Politische Kultur in Tschechien: Frontalangriff auf die Demokratie

Im Kampf um mehr Macht ist Finanzminister Andrej Babiš jedes Mittel recht. Veröffentlichte Mitschnitte von Gesprächen könnten ein Problem werden.

Finanzminister Andrej Babis

Ihm ist kein Mittel zu schmutzig: Tschechiens Finanzminister Andrej Babis Foto: reuters

PRAG taz | Es hat schon fast Tradition, dass tschechische Regierungen keine volle vierjährige Legislaturperiode durchhalten. Seit ihrer Gründung 1993 wurde die Tschechische Republik von 13 Koalitionen regiert.

Wenn die derzeitige Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und ANO, der Ein-Mann-Bewegung des tschechoslowakischen Oligarchen Andrej Babiš, ein halbes Jahr vor den regulären Wahlen im Oktober stolpert, würde das keinen Tschechen vom Hocker reißen. Nur dass im Verlauf dieser Krise immer mehr an die Öffentlichkeit gerät, wovor die Kritiker von Finanzminister Andrej Babiš seit Jahren warnen: Die Demokratie des Landes samt ihrer Kontrollmechanismen sei in Gefahr geraten.

Seit vergangener Woche veröffentlicht eine Gruppe namens Julius Šuman in unregelmäßigen Abständen heimliche Mitschnitte von Gesprächen eines Redakteurs der Tageszeitung Mladá fronta Dnes mit Andrej Babiš. Die Zeitung hatte Babiš im Sommer 2013 erstanden, damals schon dank seiner Chemie-Lebensmittel-Agrar-Holding Agrofert zweitreichster Mann des Landes.

Er schwöre beim Leben seiner Kinder und Enkel, dass er seine Medien nicht beeinflussen werde, hatte Babiš damals seinen Kritikern erklärt. Sie sehen in dem Kauf nur einen weitere Machtkonzentration in den Händen des heute 62-jährigen Slowaken.

Vulgärer Streithahn

Man kann nur hoffen, dass sich Kinder und Enkel des zwielichtigen Unternehmers bester Gesundheit erfreuen. Denn aus den Mitschnitten, deren Authentizität Babiš selbst bestätigt hat, geht hervor, wie massiv er seine Medien im politischen Kampf missbraucht.

Und nicht nur das. Drei Mitschnitte pikanten Inhalts wurden bislang veröffentlicht. Im ersten präsentiert sich Babiš als vulgärer Streithahn, der nur Verachtung für seine Mitstreiter übrig hat. Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, Chef der Sozialdemokraten, bezeichnet er als „das größte Arschloch, das ich je kennengelernt habe“.

Andrej Babišmuss realisieren, dass auch er nicht unantastbar ist

Aber auch weitere sozialdemokratische Mitglieder der Regierungskoalition, der Babiš nicht nur als Finanzminister angehört, sondern als Vizepremier auch stellvertretend vorsitzt, bekommen ihr Fett ab. Außenminister Lubomír Zaorálek sei ein „unfähiger Idiot“, Arbeitsministerin Michaela Marksová eine „Kuh“, die „säuft“. Seine Angestellten bezeichnet Babiš als Deppen.

In der zweiten Aufnahme verbündet sich Babiš dann mit besagtem Redakteur, der offensichtlich als eine Art persönlicher Spion und Mittelsmann zwischen Babiš und der Leitung der Tageszeitung Mladá fronta Dnes fungierte, konkret gegen seine Koalitionspartner. Er habe genug kompromittierendes Material gegen den Innen- und den Gesundheitsminister, rühmt sich der Redakteur. Babiš überlegt laut, wann die beste Zeit sei, besagtes Material in seinen Medien zu veröffentlichen.

Akteneinsicht bei der Polizei

Den meisten Sprengstoff birgt aber der dritte Mitschnitt, der am Montag veröffentlicht wurde. Aus ihm geht klar hervor, dass Babiš Einsicht in Polizeiakten nimmt, die seinem Hofredakteur direkt von der Polizei zugespielt wurden. Der Aufnahme ist zu entnehmen, wie Babiš plant, diese vertraulichen Informationen dazu zu nutzen, politische Konkurrenten auszuschalten. Und Schlüsselpositionen in der Polizei mit seinen Leuten zu besetzen.

Robert Šlachta zum Beispiel. Der ehemalige Elitepolizist und Leiter der Antikorruptionseinheit ist schon länger als Babiš-treuer Beamter bekannt. „Šlachta lässt ausrichten, er wolle Polizeipräsident werden“, erklärt Babiš auf der Aufnahme.

Tatsächlich gab es im vergangenen Jahre intrigante Versuche den derzeitigen Polizeipräsidenten Tomáš Tuhý durch Šlachta zu ersetzen. Diese sind zwar missglückt, dafür ist Vollblutpolizist Šlachta heute der stellvertretende Leiter der tschechischen Zolldirektion. Die untersteht dem Finanzminister – also Andrej Babiš.

Durch die Veröffentlichung der Mitschnitte ist Babiš zum ersten Mal Opfer seiner eigenen Methoden geworden. Es mag ein besonderer Schlag für ihn sein, zu realisieren, dass auch er nicht unantastbar ist. In seiner Reaktion greift er schnell auf alte Muster zurück: Das alles sei ein Komplott, um ihm zu schädigen, schimpft er per Facebook.

Ob diese jüngste „Affäre“ ihm wirklich schaden wird, bleibt abzuwarten. Denn Babiš hat einen mächtigen Mitstreiter in Präsident Miloš Zeman. Der weigert sich derzeit noch, Babiš als Finanzminister abzuberufen, wie Premier Sobotka ihm vorgeschlagen hat. Damit stellt sich Zeman klar gegen die Verfassung, laut der der Präsident bei einer Regierungsbildung und -umbildung auf den Regierungschef zu hören hat.

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