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Möglicher Frieden für GazaDiplomatischer Druck ist weiter nötig

Lisa Schneider

Kommentar von

Lisa Schneider

Eine Waffenruhe gab es schon mal, doch sie endete schnell. Es wird jetzt um die entscheidenden weiteren Schritte gehen.

Friedensverhandlungen für Gaza: Delegationen der Hamas, Ägyptens und der Türkei, in Sharm El-Sheikh, Ägypten, am 8. Oktober 2025 Foto: Al Qahera News/reuters

A b diesem Donnerstag sollte die Waffenruhe kommen. Und bis kommenden Montag die Geiseln nach Israel zurückkehren. Für die Palästinenserinnen und Palästinenser wie auch die Geiseln und ihre Angehörigen würden damit zwei Jahre unermesslichen Leids enden, zwei Jahre voller Hoffen und Bangen. Diesen Moment der Freude kann ihnen niemand nehmen. Es ist verständlich, wenn das Politische für die Betroffenen zunächst in den Hintergrund tritt.

Doch die internationale Gemeinschaft muss wachsam bleiben. Denn so weit fortgeschritten wie jetzt war die Lage in Israel und Palästina im Prinzip schon einmal. In diesem Januar, als – ebenfalls auf Druck des damals noch designierten Präsidenten Donald Trump – ein Waffenruhe-Geisel-Gefangenen-Deal verkündet wurde. Damals lief die erste Phase, in der Geiseln und Gefangene ausgetauscht wurden und die Waffen ruhten, vielversprechend an. Doch die zweite Phase, in der Gespräche um eine Entwaffnung der Hamas und einen vollständigen Rückzug aus dem Gazastreifen angestanden hätten, scheiterte. Israel brach schließlich die Waffenruhe, der Krieg begann von Neuem.

Erneut ist nun lediglich die erste Phase des Deals – der Austausch von Geiseln und Gefangenen während einer Waffenruhe – halbwegs klar. Alles andere muss weiter diskutiert werden. Die internationale Gemeinschaft muss dazu beitragen, dass beide Seiten weiter bei dem Deal bleiben: ihn zu Ende verhandeln und anschließend umsetzen. Dafür muss sie diplomatischen Druck aufbauen – vor allem auf Israel, das nach der Rückkehr der Geiseln in einer noch stärkeren Position sein wird als zuvor.

Das internationale Engagement sollte nicht auf dem Papier enden: Es ist Teil des Trump-Plans, eine internationale Stabilisierungstruppe zu etablieren, die in den Gazastreifen entsandt wird und die Kontrolle von der israelischen Armee übernehmen soll. Dafür braucht es Kräfte, der beide Seiten zumindest ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringen – neben manchen Golfstaaten auch europäische Länder. Italien hat am Donnerstag dazu bereits Bereitschaft verkündet; Deutschland sollte diesem Beispiel folgen.

Nahost-Debatten

Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.

Der Trump-Plan enthält außerdem einen, wenn auch vagen Passus zu einer Wiederübernahme Gazas durch die Palästinensische Autonomiebehörde. Israels Regierung hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen. Dass die Autonomiebehörde versprochene Reformen umsetzt und Israel deren Rückkehr nicht torpediert, muss auch diplomatisch forciert werden.

Der diplomatische Druck muss bleiben – auch über eine erste Friedensphase hinaus.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika. Studium in Beirut, Mainz und Paris. Alumna des Ernst Cramer & Teddy Kollek Programms (IJP) bei Times of Israel.
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6 Kommentare

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  • Immerhin besteht diesmal eine Chance, dass es zu einer handlungsfähigen „Friedenstruppe“ kommen könnte, da das Ganze nicht über ein kompliziertes UNO - Mandat, sondern über direkt handelnde Akteure läuft. Ganz sicher werden neben den Türken, den Arabern und Ägyptern auch amerikanische Soldaten mit im Boot sein müssen, damit beide Seiten das Risiko einer Konfrontation scheuen. Wir sollten uns vielleicht eher auf das rückbesinnen, was die Bundesrepublik viele Jahre ganz erfolgreich bei Krisenlagen beitragen konnte: Geld, Ausbildung von Polizeikräften und Aufbau zuverlässiger ziviler Strukturen. Denn jenseits aller militärischen Macht und der direkten Nothilfe braucht es schnell eine auch längerfristig intakte Versorgung der Bevölkerung jenseits von mafiösen und terroristischen Strukturen. Sonst reicht ein Funke um alle guten Absichten ganz schnell wieder in einem Inferno enden zu lassen.

  • Nicht die Verträge und die Preise für Friedensschlüsse sind entscheidend, es sind die Einstellungen der Konfliktparteien, auf allen Ebenen.



    Kritisch und skeptisch bleiben!



    "Kriege zu beenden ist oftmals ein schwieriger, langwieriger Prozess, sagen Experten. Nicht selten dauert es Generationen, bis man wirklich von Frieden sprechen kann."



    Quelle deutschlandfunk.de



    Weiter dort:



    "Heute verbinden wir mit Frieden laut Leonhard ferner, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt. Etwa durch die Verfolgung von Kriegsverbrechen oder die Aufarbeitung von Traumata."



    Und schließlich:



    "Für einen echten, dauerhaften Frieden reicht nach Ansicht des Historikers Jörn Leonhard ein formaler Friedensschluss nicht aus. Dazu müssten Feindbilder abgebaut und Vertrauen zwischen den Konfliktparteien aufgebaut werden. Leonhard hält dies für die „vermutlich schwierigste Aufgabe“. Frieden, sagt er, sei ein langfristiger Prozess, ein „Gestaltungsprojekt für Generationen."



    Europa hat viele tiefe Wunden und sichtbare Narben durch Konflikte davongetragen, bevor es insbesondere im Westen friedlich wurde.

  • Bezeichnend für die US Hörigkeit der westlichen Welt der großen Trump Show eine derartige Bedeutung einzuräumen, wenn selbst in Washington die Insider auf die zeitnahe Deadline für die Nominierung des Nobelpreises hinweisen, der das jetzige Zustandekommen der Vereinbarung offenbar geschuldet ist.

    In der arabischen Welt wird das sehr viel skeptischer und wohl auch realistischer betrachtet, wie sich u.a. den folgenden Aussagen entnehmen lässt.

    "Der einzige Zweck dieses Plans ist die Freilassung der Geiseln. Ansonsten gibt es nichts Konkretes.." Moataz Ahmadeen, ägyptischer Diplomat

    "Da ist nichts Ernstes. Nichts, was eine Grundlage für eine Zusammenarbeit arabischer und muslimischer Länder bietet" Anwar Gargasch, Präsidentenberater VAE

    "Ich kann Trumps 20 Punkte nicht als Plan zur Beendigung des Krieges bezeichnen. Es ist nicht einmal ein Rückzugsplan. Es ist ein Plan zur Entspannung" Mohamed Dar, Außenminister Pakistan

    Und ein namentlich nicht genannter Vertreter Katars in der Arabischen Liga wurde zu Trumps Plan in der Khaleej Times mit den Worten zitiert ".. ist das alles nur ein widerlicher Schwindel, den niemand ernst nehmen sollte."

    • @Sam Spade:

      Waffenstillstand und Gefangenenaustausch - das gab es schon in den jüngsten "Verhandlungen" zwischen Russland und Ukraine.

      Trump kann nichts anderes; der ist so unfähig und unreflektiert und ihm geht es nur um Effekthascherei und vor allem um den Schutz der von ihm unterstützen kriminellen Regierung.

      Mit Frieden hat das nichts zu tun. Die Grundlagen des Konflikts werden noch nicht einmal berührt.

  • Trump hat immer nur angekündigt und nie geliefert.



    Für mich ist das ganze immer noch eine große inzinierte Fernseshow, die ihn als den großen Friendensstifter darstellen soll, selbst dann wenn Israel weiterbommt (wie in der ganze Zeit seitem Israel seit über einem Jahr längst militärisch gesiegt hat)

  • Richtig, und sehr gut analysiert. Aber hat die Bundeswehr oder eine Nato Truppe da auch die Fähigkeiten? Wäre eine Truppe aus Golf Soldaten und Polizisten nicht beliebter bei der Bevölkerung? Wir würden den IDF Truppen ziemlich ähnlich sehen.