Kein Exit für Nazis!: Angehörige fordern Ausschluss Zschäpes von Ausstiegsprojekt
Die inhaftierte NSU-Terroristin nimmt an einem Aussteigerprogramm für Nazis teil. Angehörige von Opfern fürchten dadurch ein vorzeitiges Haftende.

Die Töchter der von Rechtsextremen ermordeten Enver Şimşek, Theodoros Boulgarides und Mehmet Kubaşık fordern den sofortigen Ausschluss von Beate Zschäpe aus dem Aussteigerprogramm, solange sie ihr Wissen über den NSU nicht lückenlos offenlegt. Außerdem fordern sie umfassende Unterstützung für die Hinterbliebenen und Überlebenden der Mord- und Anschlagsserie des NSU sowie für alle Opfer rechter Gewalt, „rechtlich, finanziell, psychologisch und institutionell durch dauerhafte angemessene Opferrenten“.
Şimşek, Boulgarides und Kubaşık kritisieren zudem, dass sie erst aus den Medien von der Aufnahme der NSU-Terroristin in ein Aussteigerprogramm erfahren hätten, und äußern ihre Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Ausstiegs. Denn bis November 2026, also nach 15 Jahren Haft, entscheidet das Oberlandesgericht München über die endgültige Dauer von Zschäpes Strafe und über eine mögliche frühere Entlassung. Eine angebliche Abkehr von einer rechtsextremistischen Ideologie könnte dabei ein mildernder Faktor sein. Şimşek, Boulgarides und Kubaşık sprechen von einem „taktischen Manöver“. „Wir müssen nun erleben, wie Beate Zschäpe augenscheinlich dabei unterstützt werden soll, ihre Haftzeit möglichst kurz zu halten“, so die Angehörigen.
Angehörige fühlen sich im Stich gelassen
„Dieses Vorhaben ist ein Skandal“ so Mandy Boulgarides, die Tochter von Theodoros Boulgarides, der 2005 in München vom NSU ermordet wurde. Es zeige erneut, „wie dieser Staat Täter schützt, ihnen Wege öffnet und Resozialisierung ermöglicht – während wir Hinterbliebenen, Überlebenden und Angehörigen seit Jahren ignoriert, vertröstet und im Stich gelassen werden.“
Zudem habe Zschäpe keine einzige der mehr als 300 Fragen, die die Opferfamilien im Prozess an Zschäpe gerichtet hatten, bislang beantwortet. „Warum wurden ausgerechnet unsere Väter vom NSU ermordet? Wer gehörte zum NSU und dessen Netzwerk? Gab es Kontakte zu den Sicherheitsbehörden von den Mitgliedern des NSU und denen des Netzwerkes?“, so Semiya Şimşek, Mandy und Michalina Boulgarides und Gamze Kubaşık.
Auch Caro Keller vom NSU-Watch teilt die Zweifel der Angehörigen: „Es gibt Standards für den Ausstieg von Nazis. Zschäpe erfüllt keinen davon“, so Keller der taz. Sie betont, dass Zschäpe weder ihr Wissen offengelegt noch sich von rechtsextremen Strukturen distanziert habe. Im Gegenteil: Zschäpe schütze dieses Netzwerk bis heute. „Wir werfen EXIT vor, dabei mitzuwirken, Zschäpe eine möglichst frühe Haftentlassung zu ermöglichen“, so Keller.
Beate Zschäpe ging 1998 gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund und bildete mit ihnen das Kerntrio der rechtsterroristischen Neonazi-Zelle NSU. Zwischen 2000 und 2007 ermordete der NSU zehn Menschen – neun von ihnen aus rassistischen Motiven: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat.
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