Offenbar Verstoß gegen Schengen: Bundespolizei steht auf Griechen

Bürger aus dem Süden der EU werden bei der Einreise besonders kontrolliert – verdachtsunabhängig. Ob das dem Schengen-Abkommen entspricht, ist fraglich.

Bundespolizei am Franz-Josef-Strauß-Flughafen in München: „Ob einer von denen Grieche ist?“ Bild: dpa

STUTTGART taz | Ankunft Aegean Airlines A 3510 von Athen über Thessaloniki nach Stuttgart: Jeden Tag, bevor die Maschine landet, postieren sich mehrere uniformierte Bundespolizisten an der Fluggastbrücke.

„Bitte halten Sie Ihre Pässe bereit. Die Bundespolizei führt am Flugzeug eine Passkontrolle durch“, heißt es über Lautsprecher im Flieger. Die meisten griechischen Passagiere haben ihre Pässe schon vor der Durchsage gezückt. Sie kennen das Prozedere längst.

„Seit mehr als zwei Jahren erlebe ich jedes Mal, wenn ich mit dem Flugzeug anreise, eine Passkontrolle. Sowohl hier in Stuttgart als auch in München“, sagt der Unternehmer Lambis Tassakos. Er ist Inhaber einer Automobil-Zulieferfirma mit Niederlassungen in Stuttgart und Athen und fliegt häufig hin und her. Seine Sekretärin Christina Machaira ergänzt: „Mich haben sie schon mehrmals ausgefragt, warum ich hierher komme und was ich hier mache.“

Die Bundespolizei kontrolliert jeden Pass gründlich, zum Teil mit der Lupe. Alle ausländisch aussehenden Passagiere werden herausgewunken und befragt. Die Bundespolizei ist auf der Suche nach Flüchtlingen und gefälschten Pässen.

„Jegliche Sensibilität verloren“

„Ich fliege mindestens zweimal im Monat von Thessaloniki nach Deutschland. Bei jeder Reise werden in Deutschland die Pässe kontrolliert. Der Staat hat jegliche Sensibilität verloren“, ärgert sich Ute Thoma, die bei der Rückkehr aus Kreta kontrolliert wurde. „Laut Auskunft eines Bundespolizisten am Flughafen Stuttgart passiert das bei allen Flughäfen bei Flügen aus Griechenland und Italien. Was für eine Heuchelei für Europa!“

Die Bundespolizei wiegelt ab. „Bei den Kontrollen handelt es sich um Dokumentensichtungen bzw. Befragungen im Sinne des Schengener Durchführungsübereinkommens in Verbindung mit dem Bundespolizeigesetz. Damit handelt es sich nicht um Kontrollen, auch wenn Reisende dies so empfinden mögen.“

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärt: „Zulässig sind Kontrollen, die aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung erfolgen, auf die Verhinderung oder Unterbindung grenzüberschreitender Kriminalität gerichtet sind und auf der Grundlage von Stichproben und in nicht systematischer Art und Weise konzipiert und durchgeführt werden“. Konkrete Zahlen zur Häufigkeit der Kontrollen gebe es allerdings nicht, da keine Statistik geführt werde.

Häufigere Kontrollen

Seit im Frühjahr in Griechenland und Bulgarien Passfälscherwerkstätten ausgehoben wurden, haben sich die Kontrollen weiter verschärft. Offenbar ohne Absprache mit den griechischen Behörden. „Es stimmt, dass in den letzten Monaten an vielen deutschen Flughäfen Passagiere von aus Griechenland gelandeten Flugzeugen häufiger als in der Vergangenheit kontrolliert werden“, so der Sprecher der griechischen Botschaft in Berlin.

„Diese Kontrollen sind nicht im Einvernehmen mit den griechischen Behörden.“ Rechtsexperten sehen die Kontrollen skeptisch. „Um eine unzulässige Ersatzkontrolle handelt es sich, wenn Fluggäste eines Flugs von Athen nach Stuttgart unmittelbar nach dem Ausstieg am 'Anlegerfinger' verdachtsunabhängig kontrolliert werden“, schreiben Volker Westphal und Edgar Stoppa in ihrem Buch „Ausländerrecht für die Polizei“.

Nicht der einzige klare Verstoß

Die Ausweiskontrollen in Stuttgart und München seien ein klarer und inakzeptabler Verstoß gegen die Schengen-Regeln, meinen auch die Grünen im EU-Parlament. Übrigens nicht der einzige. Die migrationspolitische Sprecherin Ska Keller ist überzeugt: „Die Bundesregierung ist auf dem Weg, der aus einem Europa ohne Grenzen wieder ein Europa mit Grenzen macht.“

Im Juni hatten sich die EU-Innenminister, allen voran Innenminister Hans-Peter Friedrich, CSU, über Änderungen am Schengen-Abkommen geeinigt. Die Reform sieht vor, dass in Fällen „extremer Migration“ die internen Grenzkontrollen zeitweise wieder eingeführt werden können.

Da jetzt neue Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten über die Türkei und Griechenland nach Europa drängen, lassen sich die längst vorhandenen Grenzkontrollen in Deutschland nachträglich auch den Bürgern gegenüber wunderbar begründen. Egal, ob sie nun legal sind oder nicht.

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