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Mentales Training durch GolfCoaching gegen den Konjunktiv am Green

Wie Coach Rica Reinisch es schafft, auch im miesesten Schlag noch das Positive zu sehen. Eine Runde mit der Schwimmolympiasiegerin von 1980.

Positiver Schwung: Rica Reinisch bei einem Charity-Turnier 2016 Foto: Ernst Wukits/imago

E s nieselt, fiese Schauer dazwischen, böiger Wind. „Wir kriegen bestimmt einen goldenen Oktober“, hatte Rica Reinisch vor Wochen geweissagt, als wir uns verabredeten. „Ja, und wo ist er jetzt, dein Goldoktober?“ – Da, sagt sie, und zeigt auf die vielen bunten Blätter am Boden und in den Bäumen. Haha. „Warte ab, wir kommen trocken durch.“

Rica Reinisch, 60, ist dreifache Schwimm-Olympiasiegerin für die DDR gewesen, 1980 in Moskau. 14 war sie damals, vollgestopft von der Staatsführung mit den kleinen blauen Pillen, anabole Steroide. Im Rheinland gelandet, arbeitete sie lange als Moderatorin und entdeckte das Golfspiel.

Beflügelt die Frau? Gleich am ersten Loch gelingen mir zwei Schläge next to perfect – keine sechs Meter zum Loch, es lockt ein Birdie. Das letzte hatte ich im Frühsommer gespielt, als Rica und ich bei einem Turnier zusammen unterwegs waren. „Das wäre doch was, Rica. Nur mit deiner Nähe klappt es.“ Sie lacht ihr angenehm dreckiges Lachen. Der Ball rollt knapp vorbei. Ärgere mich. Nichts sei falscher als ärgern, sagt sie, der Putt war doch gut. Pech halt. „Nach einem schlechten Schlag klage ich nie“, erklärt sie, „sondern freue mich auf den nächsten guten. Wir spielen doch nur Golf. Ich muss mir nichts beweisen.“ Rica Reinisch ist immer positiv. Jedes halbvolle Glas droht bei ihr überzulaufen. Das Bild gefällt ihr.

Relaxt spielen wir vor uns hin. Gute Schläge, schlechte Schläge. Bei beiden. Ihr Mantra: „Gedanken bestimmen unser Handeln. Ich sage mir immer, ich bin in Liebe, gesund, alles dient meinem Wohle. Beim Golf will ich meinen Frieden haben und gute Laune.“ Ihr nächster Schlag geht massiv daneben. „Na und“, sagt sie.

Fehler als Trainer

Seit zehn Jahren arbeitet Reinisch als Mental- und Motivationscoach. „Ich versuche, die Menschen wieder zum Reflektieren zu bringen, oft auch Führungskräfte. Zu erkennen, was macht mich aus? Welche Potenziale habe ich in mir?“ Dabei gelte: „Immer die Stärken stärken. Nicht die Schwächen stärken – dann würde man nur mittelmäßig, so normal.“ Manche Klienten, sagt sie, seien „in ihrem Hamsterrädern auch beratungsresistent.“ Da mache es halt keinen Sinn.

„Fehler sind unsere besten Trainer. Ohne Fehler kommen wir nicht voran.“ Das gelte gerade auch fürs Golfspiel. Ich gehe gleich mit gutem Beispiel voran und setze einen Ball ins dicke Gewächs. Arrrrh! Immerhin der Rettungsschlag hinaus gelingt: „Siehst du. Da hilft kein Klagen und kein Barmen, kein hätte ich doch mal… Nirgends gibt es so viel Konjunktiv wie beim Golf.“ Meine Replik: „Na ja, Rettungsschläge kann ich, so oft wie ich die machen muss.“ Wieder ihr dreckiges Lachen.

Reinisch coacht ihre Klienten auch auf dem Fairway. „Wenn jemand Golf spielt, frage ich immer, wollen wir auf eine Runde gehen? Weil du nirgends einen Menschen so schnell so gut kennenlernst, wie beim Golf. Da kann man sich nicht verstecken. Du hast die Choleriker, die Schummler, die Ängstlichen, die Gelassenen oder die Drauflosspieler aus Lust an der Freude.“ Da sehe man schnell, wie jemand „mit bestimmten Situationen umgeht“.

Ihre Seminare macht sie auch an Schulen. „Gerade wieder an einem Berufskolleg. Da geht es um Perspektiven nach der Schule. Woher sollen die Jugendlichen wissen, wo sie hinsollen, wenn sie nicht mal wissen, wer sie sind? Seiner selbst bewusst sein, ist so wichtig.“

Ob sie noch gern schwimmt nach dem Doping-Missbrauch damals? „Aber ja. Wasser ist mein Element. Anfangs nach der Karriere, beim Abtrainieren, hatte ich eine Aversion gegen Schwimmbäder. Dieser Chlorgeruch. Am liebsten schwimme ich im Meer, mit den Fischen.“

Reinisch ist wirklich Wasserexpertin aller Art. Nach dem ersten Abschlag hatte es keinen Tropfen mehr geregnet. Und es wurde eine meiner besten Runden dieses Jahr. Voll im optimistischen Dauerflow, ohne Konjunktive, ohne Ärgern, Blick immer nach vorn.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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