Nordkorea stiftet Angst und Verwirrung: „Führer, wir warten auf den Befehl“

Nordkoreas Eliten sind berüchtigt für Drohungen nach außen und Repression nach innen. Weniger bekannt ist, wie sie erfahren, was im Ausland passiert.

Szene aus einem Propagandavideo: Nordkoreaner stürmen Seoul. Bild: screenshot taz

BERLIN taz | Einer der vielen Grüße, die den neuen Bischof von Rom, Jorge Mario Bergoglio, in den vergangenen Tagen erreichten, stammte aus Nordkorea: Die „Katholische Vereinigung“ Pjöngjang beglückwünschte Franziskus zur Wahl – und wünschte dem 226. Papst viel Erfolg beim „Bemühen um Liebe, Frieden und Gerechtigkeit“.

Liebe, Frieden, Gerechtigkeit? Ungewöhnliche Töne aus einem Land, aus dem man sonst vor allem Hasstiraden und Warnungen hört: Nordkorea werde, falls provoziert, die USA und Südkorea in einem „Meer von Flammen“ aufgehen lassen, hieß es vor Kurzem. Und in einem aktuellen Internetpropagandavideo marschieren Truppen des Nordens in der südlichen Hauptstadt Seoul ein, nehmen 150.000 US-Bürger als Geisel und vereinigen das seit über sechzig Jahren geteilte Land wieder.

Nach dem dritten Atombombentest und den jüngsten UN-Sanktionen läuft die Kriegspropaganda auf Hochtouren. Die Nordkoreaner sollten sich auf Luftangriffe vorbereiten und Lebensmittel bunkern, Bewohner Pjöngjangs erhielten Sonderrationen Mais, die Armee bestelle Reservisten ein, und überall erklinge das Lied: „Führer, wir warten nur auf den Befehl!“, berichtete die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA.

Niemand weiß, ob das Kriegsgetöse ist, das dazu dienen soll, Stärke und Entschlossenheit des jungen Führers Kim Jong Un zu beweisen – oder ob sich Nordkorea wirklich auf einen Kampf gegen die verhassten USA vorbereiten. Fest steht: Die Bewohner kennen so etwas zur Genüge. Schon der im Dezember 2011 verstorbene Vater des jetzigen Machthabers, Kim Jong Il, hielt das 25-Millionen-Volk mit Kriegsübungen in Atem – und begründete Not, Mangelwirtschaft und Abschottung des Landes mit der Gefahr eines Angriffs der „US-Imperialisten“.

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Der rote Knopf

Was geht in den Köpfen der nordkoreanischen Herrscher vor? Auch Korea-Experten gestehen ein, dass sie keine Ahnung haben. „Wir kennen die Nuklear-Doktrin Nordkoreas nicht“, sagte James Clapper, Berater des US-Präsidenten und Chef der nationalen Geheimdienste, bei einer Anhörung in Washington. Daher könne auch niemand sagen, wann Kim den Zeitpunkt gekommen sehen könnte, auf den roten Knopf zu drücken.

Schon sein Vater gründete seine Außenpolitik darauf, die Welt im Unklaren zu lassen. Die Welt sollte rätseln, wann Nordkorea sich so bedroht fühlt, dass es einen Krieg beginnt oder gar ein nukleares Inferno entfacht. Geheimdienstmann Clapper formulierte es so: „Wir wissen nicht, wann – aus der Perspektive des Nordens – diese Schwelle überschritten wäre.“

Die Hoffnungen, dies würde sich unter Kim Jong Un ändern, sind mittlerweile zerstoben. Obwohl er sich in der Öffentlichkeit jovialer gibt als sein Vater und sich auch mal mit seiner Gattin fotografieren lässt, spricht auch er nur selten mit Ausländern.

Friedliebender Papa

Zu den wenigen Ausnahmen zählte Ende Februar US-Ex-Basketball-Star Dennis Rodman, der mit einigen Spielern der Harlem Globetrotters nach Pjöngjang gereist war. Kims Frau habe kürzlich ein Töchterchen zur Welt gebracht, verkündete er später. Und der frischgebackene Papa wolle gar keinen Krieg – sondern bitte um einen Anruf von US-Präsident Barack Obama.

Verwirrung und Widersprüchlichkeit als Strategie des Machterhalts: Das gehört ebenso zur Realität Nordkoreas wie die Findigkeit der kommunistischen Eliten, sich zu informieren, was im Ausland passiert. Wie sonst wäre möglich, dass Militärs, Ingenieure und Techniker heute trotz jahrelanger UN-Sanktionen nicht nur Plutoniumsprengsätze im Arsenal haben, sondern womöglich auch waffenfähiges Uran anreichern?

Die wenigen ausländischen Geschäftsleute, Lehrer und Entwicklungshelfer, die über längere Zeit in Pjöngjang gelebt haben, berichten übereinstimmend, wie gut ausgebildet zahlreiche Bewohner der Hauptstadt seien: Viele Nordkoreaner könnten nicht nur mit Computern umgehen, sie besäßen auch welche. Nordkoreanische Forscher publizieren inzwischen auch immer häufiger in internationalen Wissenschaftsmagazinen.

Südkoreanische Seifenopern

Die Bevölkerung der Volksrepublik informiert sich mit aus China eingeschmuggelten DVDs und USB-Speicherkarten über das Geschehen im Ausland. Besonders beliebt: südkoreanische Seifenopern. Zudem stehen in der chinesischen Grenzregion starke Mobilfunk-Sendemasten, auf der nordkoreanischen Seite nutzen Händler eingeschmuggelte chinesische Handys.

Der Schweizer Geschäftsmann Felix Abt leitete zwischen 2005 und 2009 die Pharmafirma PyongSu in Pjöngjang. Dort gründete er eine Europäische Handelskammer mit zwölf Mitgliedsfirmen und eine „Pyongyang Business School“, die Managern von Staatsbetrieben Marketing und Rechnungswesen beibrachte. Bereits seit 2007 können Nordkoreaner über ein Intranet, das keine Verbindung zur Außenwelt hat, kommunizieren, berichtet er in einem gerade veröffentlichten E-Book.

Der Software-Entwickler Nosotek des deutschen IT-Unternehmers Volker Eloesser produziert mit nordkoreanischen Partnern in Pjöngjang für Apple und andere Firmen Apps und Computerspiele. Eine kleine, aber feine Minderheit der nordkoreanischen Elite darf gar im Internet surfen. Effekt: Als jüngst in Südkorea die Rechner einiger Banken und Radiosender lahmgelegt wurden, fiel der Verdacht sofort auf Hacker aus dem Norden.

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