Kommentar Pushbacks von Flüchtlingen: Unter den Augen der EU

Frontex kann sich jetzt nicht mehr aus der Affäre ziehen, was die illegale Abschiebung von Flüchtlingen betrifft. Und Deutschland auch nicht.

Ein Migrant wird in Griechenland von einem Frontex-Offizier auf eine Fähre eskortiert.

Werden auch sonst schnell abgefertigt: Flüchtlinge in Griechenland Foto: dpa

Dass das überforderte Griechenland die Grundrechte von Flüchtlingen missachtet, ist nichts Neues. Die Regierungsübernahme durch Syriza hatte das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen etwas abgemildert, dies war auch eines der Wahlversprechen der linken Regierung. Doch bis heute ist Griechenlands Umgang mit der hohen Zahl an Flüchtlingen oft nichts anderes als eine Mischung aus Chaos und Gewalt.

Dazu gehört die Praxis, ankommende Flüchtlinge auf dem Meer zu stoppen und zur Umkehr zu zwingen. Dass dies gegen EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 im sogenannten Hirsi-Urteil entschieden. Griechenland hat das nicht interessiert. Hunderte Berichte über solche Zurückschiebungen in die Türkei sind dokumentiert. Im Januar 2014 starben dabei elf Menschen.

Die EU-Grenzschützer von Frontex sind seit Jahren von Ort, das Unwesen der griechischen Küstenwache haben sie mindestens toleriert – und jede Verantwortung dafür bestritten. Jetzt haben syrische Flüchtlinge zum ersten Mal gleichsam den Fotobeweis geliefert, dass die sogenannten Pushbacks, die illegalen Zurückweisungen, unter den Augen der EU stattfinden.

Aber auch ohne einen solchen Beleg könnte Frontex sich jetzt nicht einfach aus der Affäre ziehen. Was die griechische Küstenwache in der Ägäis treibt, ist heute keine nationale Angelegenheit mehr. Seit dem Deal zwischen der EU und der Türkei zur Flüchtlingsabwehr hat sie mehr denn je eine europäische Dimension, ist in erster Linie ein europäisches Projekt. Deshalb steht die EU dort in der direkten Verantwortung.

Genauso übrigens dafür, was den Zurückgeschobenen in der Türkei blüht: immer öfter Knast und die weitere Abschiebung in auch beim allerbesten Willen nicht sichere Länder.

Diese Verantwortung trägt insbesondere Deutschland, auf dessen Betreiben der Flüchtlingsdeal maßgeblich zustande kam. Und das immer wieder versprach, dass es dabei rechtmäßig zugehen würde. Denn all die EU-Initiativen der letzten Jahre haben am Grundproblem nichts geändert: Eines der schwächsten Mitglieder der Gemeinschaft – Griechenland – muss eine der größten Lasten tragen.

Das entschuldigt nicht, dass es sich über Menschenrechte hinwegsetzt. Aber solange der Rest Europas das Problem an seine Ränder drückt, wird sich dort nichts ändern.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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