Pelztierfarm: Kein Herz für Nerze

Eine Nerzfarm in Schleswig-Holstein weigert sich, Tierschutzrecht umzusetzen. Die Nerze sollen keine größeren Käfige bekommen - und die Züchter verdienen weiter gutes Geld.

Anderer Ort, gleiches Prinzip: Ob wie hier Tiere in chinesischen Pelztierfarmen oder ob in Schleswig-Holstein - die Nerze sollen vor allem Geld einbringen. Bild: dpa

NEUENKRUG-SCHLEUSEN taz | Schleswig-Holsteins letzte Nerzfarm macht mit der Zucht einfach weiter – obwohl die seit Dezember 2011 verboten ist. In dem Weiler Neuenkrug-Schlesen bei Plön leben tausende Nerze in zu kleinen Käfigen. Im vergangenen Dezember hätte die Farm schließen müssen – die Betreiber Nils und Carsten Sörnsen haben die geänderte Nutztierhaltungsverordnung nicht umgesetzt. Aber die Sörnsens haben vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen die Verordnung geklagt, und das Gericht billigte ihnen eine aufschiebende Wirkung ihrer Klage zu – sie können ihre Nerze also weiter einpferchen wie bisher.

2006 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium Pelztiere in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen. In drei Etappen sieht diese Verbesserungen der Haltungsbedingungen vor. Ziel ist eine tierschutzgerechte Pelzzucht. Am 11. Dezember 2011 trat die zweite Stufe in Kraft. Sie vervierfacht die Käfig-Grundfläche, die einem Pelztier zusteht, von bisher einem Viertelquadratmeter auf einen Quadratmeter. Drei Quadratmeter Grundfläche muss jeder Käfig künftig mindestens haben – unabhängig von der Anzahl der darin lebenden Nerze.

Eigentlich sollte der 11. Dezember also ein guter Tag für Pelztiere werden, aber für die Nerze in Neuenkrug-Schlesen änderte sich nichts. Bei einer Ortsbegehung am 12. Dezember stellte ein Amtsveterinär des Kreises Plön fest, dass die Sörnsens die Käfige wie von ihnen angekündigt nicht vergrößert hatten. Der Veterinär forderte die sofortige Schließung. Darüber muss jetzt das Verwaltungsgericht entscheiden.

Nerze werden erst seit 90 Jahren gezüchtet. Neben Füchsen sind sie heute die am häufigsten wegen ihres Fells gezüchtete Tierart.

Größter europäischer Nerzfellproduzent ist Dänemark, jährlich werden dort 12 Millionen Nerze getötet.

Weltweit ist China der größte Pelzproduzent, -verarbeiter und -händler, fast 80 Prozent aller Pelze stammen aus dem Land.

Großbritannien, Kroatien und Österreich haben ein generelles Verbot gegen Pelztierzucht erlassen.

Ein Verbot gegen Pelzhandel gibt es in keinem Land.

Die Betreiber wollten sich der taz gegenüber nicht äußern – Kontaktaufnahme ist nicht erwünscht, das sieht man dem Betrieb bereits von außen an. Schlesen-Neuenkrug besteht nur aus einer Handvoll Häuser und liegt idyllisch in der Hügellandschaft der Holsteiner Schweiz. Der Betrieb ist geschickt positioniert: Wald säumt die Zuchtfarm an drei Seiten, weitere Bäume verdecken den Blick übers freie Feld. Kein Wegweiser führt zu der Anlage. An der Einfahrt des Betriebes bellt ein Hund, ein Mitarbeiter bleibt stehen und schaut. Den Versuch, ein paar Fotos zu machen, unterbricht der Hund mit einem Sturmlauf. Er sieht nicht aus, als wolle er spielen.

Für ihre Verteidigung heuern die Betreiber die Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen an. Die ist vor allem durch Walter Scheuerl bekannt geworden, der die Hamburger Schulreform zum Scheitern brachte und durch die Verteidigung von Tierschutzsündern immer wieder Schlagzeilen macht. Scheuerl hat die Schlesener Nerzfarm in früheren Prozessen erfolgreich vertreten. Damals waren angebliche Fotos aus der Zucht der Sörnsens im Internet veröffentlicht worden. Die Fotos zeigen Nerze, die sich hinter verdreckten Gittern ständig winden und sich gegenseitig verletzen – kurz: Zuchtnerzalltag.

Saskia Schmude, ebenfalls Anwältin der Kanzlei, sagt, in dem aktuellen Verfahren gehe es vor allem um die Rechtmäßigkeit der neuen Verordnung: Eine gesetzliche Regelung fehle, die geplante Vergrößerung sei willkürlich. Indirekt sei das ein Berufsverbot, ökonomische Pelzzucht sei so nicht mehr möglich.

Alfons Grosser vom Zentralverband Deutscher Pelzzüchter, dem auch die Sörnsens angehören, räumt ein, bei der Kritik an der schrittweisen Verschärfung der Verordnung gehe es „natürlich auch um ökonomische Gründe, aber nicht in erster Linie“. Im Vordergrund stehe „das Wohl des Tieres“. Grosser sieht auch den Tierschutz gefährdet: Die ab 2016 vorgeschriebenen Wasserbecken etwa könnten zu Infektionen führen. Außerdem seien Zuchtnerze domestiziert und hätten ganz andere Bedürfnisse als wild lebende Nerze.

Alles Taktik, meinen Tierschützer. „Zeitschinden, darum geht es!“, sagt Edmund Haferbeck, wissenschaftlicher Berater bei der Tierschutzorganisation Peta. Im März hätten die Züchter eine weitere Saison geschafft. Dann werfen die Tiere und der Bestand vervierfacht sich. Statt der geschätzten 3.000 Nerze würden dann 12.000 Nerze ihr Dasein in Schlesen fristen. Bei einem Gewinn von 30 bis 40 Euro pro Fell lohne sich das, schlussfolgert der Peta-Sprecher. „Hardliner der Pelztierzucht“ nennt er die Betreiber der Nerzfarm in Schlesen-Neuenkrug. Was sie da machten, sei keine Nerzzucht, sondern Politik.

Acht Pelzzüchter in Deutschland klagen momentan gegen die Umsetzung der neuen Verordnung. Aber so erfolgreich wie die Sörnsens sind die meisten nicht. Am vergangenen Freitag etwa wies das Verwaltungsgericht Münster die Klagen auf Weiterbetrieb der Nerzfarmen in Hörstel und Borken zurück.

Anfang März haben darum mehrere hundert Tierschützer, initiiert von Peta, Strafanzeige gegen die Sörnsens gestellt. Das bestätigt die Kieler Staatsanwaltschaft. Die Kläger bemängeln die widerrechtliche Fortführung des Betriebs.

Auch der Kreis Plön hat nun beim Schleswiger Verwaltungsgericht Einspruch gegen die aufschiebende Wirkung der Klage der Sörnsens eingelegt. „Aber da es sich jetzt nicht um ein Eilverfahren handelt“, so ein Sprecher des Schleswiger Verwaltungsgerichts, „werden sich die Verhandlungen über Monate hinziehen.“

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