Neue Medienstudie: Löcher in der Berichterstattung

Wenig Kontrolle bei Finanzhilfen, schadstoff-belastete Schulen in NRW, Militärforschung an Unis: Eine neue Studie benennt brisante Themen, die Medien kaum beachten.

Keine Kontrolle durch den Bundestag: der Sonderfonds zur Stabilisierung der Finanzmärkte (SoFFin) in Frankfurt am Main. Bild: dpa

Die mangelnde parlamentarische Kontrolle von Bankenrettungsmechanismen steht in diesem Jahr an erster Stelle der Themenliste, die die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) präsentierte. Nur wenige Experten würden darüber entscheiden, wer wie viel aus den Fonds zur Rettung der Banken bekommt. Eine Kontrolle durch den Bundestag gebe es nicht. Journalistische Berichterstattung, die dem wenig demokratischen Verfahren etwas entgegensetzen könnte, ebenfalls nicht. "Deutschland ist damit auf dem Weg zur Expertokratie - weitgehend unbeachtet von den deutschen Medien", schreibt die Jury auf der Internetseite der Initiative.

Mit der jährlich veröffentlichten Liste will die INA - ein 1997 gegründetes Gemeinschaftsprojekt mehrerer Universitäten - die Öffentlichkeit auf wenig beachtete Themen hinzuweisen. Jedes Jahr kürt das unabhängige Gremium aus Medienwissenschaftlern und Journalisten eine Hitliste mit zehn Themen, die in den Medien bislang nicht aufgetaucht sind, obwohl sie durchaus wichtig wären. "Gleichzeitig stellt schon die Liste als solche Öffentlichkeit für die Themen her", sagt der stellvertrende Chefredakteur Rainer Metzger, der für die taz in der Jury sitzt.

Vielen der Themen, welche die Jury Jahr für Jahr kürt, wird vor allem deshalb zu wenig Beachtung geschenkt, weil sie mit Rechercheaufwand verbunden sind. Die jährliche Veröffentlichung ist also auch eine indirekte Kritik an der Qualität der Berichterstattung. "Vor allem Lokaljournalisten haben wegen der Einsparungen kaum noch Zeit, sich einer aufwändigen Recherche zu widmen, bei der man womöglich auch noch gegen die Behörden arbeiten muss", so Metzger.

In diesem Jahr sei es dem Gremium besonders leicht gefallen, sich für das Top-Thema der Liste zu entscheiden, berichtet Metzger. "Uns war überhaupt nicht klar, wie wenig parlamentarische Kontrolle es bei der Vergabe von Finanzhilfen aus dem Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (Soffin) und aus dem Restrukturierungsfonds gibt", sagt er. "Zwar hört, sieht und liest man ständig von der griechischen Schulden Griechenland, aber wie die Rettungsmaßnamen im Detail funktionieren, davon erfährt man nichts."

Auf den zweiten Platz der vernachlässigten Themen wählte die Jury die flächendeckende Belastung von Schulen in NRW mit Schadstoffen. Zwar hätten die Medien über Einzelfälle berichtet, das gesamte Ausmaß des Sachverhalts bleibt aber ebenso wie das flächendeckende Problem unerkannt.

Platz drei belegt die finanzielle Beteiligung des Bundesverteidigungsministeriums an der Forschung an deutschen Universitäten. Bundesweit hätten sich in den vergangenen zehn Jahren 48 Hochschulen an militärischen Studien und Entwicklungen beteiligt. Eine breite Auseinandersetzung mit dieser interessengeleiteten Finanzierung auf überregionaler Ebene finde jedoch nicht statt.

Blinder Fleck Nocebo-Effekt

Weitere kaum beachtete Themen waren seien die mangelnde medizinische Versorgung von Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland. Auch über Probleme mit der ärztlichen Versorgung in Altenheimen, die Krisenregion Kaukasus, über Doping im Fußball und alternative Geldsysteme werde nicht, oder nicht umfassend genug berichtet.

Über den so genannten Nocebo-Effekt sei ebenfalls zu wenig bekannt, monierte die Demokratieforschungsinitiative. Gemeint ist damit, dass schon das Wissen über Nebenwirkungen von Medikamenten und über Krankheitsverläufe Symptome auslösen kann. "Diese so genannten Nocebo-Effekte können tödlich verlaufen - selbst, wenn der Patient die Worte des Arztes nur falsch verstanden hat und deshalb glaubt, schwer krank zu sein", so die Initiative.

Schließlich sei auch die Misere der Erfinder kaum präsent. Zwar griffen die Medien skurrile Erfindungen auf, über den harten Weg zum Patent, oder die Abhängigkeit Angestellter von ihren Arbeitgebern, werde jedoch nicht berichtet.

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