Nach der NSA-Affäre: Mit Karacho aus dem Amt

Politisch schien er gerettet, nun muss er doch gehen: Gerhard Schindler, Chef des Bundesnachrichtendienstes, fiel wohl die NSA-Affäre auf die Füße.

Porträt Gerhard Schindler

Gerhard Schindler im Juni 2015 im NSA-Untersuchungsauschuss Foto: dpa

BERLIN taz | Am Dienstagmittag stand Gerhard Schindler noch mit Kanzlerin Angela Merkel im Terrorabwehrzentrum in Berlin-Treptow. Gemeinsam mit den Chefs der anderen obersten Polizei- und Geheimdienste besprach der BND-Präsident die aktuelle Sicherheitslage. Es soll seine letzte Runde gewesen sein: Schindler soll gehen.

Schon am Mittwochmittag will Kanzleramtschef Peter Altmaier laut Medienberichten den Nachfolger präsentieren: Bruno Kahl, ein Vertrauter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, früher lange in führender Position im Innenministerium.

Über die Gründe für Schindlers Abgang wird noch spekuliert. Eine offizielle Stellungnahme gibt es nicht. Wurde Schindler die begonnene BND-Reform nicht mehr zugetraut? Sollte ein anderer Kurs in der Terrorabwehr her? Gab es gesundheitliche Probleme? Klar ist nur: Mit dem Karacho, mit dem Schindler ins Amt kam, mit diesem Karacho geht er jetzt auch.

Mit forschem Auftritt – lockere Sprüche, krachendes Lachen – betrat Schindler 2012 seinen Posten. Ein Arbeiterkind aus der Eifel, Jurist, Langstreckenläufer und ehemaliger Fallschirmspringer. Dazu FPD-Mitglied seit Uni-Zeiten, politisch aber stets auf Seiten der Sicherheitsapparate. Schnurgerade lief die Karriere, vom Bundesgrenzschutz durchs Bundesinnenministerium zum BND.

„No risk, no fun“

Dort schlug er mit dem markigen Spruch „No risk, no fun“ auf. Gemeint war: hinein in die Krisengebiete – Afghanistan, Syrien, Somalia. „Als erste rein, als letzte raus“, gab Schindler vor. Er startete eine Entbürokratisierung, ließ seinen Mitarbeitern mehr Freiräume. Er baute die Datenspionage aus. Er rückte den BND näher an die US-Dienste heran. Lieber ein paar Informationen zu viel, als eine zu wenig. All das fiel Schindler später auf die Füße.

Als 2013 die NSA-Affäre auch Deutschland traf, stand Schindler im Fokus. Der BND-Chef, hieß es in den Snowden-Papieren, habe den „dringenden Wunsch“, enger mit der NSA zu kooperieren, suche „Führung und Rat“. Dann tauchte 2015 auch noch eine „Selektorenliste“ auf, mit tausenden NSA-Suchbegriffen, die der BND durch sein Datensystem laufen ließ – auch von befreundeten, europäischen Politiker und Unternehmen.

Stundenlang wurde Schindler im Bundestag befragt, er gab sich reumütig, sprach von einer „Erbsünde“ und versprach eine Reform seines BND. Mehr Kontrolle, mehr Transparenz. Doch die Enthüllungen rissen nicht ab. Fast alle europäische Botschaften in Berlin habe der BND abgehört, hieß es zuletzt. Trotzdem: Die NSA-Affäre verschwand langsam aus der Öffentlichkeit, Schindler schien davonzukommen.

Nun muss er doch gehen. Obwohl sich Schindler zuletzt zur BND-Reform bekannte – während vor allem Bundesfinanzminister Schäuble diese ausbremste. Und ausgerechnet Schäubles Vertrauter soll nun neuer Präsident werden. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) hatte zuletzt für mehr Datenaustausch mit anderen europäischen Diensten plädiert. Mit strengerer Kontrolle, was der BND mit seinen Daten macht, war das möglicherweise weniger kompatibel. Gilt nun also wieder: no risk, no fun?

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