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Machtwechsel auf den SeychellenKeine Macht den Drogen und Luxustouristen

Die Seychellen stimmen für den Regierungswechsel. Der Inselstaat hat das größte Heroinproblem der Welt – und ein bizarres Tourismusprojekt aus Katar.

Abschlusskundgebung des Wahlsiegers Herminie in der Seychellen-Hauptstadt Victoria, 5. Oktober Foto: Gabriel Robert-Gironcelle REUTERS

Berlin taz | Auf dem Inselstaat der Seychellen im Indischen Ozean sind Regierungswechsel selten. Erst 2020 wurde die seit einem Putsch 1977 unter unterschiedlichen Namen regierende Partei „United Seychelles“ abgewählt. Nun ist sie zurück an der Macht – ihr Kandidat Patrick Herminie hat die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen, die vom 9. bis 11. Oktober stattfand.

Patrick Herminie, ehemals Gründer und Leiter der Drogenbekämpfungsbehörde der Seychellen, löst Wavel Ramkalawan ab, einen anglikanischen Priester. Ramkalawans Amtszeit war von der Covid-19-Pandemie geprägt, die den Tourismus einbrechen ließ. Um die Wirtschaft zu retten, verkaufte Ramkalawan die Seychellen-Insel Assomption für angeblich 50 Millionen US-Dollar an ein Investorenkonsortium aus Katar, das dort nun eine Luxusferienanlage errichten will.

Assomption nördlich von Madagaskar liegt über 1.000 Kilometer von der Seychellen-Hauptinsel Mahé entfernt, aber nur 30 Kilometer vom Aldabra-Atoll. Dieses ist eine der letzten gut erhaltenen Ansammlungen von Koralleninseln auf der Welt. Vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröten brüten dort am Strand. Mit einer Million Quadratkilometer Meeresgebiet kommt den Seychellen eine große Verantwortung im Indischen Ozean zu.

Die Hoffnung ist nun, dass der Machtwechsel zum Aus des Assomption-Projekts führt. Als „United Seychelles“ zuletzt regierte, gab es allerdings noch krassere Pläne für Assomption – nämlich eine Militärbasis für Indien. Nicht ganz zufällig hat jetzt Indiens Ministerpräsident Narendra Modi als Erster zu Herminies Wahlsieg gratuliert.

Jeder zehnte nimmt Heroin

Unmittelbar dürfte der Machtwechsel mit der sozialen Lage zu tun haben. Von den etwas über 100.000 Einwohnern auf 155 Seychellen-Inseln – sämtlich Nachkommen afrikanischer und asiatischer Sklaven aus der Kolonialzeit – leben über 85 Prozent auf der Hauptinsel Mahé mit der Hauptstadt Victoria.

Die Seychellen haben nicht nur das mit Abstand höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, sondern auch die höchste Rate von Heroinabhängigen auf der Welt: ein Zehntel der Bevölkerung. Knapp 6.000 von ihnen sind in den Methadonprogrammen registriert, die Herminie einst als Antidrogenchef einrichtete. Dafür wird er geschätzt.

Die Seychellen mit vielen kleinen unbewachten Inseln sind ideale Transitstationen auf der Heroinroute von Afghanistan nach Ostafrika. Auch daher rührt Indiens Interesse an einer militärischen Präsenz.

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