"Occupy" in Frankfurt/Main: Kapitalismuskritik im Abendprogramm

Die Bankendemos werden kleiner. Das Protestcamp in Frankfurt wächst. Zeltaktivist Costantino Gianfrancesco über die Perspektiven der Bewegung.

Occupy-Aktivisten in Frankfort am Main. Bild: reuters

Die Bankenproteste gehen in die dritte Woche. Die Demonstrationen werden kleiner. In Frankfurt demonstrierten am Samstag knapp 3000, in Berlin rund 1000 Menschen. Ist die Operation Occupy Deutschland gescheitert?

Costantino Gianfrancesco: Nein. Occupy will in erster Linie einen systemkritischen Diskurs initiieren und aufrecht erhalten, der bisher in unserer Gesellschaft nicht ausreichend stattgefunden hat. Das haben wir erreicht. Wir sind in den Medien. Bei Maybritt Illner und Anne Will. Wir üben Kapitalismuskritik im Abendprogramm. Wir sagen öffentlich Dinge, für die man uns vor fünf Jahren noch als Kommunisten beschimpft hätte.

Das genügt euch?

ist 35 und Politologe. Er hat Attac Frankfurt mitgegründet, reiste zu allen großen Demos der Globalisierungskritiker in Europa. Er sitzt für die Grünen im Frankfurter Ortsbeirat und engagiert sich bei Occupy.

Konkrete Forderungen arbeiten wir jetzt aus. Aber das dauert. Die Frage ist: Wie viel wollen wir im Moment überhaupt an Forderungen nach außen geben? Es ist die Methode der Mainstream-Presse, dass sie gleich nach einem Anführer und nach Konzepten fragt. Wir widerstehen diesem Druck. Im Camp bildet sich gerade eine Diskussionskultur, die ich in vierzehn Jahren, die ich politisch aktiv bin, noch nicht erlebt habe. Wir brauchen Geduld.

Manche Kritiker werfen euch Unwissenheit vor. Versteht ihr die Finanzmärkte, gegen die ihr protestiert?

Wir müssen nicht das ganze System verstanden haben, um aktiv zu werden. Wenn eine Bombe vor mir explodiert, dann ist mir egal wie sie gebaut ist. Oder nehmen wir das Beispiel Kernenergie: Ich bin gegen Atomkraftwerke, obwohl ich nicht im Detail weiß, wie sie funktionieren. Weil ich weiß, dass sie gefährlich sind. Gefährlich und kompliziert. So ist es auch mit den Finanzmärkten.

Die Proteste sind mehr als ein Ausdruck von Unbehagen?

Der Begriff "Unbehagen" wird der Dramatik und Intensität der Probleme, mit denen wir uns konfrontiert sehen, nicht gerecht. Wir sehen ganz klar, dass es nicht weitergeht wie bisher. Das ist mehr als Unbehagen. Wir wollen etwas ändern.

Das Frankfurter Protestcamp hatte zeitweise mit dem Problem der Unterwanderung zu kämpfen. Zuletzt machten sich Anhänger der Zeitgeist-Bewegung breit, einer sektenartigen Vereinigung aus den USA. Wie gefährdet ist die Zeltstadt?

Vielen ist schon nach drei Tagen aufgefallen, dass einige im Camp zwar gegen Organisationen, Fahnen und Parteien wetterten, gleichzeitig aber für die Zeitgeist-Bewegung warben. Zeitgeist hat im Camp konspirativ gearbeitet. In basisdemokratischen Strukturen ist es problematisch, wenn sich eine kleine Gruppe abspricht und im Plenum eine Meinung geschlossen vertritt und wiederholt. Das ist passiert.

Außerdem haben einige Zeitgeist-Anhänger versucht zu missionieren. Sie organisierten einen Workshop zum Thema "Arbeiterbewegung" und erzählten dann vom "Venus-Projekt" und warum es wichtig ist, für Zeitgeist zu spenden.

Was macht ihr dagegen?

Wir haben das Problem der Sektiererei recht schnell erkannt und im Plenum thematisiert. Wir haben das im Griff. Seit dieser Woche veröffentlichen wir Podcasts im Internet, in denen wir die Gruppen hinterfragen, die bei Occupy teilnehmen. In der ersten Folge haben wir uns mit Zeitgeist befasst.

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