Kommentar EZB: Eurozone kurz vor dem Crash

Indem die Europäische Zentralbank Staatsanleihen aufkauft, könnte sie den Euro retten – aber Kanzlerin Merkel winkt ab. Dabei wäre dies die billigste Lösung.

Griechenland dominiert die Nachrichten. Erst ein Referendum, dann doch nicht. Doch diese Entwicklungen in Athen sind für den Gipfel in Cannes nicht mehr wichtig. Zentral ist eine andere Frage, für die jetzt eine neue Metapher gefunden wurde: Wie zieht man eine "Brandmauer" in Europa ein? Wie also schützt man Italien und Spanien davor, dass auch sie in die Pleite treiben?

Diese Frage ist von ungeheurer Brisanz, wie Nachrichten zeigen, die auf den ersten Blick eher abseits liegen. So hat die französische Großbank BNP Paribas am Donnerstag ihren Quartalsbericht veröffentlicht und darin mitgeteilt, dass sie einen großen Teil ihrer spanischen und italienischen Staatsanleihen abgestoßen habe - trotz der enormen Kursverluste, die sie abschreiben musste. Diese Paribas-Aktion macht klar: Italienische Papiere gelten inzwischen als Ramsch, der schnell loszuschlagen ist.

Damit aber steht Italien vor der Insolvenz. Denn das Land hat Staatsschulden von etwa 1,9 Billionen Euro, die regelmäßig umgeschuldet werden müssen. Doch welche Bank wird noch italienische Staatsanleihen kaufen, wenn ihre Konkurrenten diese Papiere abstoßen?

Diese Gefahr ist weit mehr als nur eine theoretisch denkbare Entwicklung, wie die steigenden Risikoaufschläge zeigen, die für italienische Staatsanleihen verlangt werden. Die Eurozone steht vor dem Crash - und zwar jetzt, nicht irgendwann in vielen Jahren. Es ist völlig undenkbar, dass der Euro überlebt, wenn Italien und Spanien kippen.

Was also tun? Eines ist sicher: Den Rettungsschirm EFSF kann man komplett vergessen, obwohl er erst kürzlich auf 1 Billion Euro gehebelt wurde. Die Investoren trauen ihm nicht, sonst würden sie ja nicht ständig steigende Zinsen für italienische und spanische Staatsanleihen verlangen.

Bleibt als letzte Rettung die Europäische Zentralbank (EZB). Sie könnte wie die US-Notenbank Fed unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen, bis sich die Panik bei den Investoren legt. Genau dies hat US-Präsident Barack Obama auch vorgeschlagen, als er Kanzlerin Merkel in Cannes traf.

Doch noch winkt die Kanzlerin ab, weil sie genau weiß, dass es den meisten Bundesbürgern unheimlich wäre, wenn die EZB "Geld druckt". Doch Kanzlerin und Deutsche sollten wissen: Das ist die billigste Lösung. Ein Euro-Crash wäre unendlich viel teurer - für Deutschland.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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