Kommentar Sorgerecht: Es gewinnt die clevere Kanzlei

Das Kabinett berät einen Gesetzentwurf zum Sorgerecht für Kinder unverheirateter Paare. Das hilft vor allem jenen, die sich den besseren Anwalt leisten können.

An der sogenannten wilden Ehe ist schon lange nichts mehr wild und unmoralisch. Sie ist inzwischen so alltäglich wie die Ehe. Ebenso alltäglich ist es, dass solche Paare Kinder bekommen – und gemeinsam für sie sorgen. Insofern ist es längst an der Zeit, dass auch jene Männer, die mit der Mutter ihres Kindes alles Mögliche verbindet, nur eben kein Trauschein, die gleichen Rechte bekommen sollen wie die Frauen. Und – nebenbei gesagt – auch wie die Väter, die mit der Mutter verheiratet sind.

Die Mehrheit der ledigen Eltern ist sich der gemeinsamen Verantwortung für gemeinsame Kinder durchaus bewusst. 62 Prozent von ihnen erklären bereits um den Geburtstermin des Kindes herum das gemeinsame Sorgerecht. Andere machen es später. Diese Eltern brauchen das neue Sorgerecht nicht.

Wie so häufig wird das neue Gesetz verstärkt bei „Problemfällen“ angewandt werden, also bei Paaren, die nicht mehr zusammen sind oder es nie waren, die sich aber trotzdem darum streiten, wie viel Recht am Kind der eine oder die andere haben darf.

Wer – trotz aller Spannungen – auf dem gemeinsamen Sorgerecht besteht, kann künftig das Familiengericht anrufen. Was zunächst nach einer neutralen Entscheidungsinstanz klingt, die solche Streitigkeiten schlichten kann, dürfte die Problemlage verschärfen.

Denn die Familiengerichte sollen in einem sogenannten vereinfachten Verfahren formal entscheiden. Das heißt, RichterInnen lesen den Antrag des Vaters und die Antwort der Mutter. Aufgrund dieser Schriftsätze heben sie den Daumen oder senken ihn. Vielfach ohne die Betroffenen gesprochen zu haben.

Ob in solchen Fällen kluge, für den Elternalltag realisierbare und vor allem dem Kindeswohl zuträgliche Entscheidungen getroffen werden, darf bezweifelt werden. Vielmehr dürfte die Seite gewinnen, die mehr Geld, mehr Nerven und den besseren Anwalt hat. Die Verlierer haben eine Sorge mehr.

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Ressortleiterin taz.de / Regie. Zuvor Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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