Kommentar Özil und Nationalelf: DFB? Versagt, alle zurücktreten!

Der Rücktritt von Mesut Özil ist nur ein erster Schritt. DFB-Chef Grindel sollte ihm folgen, genau wie Manager Oliver Bierhoff und Trainer Joachim Löw.

Fünf Männer nebeneinaner auf einer Couch

Ein Panoptikum des Versagens: Joachim Löw, Mesut Özil, Reinhard Grindel, Ilkay Gündogan, Oliver Bierhoff (v.l.n.r.) Foto: dpa

„Dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, weisen wir (…) in aller Deutlichkeit zurück“, schreibt der Deutsche Fußball-Bund Montagnachmittag als Reaktion auf den Rücktritt von Mesut Özil aus der Fußball-Nationalelf. Der jämmerliche, nur mit „[dfb]“ unterzeichnete Text zeigt deutlich: Die Verantwortlichen wollen nicht verstehen, worum es in der ganzen Debatte geht.

Es war schon vorher kaum vorstellbar, dass Mesut Özil unter diesen Bedingungen nochmal in der Fußball-Nationalmannschaft auflaufen würde: angesichts der Anfeindungen von Publikum und Experten, von Funktionären wie Oliver Bierhoff und DFB-Chef Reinhard Grindel. Nun hat Özil mit seinem Rücktritt Tatsachen geschaffen – und das via Twitter ausführlich erläutert.

Seiner Erklärung, das Foto sei aus Respekt gegenüber dem Land seiner Eltern entstanden, mag man folgen oder nicht. Man hätte sich gewünscht, dass Özils Mutter ihm nicht nur den Wert „Respekt“ beigebracht hätte (wie er beteuert), sondern vielleicht auch andere Werte, eine kritische Haltung gegenüber Autoritäten etwa. Das hätte natürlich auch die Schule in Deutschland machen können. Hat sie nicht. Damit unterscheidet sich Özil aber nicht von vielen anderen Deutschen, allen voran der frühere Weltfußballer Lothar Matthäus, der sich zunächst als größter Özil-Kritiker profilierte und sich dann selbst mit einem Autokraten ablichten ließ, dem russischen Präsidenten Putin.

Genau dieser Vergleich zeigt, dass sich die Debatte um Özil schon lange weg bewegt hat von der Kritik am Foto eines Fußballers mit einem autoritären Machthaber. Es ging schon lange nicht mehr um das unselige Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mitten in dessen Wahlkampf. Sondern darum, wie „deutsch“ dieser Spieler ist. Und dass er als „deutsch“ gilt, wenn er erfolgreich ist (und gut integriert) und als nicht mehr „deutsch“, wenn er scheitert oder sich nicht gut benimmt (also nicht gut integriert).

Totalschaden für den DFB

Die Multikulti-Erzählung des DFB mit der Nationalmannschaft verschiedener Hintergründe, mit Fußball als Modell für eine progressive Gesellschaft, mit seinem Engagement gegen Rassismus liegt nun in Scherben. Vor diesem Hintergrund ist der Rücktritt von Mesut Özil folgerichtig und auch notwendig.

Doch das Versagen liegt nicht allein bei ihm. Versagt haben vor allem DFB-Chef Reinhard Grindel und Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. Sie haben nichts getan, um der rassistischen Hetze gegen Özil ihre Wucht zu nehmen. Sie haben sie sogar noch befeuert.

Versagt hat auch Bundestrainer Joachim Löw. Er wollte seinen kritisierten Lieblingsspieler Özil nicht maßregeln, schwieg dann aber demonstrativ, als die Hetze überschwappte. Warum nicht eine gemeinsame klare Aktion gegen Rassismus, wie sie die Nationalelf von Schweden hinbekommen hat?

Es ist ein Komplettversagen bei DFB und Nationalelf, das einen sprachlos macht. Die Funktionäre sollten Verantwortung übernehmen: Grindel hat versagt. Er sollte zurücktreten. Bierhoff hat versagt. Er sollte zurücktreten. Joachim Löw hat versagt. Er sollte zurücktreten.

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Berliner mit Kartoffelhintergrund. 2011-2020 bei der taz, u.a. als Ressortleiter Online, jetzt Autor, Themen: Privilegien, Machtstrukturen, USA, Italien, Fußball, Queer, Comics u.a.

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