Kommentar EuGH-Urteil vegane Produkte: Mmmmh, Eutersekrete!

Nur Produkte aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren dürfen Milch, Joghurt und Käse heißen. Lecker! Ein Milchverbot wäre besser.

Eine Hand melkt den Euter einer Kuh

Hier wird noch ganz unindustriell gemolken Foto: dpa

Nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfen nur solche Produkte die Bezeichnungen „Milch“, „Joghurt“ und „Käse“ tragen, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Diese Formulierung muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Mmh, Eutersekrete, das klingt lecker!

Ich wette, dass viele MilchtrinkerInnen gern auf die Assoziation eines tropfenden Kuheuters verzichten, wenn sie ihren Kaffee genießen. Vor allem wenn sie dabei ein realistisches Bild von einem Euter vor Augen haben: mit dicken Adern durchsetzt und auch mal mit Kot beschmiert.

Circa ein Viertel der Milchkühe leidet an chronischen Euterentzündungen. Das tut nicht nur den Kühen weh, sondern entlässt Eiterzellen in die Milch. Rein gesetzlich ist das kein Problem, solange ihre Anzahl unter den in der Milchgüteverordnung festgelegten Höchstgrenzen liegt und die Milch pasteurisiert wird. Aber besteht wirklich jemand darauf, dass in seiner Müslimilch „somatische Zellen“ herumschwimmen (erlaubt bis zu 400.000 in einem Milliliter) – und fühlt sich betrogen, wenn es dann doch nur Hafersaft ist?

Von dieser grundsätzlich „somatischen“ Herkunft mal abgesehen ist an den heute verkaufen Säugetiersekreten eh nichts „normal“: nicht, dass manche Kühe nicht mehr richtig gehen können, weil sie das auf XXXL gezüchtete Euter behindert; auch nicht, dass sie Skelettprobleme haben, weil die gigantischen Milchmengen ihren Calciumstoffwechsel belasten; dass sie wegen der Spaltenböden Klauenentzündungen bekommen und dass etliche von ihnen sowieso niemals die Gelegenheit zur freien Fortbewegung haben, weil Anbindehaltung von Kühen immer noch gang und gäbe ist.

Brauchen wir den EuGH wirklich, um solche Produktionsverhältnisse zu schützen?

Brauchen wir den EuGH wirklich, um solche Produktionsverhältnisse zu schützen? Besser wäre der Umkehrschluss: Dann kommt ab jetzt nichts mehr in den Kühlschrank, wo „Milch“ draufsteht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.