Kommentar Nationalismusgefahr: Neuer deutscher Chauvinismus

CDU/CSU punkten mit rechtem Populismus. Der Erfolg der AfD wird dazu führen, dass die Union künftig noch nationaler auftreten wird.

Die AfD macht dem bürgerlichen Lager Druck von rechts Bild: Alex- / photocase.com

Lange war es undenkbar, seit Sonntag ist es wahrscheinlich: Deutschland droht in einen populistischen Diskurs abzugleiten, der nationalistische Züge trägt. Denn diese Bundestagswahl war historisch, und zwar für das bürgerliche Lager. Union, FDP und AfD haben die gleiche Erfahrung gemacht: Die Wähler honorieren deutschen Chauvinismus.

Um mit einer Petitesse zu beginnen, die nur scheinbar harmlos ist: Die CSU hat ihren Wahlkampf mit einer „Pkw-Maut für Ausländer“ bestritten. Diese absurde Idee ist angekommen, obwohl das Europarecht Gesetze verbietet, die Staatsbürger anderer Länder diskriminieren. Aber die CSU-Wähler interessieren sich nicht für Realpolitik, sondern wollen, dass es gegen „die Fremden“ geht.

Merkels Wahlerfolg erklärt sich ähnlich: Es ist den Wählern wichtig, dass die Kanzlerin „die deutschen Interessen“ in der Eurokrise verteidigt. Faktisch ist diese Einschätzung zwar falsch, weil Merkels Sparkurs die Krise verschärft – was auch Deutschland schaden wird.

Wieder ist nicht die Realität wichtig, sondern die Performance. Und als Kanzlerdarstellerin bleibt Merkel unschlagbar, weil sie glaubhaft vermittelt, für „die deutschen Interessen“ zu kämpfen.

Die hinteren Unionsreihen

Der stupende Wahlerfolg hat der Union auch gezeigt: Gemäßigter Nationalismus zahlt sich aus – aber er reicht nicht. Es ist nicht gelungen, die eurokritische AfD klein zu halten. Also wird die Union künftig nationaler auftreten. Mit einer Kanzlerin, die weiterhin präsidial agiert, während die hinteren Unionsreihen ihre Angriffe auf die „faulen Griechen“ oder „chaotischen Italiener“ verstärken.

Die AfD ist jedoch nicht nur eine Gefahr für die Union, sondern erst recht für die FDP. Die Liberalen säßen im Bundestag, hätten sie nicht so viele Wähler an die AfD verloren. Also wird auch die FDP nationale Töne anschlagen – zumal alte Programmbausteine wie Steuerpolitik oder Bürgerrechte nicht mehr ziehen. Der mutmaßliche künftige Parteichef Christian Lindner sagt denn auch, man werde die FDP „neu denken“.

Viel Zeit zum „neuen Denken“ bleibt nicht. Wenn die FDP überleben will, muss sie bei der nächsten Wahl erfolgreich sein – schon im Mai, wenn die Europawahl stattfindet. Es wäre erstaunlich, wenn sich die Liberalen dabei nicht als die wahren Hüter der „deutschen Interessen“ präsentieren. Die bürgerlichen Parteien werden jetzt darum kämpfen, wer der beste Chauvinist ist.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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