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Normalisierung Israels Gewalt in GazaTödliche Abstumpfung

Karim El-Gawhary
Kommentar von Karim El-Gawhary

Das Berichterstatten über Gaza ist zum Verzweifeln, die meisten Le­se­r:in­nen sind abgestumpft – auch deshalb, weil die Politik nichts unternimmt.

Palästinenserinnen warten verzweifelt im Stadtteil Al-Rimal im Zentrum von Gaza-Stadt auf Lebensmittel, am 20. Juli 2025 Foto: Rizek Abdeljawad/Xinhua/imago

E s ist journalistisch zum Verzweifeln. Die Lage im Gazastreifen wird immer schlimmer, aber medial ist sie schon längst zur Pflichtveranstaltung verkommen. Denn das „Schlimmer“ kämpft gegen die kurze medialen Aufmerksamkeitsspanne an. Haben wir alles schon gesehen und gehört, heißt es: Der tägliche kurze Bericht über mehrere Dutzend Tote an den israelisch-amerikanischen Essenverteilstellen der dubiosen Gaza Humanitarian Foundation (GHF); die Bilder von Menschen in Zelten, die erzählen, dass sie kaum mehr etwas zu essen finden. Die Einstellungen aus einem Krankenhaus mit den abgemagerten Kinderkörpern in dieser menschengemachten Katastrophe und natürlich die wiederkehrenden Aufnahmen von einem Meer von Kindern mit leeren Blech- und Plastikschüsseln.

Irgendwann macht der Schock der Taubheit Platz. Dann sitzen wir in Redaktionskonferenzen und fragen: Wie können wir die Geschichte weiterdrehen, sie spürbar machen? Dann kommen wir mit den Statistiken der Hilfsorganisationen, die versuchen, Hunger wissenschaftlich in Zahlen zu kategorisieren, die viel und doch wieder nichts aussagen, weil sie keine Namen haben. Oder wir finden einen amerikanischen oder deutschen, im besten Fall „bio-weißen“ Arzt in Gaza, der über Unterernährung seiner Patienten erzählt oder davon, mit welchen Schusswunden sie von den Verteilstellen auf einem Eselskarren zum Spital transportiert wurden, weil es keinen Treibstoff mehr gibt.

Doch die Taubheit bleibt. Wohl auch, weil all diese Berichte politisch nichts bewirken. Statt aufzuschreien, sitzt die Politik das Ganze aus. Es ist wie eine Decke, die über uns gezogen ist, die nicht durchdrungen werden kann. Deutsche Staatsräson, leere EU-Nahost-Wort­hülsen, Trump’scher Wahnsinn – die Decke hängt tief. Und wir darunter werden immer abgestumpfter.

Es ist journalistisch zum Verzweifeln. Aber wie klein und unbedeutend ist diese Verzweiflung im Vergleich zu jener der Menschen in Gaza, über die wir berichten. Sie kämpfen mit ihren Familien jeden Tag ums Überleben, wir nur darum, uns am Morgen als Journalisten im Spiegel ansehen zu können. Dann fragt uns unser Gewissen wie jeden Tag: Was können wir recherchieren, ­schreiben und erzählen, damit die Abgestumpften wieder etwas spüren.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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41 Kommentare

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  • Wenn der Leser diejenigen, nämlich Soldaten des IDF, die tagtäglich an den Lebensmittelazsgabestellen in Gaza zwischen 30- 90 Zivilisten abknallen, als Mörder bezeichnet, wird dieser Kommentar von der TAZ- Redaktion nicht veröffentlicht. Warum? Handelt es sich doch um Mord mit Vorsatz und damit schwerster Kriegsverbrechen. Ist die IDF für die TAZ auch die " moralischste Armee der Welt"?

  • Warum wird nicht mehr Druck auf die Hamas und die sie unterstützenden Organisationen und Staaten aufgebaut?



    Dass der Auslöser des Krieges das Massaker vom 7.Oktober 2023 war spielt in der medialen Berichterstattung kaum noch eine Rolle, genausowenig dass es immer noch Geiseln in den Händen der Hamas gibt. Diese haben doch kein Interesse am Ende des Krieges. Umso mehr Opfer in Gaza, um so stärker wächst der Antisemitismus weltweit und fordert seinerseits seine Opfer. Das ist deren grausame Logik.



    Klar ist auch, hätte Israel keine Waffen mehr würden alle Israelis dasselbe Schicksal erleiden wie die Opfer vom 7. Oktober 2023.

  • In der deutschsprachigen Presse ist die Berichterstattung zu Israel und Gaza ein unrühmliches Kapitel der Parteinahme für Israel. Explizit oder implizit. Nicht hinhören. An Tatsachen vorbeischauen. Gar nicht berichten. Die Beschimpfung der Leser:innen ist fehl am Platz, wenn die nicht wirklich wissen, was geschieht.

  • Kriegsverbrechen sind eben das: Verbrechen. Allerdings sind die Betrachtungsweisen sehr unterschiedlich. Was Putin treibt, das wird heftig kritisiert, was Netanjahu treibt das wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl das viel schlimmer erscheint. Diese Doppelmoral der Politiker*innen ist unerträglich. Doch es gehört auch zu den Tatsachen, dass die Gesellschaft sowohl von den Nachrichten aus der Ukraine als auch aus dem Nahen Osten genervt ist. Man will seine Ruhe haben und alles Elend, Blut und Gewalt einfach verdrängen, das stört beim Genuss des Urlaubs oder einer Musikshow. Und die Politik verhält sich genauso. Eine faire und mutige Behandlung derartiger Geschehnisse ist lästig und stört den Ablauf hierzulande. Mit einem Wort: das alles ist Bigotterie! Wir machen es uns bequem und schauen weg.

  • Ja, genau so ist es. Ich versuche selbst dauernd, nicht die Spannung zu verlieren und weiter Artikel zu teilen etc. Aber die Tatsache, dass das alles an der Regierung abprallt, macht einen völlig hilflos. Das ist ja auch einer der Gründe, warum sich immer mehr von demokratischen Parteien abwenden und irrsinnigerweise die AfD attraktiv finden - was mir auf keinen Fall passieren wird.

    Aber welche Mittel hat man, außer reden, demonstrieren, Artikel teilen und kommentieren, Petitionen unterschreiben?

    Und wenn ich dann die Nachrichten in den ÖRR schaue, dann wird zwar über das Leid berichtet, aber kein Ton darüber verloren, dass Deutschland weiter Waffen liefert, keinerlei Sanktionen verhängt und im Übrigen auch keinen Repekt für den IGH order IStGH hat.

    Die einzige existierende Opposition hat nur 9% im Bundestag und wird sowieso immer ignoriert, die Linke.

  • Normalisierung von Israels Gewalt in Gaza – Tödliche Abstumpfung

    Vielleicht sollte die deutsche Politik stärker damit konfrontiert werden. 28 Staaten fordern ein Ende des Krieges – Deutschland jedoch nicht!

    Immerhin soll Bundesaußenminister Wadephul angesichts der Ausweitung der israelischen Offensive im Gazastreifen „tief besorgt“ sein – wie traurig!

    Die Einladung von Friedrich Merz an den vom IStGH wegen Kriegsverbrechen gesuchten Netanjahu ist weiterhin gültig.



    Sein Innenminister präsentiert täglich stolz seine „Erfolgsquoten“ bei der Jagd auf „irreguläre Migration“.

    Aber wenn – sinngemäß – nur die Tür einer Synagoge neu lackiert wird, hält der Bundespräsident bereits eine Rede.



    Leider sind die Strukturen hier so.

    Deshalb ist das Buch „Die Verdammten dieser Erde“ von Frantz Fanon auch nach 64 Jahren immer noch hochaktuell.

  • Ich denke nicht, dass das Lesepublikum (zumal der taz) in dieser Frage abgestumpft ist. Mir klingt das eher nach Redaktionsproblem: Wie über das immer gleiche, sich wiederholende Grauen berichten, ohne dass es wie "yesterday's news" klingt.



    Schreibt einfach weiter, und zwar laut. Überhaupt nicht oder unter "ferner liefen" berichten wäre noch viel schlimmer.

  • Ihrer Verzweiflung kann ich mit einem möglicherweise sachdienlichen Hinweis evtl. etwas Hoffnung einhauchen.



    Schauen Sie mal in Printmedien ausserhalb des Deutschen Sprachraums.



    Selbst CNN, BBC & SKY news zeigen nun - nach 2 Jahren Weigerung - Bilder von an Unterernährung gestorbenen Babies und Kleinkinder, zeigen Bilder von im Schutt ihrer Häuser begrabenen Opfern der IDF, oder Röntgenbilder von Schusswunden in Kinderhälsen und -Schädeln. Berichten von gezielten Schüssen in Genitalien von Kindern, durch IDF Sniper. Oder hinterfragen das lange wiederlegte Narrativ der Hilfslieferungen plündernden Hamas.



    Wenn Sie hier ihre Möglichkeiten die Lesenden zu erreichen bedauern, wprden Sie Dem Glaubwprdigkeit verleihen, wenn Sie vorher alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.



    Der Deutschland-eigene Spagat zwischen einer nicht vermittelbaren Staatsräsonsauslegung der Bundespolitik und Medienschaffenden und der Realtität - die weder von der Bundespolitik akzeptiert und bearbeitet wird, noch von Deutschen Medienschaffenden in Berichterstattung wiedergegeben wird - ist der Grund warum Sie die Leute nicht erreichen.



    Die sind nicht abgestumpft, sondern eingelullt und schlecht informiert.

  • Oder könnte die Geiseln freilassen und kapitulieren...

  • Ich habe über das Thema gestern selbst nachgedacht. In ein paar Stichpunkten, was ich in den letzten bald 2 Jahren beobachtet habe:

    Wir hören im Radio und TV immer und immer wieder von "Eskalation" und "Zuspitzung" und vor der Sorge, dass das geschieht. Aber die Lage ist ja schon katastrophal, das ist schon nicht mehr auszuhalten und keinem Menschen zuzumuten, was sich in Gaza täglich abspielt. Die verwendete Sprache ist hier untauglich und verschleiernd.

    Die Meldungen werden in aller Regeln für sich gesendet, kein Bezug zu vorangegangenen Ereignissen. Der wievielte Zwischenfall war das nun bei der Essensverteilung, die wieviele tote Journalistin, wie viele Tote bei Angriffen auf Rettungstransporten insgesamt und auch Nennung vorheriger Vorfälle ähnlicher Art sind Mittel, um Kontinuität und fortgesetztes Unrecht zu vermitteln. Das geschieht in den Nachrichten meiner Meinung nach viel zu selten.

    Seit den ersten Tagen stört, dass Palästinenser im Unterschied zu Israelis in der Berichterstattung keine Individuen mit Name, Geschichte und Bild sind.

    Israel hat durch hohe Vertreter Aussagen getätigt, die inakzeptabel sind und derzeit umgesetzt werden. Die muss man immerfort zitieren!

  • Ja, ist eine gute Frage.

  • Die Quälereien, die Israel an den Palästinensern verübt, zielen vermutlich darauf ab, die Bevölkerung zu zermürben, um sie zum "freiwilligen" Verlassen des Gaza-Streifens zu veranlassen. Es geht wohl darum, die Vertreibungspläne voranzutreiben. Stoppen könnte solche Aktionen die US-Regierung, aber das tut sie eben nicht.

  • Wir werden es nicht vergessen.

  • Ich glaube nicht, daß das Problem die Aufmerksamkeitsspanne ist.

    Das Problem ist der blanke antiarabische Rassismus, für den ein palästinensisches Leben keinen Wert hat.

  • Es ist jetzt an Deutschland, dort dieselben universalen Maßstäbe anzulegen, nicht weniger, nicht mehr.



    Es ist an Deutschland, Netanyahu einzuladen und in Den Haag abzuliefern.



    Palästina anzuerkennen, für das Ende der Besatzung zu sorgen, Lebensmittel über Palästina abzuwerfen, um den hassenden Extremisten auf beiden Seiten den Boden zu entziehen.

  • Das ist schon tragisch, doch das emotionale Engagement in diesem Konflikt übertrifft ja nun wirklich alle anderen Konflikte der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit. An der Grausamkeit und der Anzahl der Toten kann es nicht liegen, erinnere mich jedenfalls nicht an große Anteilnahme für die Opfer im Sudan, Äthiopien, Jemen oder Kongo. Der aufmerksamen taz-Leserschaft sicher nicht entgangen, aber irgendwie nicht so "packend", oder was? Oder liegt es doch an den beteiligten Gruppen im Gaza Konflikt? Etablierte Vorstellungen und perfide-professionelle Medienstrategien?



    Was diverse Regierungen angeht: das ist alles Macht Politik und Krieg , glaubt irgendwer wirklich dass Menschenleben oder "Moral" da eine Rolle jenseits von Einsatzfaktoren spielen?



    Im Übrigen bin ich der Meinung dass Netanjahu in den Knast und die Hamas vernichtet gehört.

  • Die Diagnose ist schon richtig, aber was wäre die Therapie? Was tun! Auf die Straße gehen und zeigen, dass man nicht einverstanden ist mit dem Ignorieren und Aussitzen.

  • Die Politik sitzt nicht aus, die Politik ist einfach zum grossen Teil, es tut mir leid, einfach doof. Beim ersten BDS Beschluss des Bundestages gab es einen kritischen Brief, unterschrieben von 200 angesehenen Wissenschaftlern, bekannten Holocaustspezialisten, aus den USA und auch Israel. Was haben die Politiker gemacht (ausser einige der Linke), keinen Kommentar. Hier dasselbe, man hat einfach das Gefühl, Politiker haben kein Wissen, sondern nur Meinungen, deren Grundlagen sie oft nicht kennen. Und daher eben auch die so wichtige Rolle einer freien Presse und ihr ungehinderter Zugang.

  • Ich spüre etwas und es ist für mich als Einfachnurmensch zum verzweifeln. Es ist unerträglich. Was soll ich tun? Mir sind Tränen gekommen als ich von diesem Schiff mit unter anderem Greta Thunberg drauf gelesen hatte. So weit, so verzweifelt ist es in mir. Oder von der Gruppe, die über Ägypten nach Gaza gehen wollte und die das dann abgebrochen hat. Die ganze Welt sieht zu dabei. Bei diesem Leid. Deutsche Waffen… unsere Geschichte. Ich weiß von noch mehr Leid auf der Erde. Was heißt ich weiß … Ich lese, höre davon. Sehe Fotos. Was aber in Gaza geschieht ist für mich zum Verzweifeln auf besondere Art. Also bin ich nicht taub. Nur machtlos.

  • Ich bin in keinster Weise abgestumpft, die taz schon, sie veröffentlicht keinen meiner Kommentare zum israelischen Völkermord an den Palästinensern.

    • @Alberta Cuon:

      Das ist bedauerlich, jetzt immerhin wird erstmals einer veröffentlicht. Ich kann ihnen vergewissern, dass auch ein großer Teil meiner dicht gestrickten Kommentare leider nicht das Licht der Welt erblickt hat.

      Man muss eben immer wieder darauf hinweisen, dass in unserem Land die Doppelstandards eben nicht wirklich gegen Israel angewendet werden, sondern als Tabu für Israel arbeiten. Hier der Beleg:

      Nennen sie mir ein Land, das in letzter Zeit vergleichbare Taten gegen eine Region oder ein anderes Land begangen hat. Da fällt es schon sehr schwer eins zu finden. Das ist aber noch nicht alles. Welches Land, das schlimm gegen Menschen vorgeht, Menschenrechts- und Kriegsverbrechen an anderen Völkern/Nationalitäten begeht, wird denn nicht heftig dafür kritisiert?

      Das ist alles, was man darüber wissen muss. Die Fragen liegen klar da. Es ist bei beiden Fragen sehr schwer, Beispiele zu finden in dem Ausmaß, wie es bei Israel der Fall ist.

    • @Alberta Cuon:

      Das geht mir ähnlich. Ob wir den Tag noch erleben, an dem eine Deutsche Zeitung dieser israelischen Regierung klar Völkermord vorwirft?

    • @Alberta Cuon:

      Wenn die taz einen Kommentar nicht veröffentlicht, muss er schon sehr fragwürdig sein, hier geht doch ziemlich alles durch (ist ja auch gut so)

    • @Alberta Cuon:

      Hm, schwierig. Ich finde, ehrlich gesagt, die Auswahl auch etwas zufällig und habe bisher auch nirgendswo gefunden, wer eigentlich auswählt, kann da der Autor eines Artikels mitreden ? Ich habe auch ein oder zweimal (also vorhanden, aber nicht oft) Kommentare gesehen, die meines Erachtens rassistisch waren. Sicher ist das keine einfache Aufgabe, zu moderieren, aber ein wenig Aufklärung wäre ganz hilfreich.

  • Bei aller Gleichgültigkeit in D: Der israelische Staat unter Führung inakzeptabler Regierungsmitglieder wie Ben N. begeht und duldet Kriegesverbrechen (Gaza) und solche gegen das Völkerrecht (Westbank), und wir unterstützen das oder lassen es „aus Stadtsreason“ zu? Das ist nicht mein Staat!

  • "Die Politik sitzt das Ganze aus"

    Würde ich pauschal nicht behaupten. Es gibt zwei große Blockierer, die USA und Deutschland. Letzteres besonders in Hinblick auf EU Beschlüsse und Sanktionen.

    Jüngstes Beispiel die heutige Erklärung von 28 Staaten unterzeichnet, darunter

    Foreign ministers of Australia, Austria, Belgium, Canada, Cyprus, Denmark, Estonia, Finland, France, Iceland, Ireland, Italy, Greece, Japan, Latvia, Lithuania, Luxembourg, Malta, The Netherlands, New Zealand, Norway, Poland, Portugal, Slovenia, Spain, Sweden, Switzerland and the UK.

    Das Statement war eindeutig. Ende des Gaza Krieges, freier Zugang zu Nahrungsmitteln, Ende der Siedlergewalt, Ablassen von den Umsiedlungsplänen und Freilassung der Geiseln.

    Deutschland teilt diese Positionen offensichtlich nicht und gehört nicht zu den Mitunterzeichnern. Die Regierung lässt lieber Vertreter der Taliban einreisen für die Ausstellung von Reisepässen, damit die Abschiebeflüge demnächst direkt nach Afghanistan durchgeführt werden können.

    Da kann sich jeder selbst ein Urteil bilden.

    Hier der Link zur Erklärung GOV UK



    www.gov.uk/governm...tinian-territories

    • @Sam Spade:

      Ich denke, "die Politik sitzt das aus" bezieht sich im Wesentlichen auf die deutsche Politik. Und dafür stimmt es 100%ig.



      Wenn man sich noch mehr frustrieren lassen will, schaut man am besten regelmäßig die Bundespressekonferenz. Dort fragen JournalistInnen immer hartnäckig danach, werden aber mit idiotischen Phrasen abgewiesen. Wer wissen will, wie stark die Regierung an Volkes Meinung interessiert ist, wird da gut bedient. Das ist Interesse ist exakt Null.

    • @Sam Spade:

      Ich stimme zu, dass das Statement ein wichtiger Schritt ist, um die von Israel stets behauptete "Legitimität" (Selbstverteidigung) ihrer täglichen Kriegsverbrechen stärker als bislang öffentlich zu machen. Das Statement stimmt ziemlich genau mit UN-Forderungen und Amnesty International Forderungen überein, die, weil sie dies fordern, nicht nur von Israel, sondern auch von ihren unbeirrbaren Unterstützern USA und Deutschland deligitimiert und von gesellschaftlichen Gruppen aus diesen Ländern mit Shitstorms überzogen wurden. Leider fehlt auch in diesem Statement der Beschluss von Maßnahmen, den auch Einzelstaaten (die Unterzeichnenden) umsetzen können und ähnlich wie beim völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine beginnend mit einzelstaatliche Sanktionen (die den EU-Sanktionen vorangingen) ein stärkeres Stoppschild als mahnende Worte darstellen würden. Denn gegen verbale Kritik ist die aktuelle israelische Regierung komplett immun, Sanktionen nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen Länder, die weiterhin Waffen an eine Kriegspartei schicken, gegen die erdrückende Beweise für genozidale Kriegsführung vorliegen, würden womöglich auch Deutschland zum Umdenken bewegen.

    • @Sam Spade:

      "Das Statement war eindeutig. Ende des Gaza Krieges, freier Zugang zu Nahrungsmitteln, Ende der Siedlergewalt, Ablassen von den Umsiedlungsplänen und Freilassung der Geiseln."

      Das sind gute Ziele, denen kann ich zustimmen. Es gibt aber, vor allem aus jüdisch-israelischer Sicht, noch einen Punkt: Schutz und Sicherheit vor den Gewalttaten, vor den Angriffen der Hamas. Ich will hier nicht behaupten, dass dies das einzige Motiv für den Gaza-Krieg ist. Aber das Ziel als solches, diese Sicherheit, ist ein Punkt, der aus menschenrechtlicher Sicht ein legitimes und wichtiges Ziel ist. Und mit den hier genannten Zielen des Statements nicht abgedeckt ist. ... Und da sind wir schon wieder mitten in den Schwierigkeiten des Nahost-Konflikts.

  • Etwas spüren ist das Eine, was erreichen können ist das Andere. Wo landen die Spenden, die Petitionen, die Kritik an Netanjahu und der Hamas? Es ist ja nun nicht so, dass es gar keine Reaktionen der Welt auf den Krieg in Nahost gibt. Gibt es die auch gegenüber den anderen Hungerkrisen der Welt?

  • Mir fehlt schlicht das Vertrauen. Die "Berichterstattung" erinnert zu stark an Alina Lipps Berichte aus der Ostukraine.

  • ja, es ist zum verzweifeln.



    das einzige, was jetzt hilft, sind massenproteste. die menschen müssen auf die straßen.

  • Hamas/Iran hat den Krieg begonnen, militärisch von Anfang an verloren, hält ihn trotz vielfacher Bemühungen Israels diesen zu beenden, aufrecht.

    Ziel, den westlichen latenten Antisemitismus auf offen zu schalten. Was Hamas/Iran auch bestens gelingt.

    Beispiel für die längst offensichtliche Strategie: So hatte der israelische Verteidigungsminister Gallant in einem Brief an Chamenei darum gebeten nach den militärischen Verlusten Irans den Krieg zu beenden und sich stattdessen auf das Wohl und die Zukunft des eigenen (iranischen) Volkes zu konzentrieren.

    Chamenei antwortete auf seiner offiziellen Webseite, das wahre Schlachtfeld liege nicht im Territorium »sondern in der Beeinflussung der öffentlichen Wahrnehmung«.

    Und das hat er verdammt gut hingekriegt:

    Michel Houellebecq bezeichnete den aktuellen Antisemitismus in Europa als "monströs". In den arabischen Ländern sieht es noch schlimmer aus. So in vielen anderen Teilen der Welt.

    Die großen Verlierer/Opfer sind die Palästinenser:innen. Spielball in den Händen Teherans und der Hamas. Die natürlich ihre Macht nicht abgeben möchten.

    Volle Solidarität mit Juden/Jüdinnen weltweit und den notleidenden Palästinenser:innen!

  • "Es ist wie eine Decke, die über uns gezogen ist, die nicht durchdrungen werden kann. Deutsche Staatsräson, leere EU-Nahost-Wort­hülsen, Trump’scher Wahnsinn ..."

    Apropos die "deutsche Staatsräson", die einst von Angela Merkel proklamiert wurde:

    Hat Merkel sich eigentlich schon mal zu ihrer Wortschöpfung und was ihre Nachfolger Scholz und Merz daraus machen, geäußert?

  • Der Kommentar beschreibt treffend das Dilemma des Journalismus bei langanhaltenden Krisen. Dennoch fällt auf, dass das mediale Trommelfeuer über Gaza in einem merkwürdigen Missverhältnis zu der oft rudimentären Berichterstattung über andere dramatische Konflikte steht: etwa im Südsudan, Kongo, Jemen oder Tigray. Auch der Krieg in der Ukraine erscheint für viele bereits als Hintergrundrauschen – trotz Tausender Opfer, nordkoreanischer Soldaten und iranischer Drohnen, die kaum noch Aufmerksamkeit erzeugen.

    Während Gaza häufig im Fokus steht, bleiben andere menschliche Tragödien oft Randnotizen. Hier wäre eine selbstkritische Reflexion erforderlich: Warum erreichen manche Konflikte dauerhafte mediale Präsenz, andere kaum? Der Journalismus selbst und seine Aufmerksamkeitsdynamiken tragen dazu bei, dass Leid selektiv sichtbar wird oder unsichtbar bleibt. Die große Enttäuschung darüber nichts zu bewirken, lässt Zweifel aufkommen an der Trennung zwischen journalistischer und aktivistischer Tätigkeit.

  • Ich war schon grundsätzlich der Ansicht das Israel ein Recht hatte gegen die Hamas zurückzuschlagen, aber nach zwei Jahren Krieg in denen es entweder nicht fähig oder nicht willens war die Hamas in Gaza zu besiegen ist es an der Zeit Frieden zu schließen. Hungernde Menschen zu beschießen und Gaza mit tausenden Bomben und Granaten zum 5ten Mal umzugraben wird Israel nicht sicherer machen. Israel hat die einmalige Chance mit Syrien und Libanon Frieden zu schließen, Saudi-Arabien ebenfalls. Der Iran ist geschwächt, Hezbollah und Hamas sind nahezu ausgelöscht. Aber stattdessen will Netanjahu einen Dauerkrieg um nicht ins Gefängnis zu müssen, das kann man nicht mehr unterstützen.

  • Und während Großbritannien, Australien, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Lettland, Litauen, Luxemburg, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowenien und Spanien endlich etwas mehr Druck auf Israel machen, steht Deutschland weiterhin stumm an seiner Seite und ist damit beschäftigt, Kritiker:innen als Antisemit:innen zu diskreditieren und einzuschränken.



    Aber es ist ja nicht das einzige Feld, in dem die Bundesregierung ideen- und konzeptlos agiert. Nur halt eines, das täglich Menschenleben fordert.

  • Die Proteste in Deutschland müssen sehr viel radikaler werden. Aktionen, wie Blocksden, Anketten, Besetzungen waren früher normal zu weitaus geringeren Anlässen. Auf Parteien wie die Linke zu warten, hat sich als Chimäre erwiesen, wie die von ihr gecancelte Zentraldemo in Berlin zeigt,...und dies aus Angst in die passpartout Antisenitidmusecke geschoben zu werden. Die Bundesregierung mag im Gegensatz zu Frankreich und England nicht für eine sofortige Beendigung des Angriffskrieges Israels stimmen, die Deutschen sollten aber aus ihrer Geschichte gelernt haben: Nie Wieder!

  • Irgendwann macht der Schock der Taubheit Platz. Dann sitzen wir in Redaktionskonferenzen und fragen: Wie können wir die Geschichte weiterdrehen, sie spürbar machen?

    Bei allem Respekt den Opfern in Gaza gegenüber. Wo waren diese richtigen Gedanken als Palästinenser unter der Hamas gelitten haben? Wo war da der anhaltende Kampf und der mediale Fokus auf Gaza? Wenn Palästinenser sysrematisch andere Palästinenser foltern und ganze familien auslöschen ist es olay weil? Was dort geschieht ist eine Tragödie. Was davor in Gaza unter der Hamas passiert ist war ebenfalls eine Tragödie! Wo waren die amhaltenden Artikel über Syrien? Über die Ukraine? Kein Konflikt bekommt so viel Aufmerksamkeit, gerade aus linken Kreisen, wie Gaza. Und meist sehr einseitig.

  • "Die Politik" - die wir tatsächlich alle selber jeden Tag und in jeder Sekunde sind,



    "unternimmt nichts"



    weil tatsächlich kaum jemand einfordert, dass es etwas unternommen wird. Und die es tun, angeblich durchgehend so sind wie man selbst ja auch nicht sein will. Was immer das sein soll.

    Im Moment haben wir in der Hauptsache ja so eine Diskussion, dass irgendwas mit links schuld ist.



    Und der Antisemitismus.



    Ein Begriff inzwischen bis zur Unkenntlichkeit der Nützlichkeit untertan gemacht.

    Während die gewalttätigsten, messianischsten Machtbehauptungen durchmarschieren.

    Es ist eben materieller Ernst.

    Es gilt als Skandal der fortgesetzten angeblichen Entlarvung des Faschismus nicht störungsfrei zusehen zu können. Im Sommerinterview. Vor Rosamunde Pilcher.



    Eines ominösen Faschismus, der man selber angeblich nicht ist.



    Denn man...entlarvt ihn ja...



    ..ohne wissen zu wollen, wie gotteserbärmlich Erbärmlich von erbärmlichen Leuten Faschismus in Alltagspraxis umgesetzt wird.



    Ohne jedes weitere Geheimnis. Als das es die erbärmlichsten Existenzen waren, die Millionenmord organisierten.

  • Eine Situation, die jedoch zumindest teilweise auch selbstverschuldet ist. Hat man doch gerade zu Beginn des Krieges, wohl auch aus Furcht des Antisemitismus beschuldigt zu werden, doch sehr unausgewogen berichtet. Und hat viel zu lange den Erzählungen der israelischen Armee unwidersprochen geglaubt. Und tendenziell jede andere Stimme des Antisemitismus beschuldigt. Und dabei auch überzogen. Es war schon früh absehbar, dass das israelische Vorgehen eben nicht vom Völkerrecht gedeckt ist.



    Und von der Politik Konsequenzen zu erwarten, wo doch jede Maßnahme gegen israelische Politiker hierzulande als potentiell antisemitisch dargestellt wird, ist dann halt auch etwas blauäugig. Welcher Politiker würde sich einen solchen Shitstorm aussetzen wollen?