Occupy-Proteste in den USA: Polizei blockiert Blockade

Mit Sitzblockaden in mehreren US-Städten hat die Occupy-Bewegung am Donnerstag demonstriert. Mehrere hundert Demonstranten wurden festgenommen.

"Immer einen Schritt außerhalb der eigenen Bequemlichkeitszone": Occupy-Demo in Seattle. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Zwei Tage, nachdem die Polizei in New York die BesetzerInnen vom Zuccotti-Park vertrieben und nachdem wenig zuvor auch die demokratischen BürgermeisterInnen von Dallas, Oakland und Portland Occupy-Camps in ihren Städten haben räumen lassen, hat die Bewegung am Donnerstag erneut Stärke gezeigt.

Mit Sitzblockaden auf Straßen quer durch die USA und auf Brücken über den Mississippi und den Chicago River. Die Polizei hat mindestens 300 Menschen festgenommen, in den meisten Fällen wegen "Verkehrsbehinderung".

In New York, wo die Occupy Bewegung zu ihrem eigenen zweimonatigen Jubiläum eigentlich die Börse lahm legen wollte, übernahm die Polizei die Blockade. Sie verbarrikadierte schon vor dem Morgengrauen das Finanzviertel mit Absperrgittern und schickte Tausende BeamtInnen in Kampfuniform, zu Motorrad und zu Pferde zur Börse.

Die "99 Prozent" setzten sich am Donnerstag immer wieder in kleinen Gruppen im Finanzviertel von New York auf den Aspahlt. Während PolizistInnen, an deren Gürteln Dutzende weiße Plastikschellen baumeln, heranrückten, skandierten sie: "Verhaftet Bloomberg". Der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, hat seit dem Beginn der Bewegung mehrere martialische Polizeieinsätze organisiert. Bei dem ersten davon nahm seine Polizei 80 Personen fest und traktierte drei junge Frauen aus unmittelbarer Nähe mit Pfefferspray.

Bei der zweiten nahm sie 700 Personen auf der Brooklyn-Brücke fest. Bei der dritten räumte sie überraschend den Zuccotti-Park in der Nacht zu Dienstag. Und warf sämtliche Zelte, sowie die auf 5.000 Bücher angeschwollene Gratis-Leihbibliothek auf den Müll. Landesweit sind nach einer Rechnung des Journalisten Thom Hartmann bis Mittwoch dieser Woche 4.049 BesetzerInnen festgenommen worden.

"Wo ist Obama?"

"Sie haben uns herausgeschmissen", schreibt nach der Räumung von New York der Blogger Greg Palast, "aber so etwas passiert jedes Jahr fünf Millionen Amerikanern mit ihren Häusern. Es wird uns nicht aufhalten". Vor den Räumungen haben BürgermeisterInnen aus vielen Orten der USA bei telefonischen Konferenzschaltungen Tipps über den möglichen Umgang mit PlatzbesetzerInnen ausgetauscht.

Doch die Strategie des harten Druchgreifens geht nicht auf. Die Protestbewegung ist auch nach den jüngsten Polizeieinsätzen erneut stärker geworden. "Das verschwindet nicht mehr einfach", sagte am Donnerstag der Harvard Dozent für Politik, Marshall Ganz, "damit muß man umgehen".

Die Buchautorin Barbara Ehrenreich hat in den zurückliegenden zwei Monaten Besetzungen und Protestaktionen an 1.400 Orten der USA gezählt. "Diese Bewegung hat sich ausgebreitet, wie keine andere seit der großen Depression der 30er Jahre", sagt sie. Und prognostiziert, dass Rückschläge wie Räumungen die Bewegung nicht beenden werden.

Bei einer Telefonkonferenz hält der Chef des Washingtoner Think Tank IPS, John Cavanagh, fest, dass die Occupy-Bewegung praktisch keine Unterstützung von der demokratischen Spitze bekommt. Er fragt: "Wo sind Barack Obama und die anderen demokratischen Politiker, die noch vor einigen Monaten so vollmundig die Proteste in Ägypten gelobt haben?"

Nächste Schritte

Unterdessen diskutiert die Occupy-Bewegung ihre nächsten Schritte. An vielen Orten hält sie weiterhin besetzte Plätze – manche mit gerichtlicher Genehmigung, andere mit Duldung durch die lokale Politik. Überall bekommt sie logistische und finanzielle Hilfe von Kirchengruppen und von traditionellen linken Organisationen.

Und Meinungsumfragen zeigen, dass das Verständnis für ihre Anliegen in der Bevölkerung groß ist. Darauf reagieren auch jene US-Medien, die anfänglich die Occupy-Bewegung verschwiegen und später verspottet haben. Inzwischen benutzen sie ganz selbstverständlich den Begriff der "99 %".

In Manhattan haben einige hartgesottene BesetzerInnen seit Dienstag ohne Zelt und ohne Schlafsack im Zuccotti-Park übernachtet. Andere Vertriebene halten nach neuen Aktionsformen Ausschau. Im Gespräch sind unter anderem dezentralere, kleinere und beweglichere Besetzungen.

Eine Grundregel nennt Dorli Rainey aus dem Bundesstaat Seattle: "Immer einen Schritt außerhalb der eigenen Bequemlichkeitszone". Die 84jährige ist in dieser Woche berühmt geworden, nachdem die Polizei ihr Pfefferspray ins Gesicht gespritzt hat. "Mir geht es prima", sagt die alte Dame am Tag danach im Fernsehen, "es ist unglaublich, wie anregend ein bisschen Pfefferspray wirken kann".

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