LÄRMSCHUTZ: Jetzt wird der Lärm neu kartiert

Nach den Vorgaben der EU muss Bremen den zweiten „Lärmaktionsplan“ auflegen. Bis Ende Mai sind alle aufgerufen, den Lärmplan der Behörde zu ergänzen.

Da helfen auch keine Schallschutzfenster. Bild: dpa

„Lärm ist nicht nur eine Belästigung, sondern macht Menschen auch krank“, erklärte Bremens Umweltsenator Joachim Lohse gestern zur Vorstellung des neuen „Lärmaktionsplanes“. Die Europäische Union (EU) verlangt es, dass die Ballungsräume sich mit dem Thema der Lärmbelastung befassen, und der grüne Umweltsenator nimmt das gerne zum Anlass, um etwas Geld für lärmmindernde Maßnahmen zu fordern. Insgesamt sei mit dem „Aktionsplan“ 2009 die Zahl der Menschen, die nachts mehr Lärm ertragen müssen als die Richtwerte der Behörde erlaubt, von 6.200 auf 4.000 „gesenkt“ worden, teilte der Senator mit.

Zur Förderung von Lärmschutz-Fenstern sieht der Haushaltsplan 500.000 Euro pro Jahr vor, damit kann rund 2.500 Menschen geholfen werden. Lieber als die Abdämmung der Folgen wäre dem Senator allerdings eine Reduzierung des Schalles an der Quelle. Da werden allerdings die Grenzen eines kommunalen Dezernenten sehr schnell deutlich: Bei den Bahnlinien ist die Bundesbahn zuständig, bei Autobahnen finanziert der Bund Lärmschutz oder auch nicht und beim Flughafen, wo es mehr Landes-Kompetenzen gäbe, verhindern wirtschaftspolitische Interessen sogar eine Eindämmung des Nachtlärms. Die „billigste“ Reduzierung des Verkehrslärms wäre durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung zu erreichen – nachdem die Grünen in Bremen mit der Devise „Tempo 30 überall“ gescheitert sind, wollen sie nun auf EU-Ebene wenigstens darüber reden.

Nach bundesweit angewandten Richtwerten geht man davon aus, das oberhalb von 65 Dezibel eine Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist. Das Maß dB(A) bewertet den Schalldruckpegel in ähnlicher Weise wie der Lärm ins menschliche Ohr dringen würde. Allerdings sind diese Richtwerte gemittelte Durchschnittswerte eines angenommenen Dauerschalls. Für die Anwohner einer Autobahn ergibt das einen Sinn, für die Anrainer von Bahntrassen oder die Bewohner der Einflugschneise des Flughafens ist die Messeinheit völlig unsinnig – drei Flugzeug-Landungen in der Nacht oder drei laut vorbeirasselnde Güterzüge in der Tiefschlafphase zerstören die Nachtruhe, fallen aber in einem über acht Stunden gemittelten Durchschnittswert kaum auf.

Die Lärmkarten, die der Umweltsenator zum Ausgangspunkt seines „Lärmaktionsplanes“ nimmt, gehen zudem von hochgerechneten Lärmwerten aus, nicht von effektiv gemessenen Werten. Zu allem Überfluss hat die Bundesbahn ihre Lärmwerte immer noch nicht zur Verfügung gestellt und wird sie auch in diesem Jahr nicht mehr nachliefern – eine wichtige Lärmquelle fehlt damit.

Der Umweltsenator will die Defizite des Verwaltungsansatzes durch eine Bürgerbeteiligung ausgleichen: Bis zum 1. Juni kann jedermann über die Internet-Plattform www.umgebungslaerm-bremen.de seine spezifischen Lärm-Beschwerden und seine „gefühlte“ Lärmbelastung eingeben. Die Fachleute des Umweltressorts werden diese Hinweise auswerten und dann entscheiden, wie viel Geld gegen welche Lärmquelle ausgegeben werden kann.

Als Erfolg des ersten Lärmschutz-Aktionsprogramms konnte Lohse auf drei Straßenprojekte – Falkenstraße, Tiefer und Am Wall – verweisen. Bei den großen Problemen muss man eher in Jahrzehnten denken: Für die erhebliche Zunahme des Bahnlärms durch die Container-Züge aus dem Jade-Weser-Port unterstützt der Senat inzwischen, so versicherte Lohse, die Initiative Niedersachsens für eine Alternativ-Trasse – vor Jahren hatte der Bremer Senat noch der Durchfahrt der zusätzlichen Güterzüge durch den Bremer Bahnhof zugestimmt. Die Anwohner der Neuenlander Straße werden bis 2019 auf die Fertigstellung der A 281 warten müssen. Und ob die Anwohner des Flughafens irgendwann mal sieben Stunden garantierte Nachtruhe haben werden, steht in den Sternen.

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