossener" handeln wird, wie Selenskyj hofft, dann wird Putin wieder "Bereitschaft zum Frieden" signalisieren und Trump erneut die "Rolle rückwärts" machen. Wetten das ...!

  • Vermutlich hat Trump einige Tage nicht mit Putin gesprochen. Wenn das passiert, sieht wieder alles völlig anders aus. Und passieren wird - wie immer - nichts.

  • Im Resultat hat Trump die letzten 9 Monate hauptsächlich dazu beigetragen, dass der Krieg weiter in die Länge gezogen wird und ich sehe auch noch nicht, dass sich das nun wirklich ändert. Ein Kriegsende scheint weiter entfernt denn je, auch weil mittlerweile klar ist, dass China das nicht will, weil es die Ablenkung des "Westens" von Taiwan will.

    Ich sehe die Taiwan-Frage mittlerweile sehr eng verknüpft mit Putins Krieg in der Ukraine, denn Xi ist als Hauptunterstützer der einzige, der Putin wohl zum Aufhören bewegen/zwingen könnte. Putin's Regime selbst kann meines Erachtens schon lange nicht mehr aufhören, da die Wirtschaft nahezu nur noch auf Krieg basiert und man von den ausgegebenen Kriegszielen weiterhin meilenweit entfernt ist.

    Das wäre selbst in einem autoritären Regime nur schwer schönzureden.