Kommentar Grünen-Arbeitsmarktpolitik: Mutlos in der Gerechtigkeitsfrage

Soziale Gerechtigkeit steht bei den Grünen nach wie vor nicht hoch im Kurs. Einen Bruch mit der Agenda 2010 wagt die Partei nicht.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen machen ein Selfie

Einiges spricht dafür, dass die Grünen mit ihrem Spitzenduo danebengegriffen haben Foto: dpa

Maue Umfragewerte, schlechte Stimmung: Die Grünen haben allen Grund, sich Sorgen zu machen. Doch einen Ausweg aus der Schulz-Falle bietet auch der „8-Punkte-Plan für einen gerechten Arbeitsmarkt“ nicht, den die Partei jetzt vorgelegt hat. Denn dieser ist dafür zu mutlos.

Was die Parteivorsitzende Katrin Göring-Eckardt und ihre MitautorInnen vorschlagen, geht nicht sub­stanziell über die Vorschläge des SPD-Kanzlerkandidaten hinaus. Nur die Etiketten sind anders beschriftet. Die Grünen reden von „Garantierente“, während Martin Schulz eine „Solidarrente“ fordert. Einzige Ausnahme bildet die mit nur einem Satz erwähnte sanktionsfreie Grundsicherung, die die Grünen „zudem“ anstreben.

Für die von Schulz geforderte Verlängerung des Arbeitslosengeldes I sprechen sich die Grünen hingegen nicht aus. Zu Recht monieren sie, dass die Bezugsverlängerung allein nur den Übergang ins Arbeitslosengeld II verzögern würde. Aber was folgt daraus? Machen die Grünen einen Vorschlag, wie Menschen, die ihr Leben lang geschuftet haben, danach nicht in kürzester Zeit ins Bodenlose fallen? Fehlanzeige. Dabei geht es hier tatsächlich um „Respekt vor den Lebensleistungen der Menschen in unserem Land“, wie es Schulz formuliert hat. Anders als Cem Özdemir glaubt, ist das alles andere als „sehr altbacken“.

Ein Bruch mit der Agenda 2010 – das hätte ein Befreiungsschlag sein können. Doch zu mehr als kleineren Korrekturen am von ihnen mitverantworteten Sündenfall der Schröder-Ära sind die Grünen nicht bereit. Das bedeutet allerdings auch: Soziale Gerechtigkeit steht bei ihnen nach wie vor nicht hoch im Kurs. Da hilft auch keine Camouflage. Es ist peinlich, wenn Göring-Eckardt sich jetzt hinstellt und wahrheitswidrig behauptet, sie habe sich schon 2003 für einen gesetzlichen Mindestlohn eingesetzt. Einiges spricht dafür, dass die Grünen mit ihrem Spitzenduo danebengegriffen haben.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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