Kommentar Flüchtlinge in der EU: Lasst Osteuropa zahlen

Die EU darf nicht akzeptieren, dass sich die meisten Länder beim Flüchtlingsschutz ausklinken. Wer Zäune baut, sollte zum Ausgleich zahlen.

Ein Mann steht vor einem Natodraht-Zaun

Die osteuropäischen Staaten machen dicht: Grenzzaun in Ungarn Foto: dpa

Die neuen Asylzahlen zeichnen eine Landkarte der Ungerechtigkeit. Die osteuropäischen Staaten kommen mit ihrer egoistischen Linie davon. Sie machen weiter dicht – mit Zäunen, Gefängnissen und Unterversorgung von Flüchtlingen, ganz so, als wären sie kein Teil der Europäischen Union. In den aufreibenden Verhandlungen während der Flüchtlingskrise haben sie ihre Blockadelinie konsequent durchgezogen. Die Folge: Fast niemand stellt in Osteuropa einen Asylantrag. Die EU nimmt es hin.

Die einzigen Veränderungen, auf die die Union sich einigen konnte, gingen faktisch wieder auf Kosten der schwachen Staaten Südeuropas: Die ihnen versprochene Entlastung per Umverteilung wurde so gut wie nicht erfüllt. Es floss etwas Geld, dazu aber kam ein ganzes Maßnahmenpaket, um das Dublin-System wieder durchzusetzen. Die Unwuchten der EU-Asyl-Architektur wurden nicht verringert, sondern verstärkt.

Jene Staaten, die sich überdeutlich europäischer Solidarität verweigerten, können aus den neuesten Asylzahlen für sich die Lehre ziehen: Wer Zäune baut, gewinnt.

Wer nun meint, Deutschland, der Spitzenreiter beim Antragsaufkommen, sei zu weich, irrt. Das Asylrecht ist hier extrem verschärft worden. Die Antragszahlen waren hoch, weil Deutschland – nach jahrelanger Verweigerung – auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise vorübergehend Verantwortung übernahm. Die aktuell hohen Anerkennungsquoten ergeben sich aus der Tatsache, dass so viele dieser Menschen aus Kriegsgebieten oder Diktaturen kommen.

Die EU darf nicht länger akzeptieren, dass sich die meisten beim Flüchtlingsschutz ausklinken. Um die enormen Asymmetrien einzuebnen, muss sie Härte zeigen. Nicht, indem Brüssel Menschen in Länder schickt, die sie nicht nehmen wollen. Sondern indem die EU die, die Schengen aussetzten, Zäune bauen und Flüchtlinge zur Abschreckung schlecht behandeln, dafür zum Ausgleich zahlen lässt.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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