Pseudo-Info-Dialog zum Fracking: Entscheidende Fragen nicht gestellt

Der Gasfördertechnik Fracking widmete der Energiekonzern Exxon-Mobil einen groß angelegten "Info-Dialog". Daran allerdings war vieles kaum mehr als Kosmetik.

Sagt, er könne die Sorgen der Bürger "gut verstehen": Exxon-Mobil-Europachef Gernot Kalkoffen beim Abschluss des "Info-Dialogs" zum Fracking vergangene Woche in Osnabrück. Bild: dpa

OSNABRÜCK taz | Schließlich waren alle irgendwie stolz und zufrieden. Man war gefragt worden, hatte mitreden dürfen. Fachbegriffe wie „unkonventionelles Gas“, „Fracking“, „Lagerstättenwasser“ und „Clusterbohrung“ gingen inzwischen wie selbstverständlich über die Lippen.

Die Beteiligten zollten Respekt: dem hohen Einsatz der Wissenschaftler, der großen Professionalität – und dem beträchtlichen Budget, das der Energiekonzern Exxon Mobil für seinen einjährigen „Info-Dialog“ zur Verfügung gestellt hatte. Dieser wurde vergangene Woche in Osnabrück mit einer großen Tagung zu Ende geführt.

Wie aber funktionierte der Informations- und Dialogprozess genau? Wie beeinflusste da ein Konzern durch geschickte Kommunikation Prozesse der politischen Willensbildung, so dass eine als hoch riskant angesehene Technologie in einem günstigen Licht, die letzte fossile Party salonfähig erscheinen konnte?

Genau eine Woche später gab Exxon am gestrigen Donnerstag Planungen für neue Bohrungen in Niedersachsen bekannt: in der Samtgemeinde Artland im nördlichen Osnabrücker Land. Aber wie passen diese Meldung – Exxon will weiterhin fracken – und der Tenor des „Info-Dialogs“ – Exxon ist zurückhaltend, beugt sich dem Votum neutraler Wissenschaftler – eigentlich zusammen?

Der Versammlungen zur Information und zum Dialog, die über ein Jahr lang regelmäßig veranstaltet wurden, wirkten erstmal transparent. Auch zur Eröffnung der Abschlusskonferenz legte Prozessbegleiterin Ruth Hammerbacher gleich offen, dass Exxon-Mobil das gesamte aufwändige Verfahren bezahlt habe. Und konnten die Wissenschaftler denn auch unabhängig arbeiten?

Ja, Exxon habe auf jede inhaltliche Einflussnahme verzichtet. Bewusst habe man nach Experten gesucht, die noch nie für die Erdöl- oder Erdgasindustrie gearbeitet hätten. Zudem habe es eine Begutachtung ihrer Arbeit durch andere Wissenschaftler, eine „Peer Review“ gegeben. All das habe, nochmals, Exxon großzügig bezahlt. Wenn sich aber einer großzügig zeigt – wer will da kleinkariert dastehen und unlautere Absichten unterstellen? Großzügigkeit weckt Sympathien.

Sicher gehört es zum guten Ruf von Wissenschaftlern, unabhängig und kritisch zu sein. Aber es bleibt die Frage, ob das knapp 40 Personen umfassende interdisziplinäre Team unter Leitung von Dietrich Borchardt, Professor am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, wirklich ein „Neutraler Expertenkreis“ sein konnte: Wie frei ist man, wenn der Auftraggeber wirtschaftliche Interessen hat und gut bezahlt? Es ist nur menschlich, ihm ein wenig entgegenzukommen und ihn nicht vor den Kopf zu stoßen – etwa durch eine generelle Ablehnung von Fracking.

Fracking ist ein Abkürzung und steht für "Hydraulic Fracturing". Dabei werden Gesteinsschichten mit Wasserdruck aufgebrochen.

Als Förderungs-Technik für Erdgas und -öl gilt Fracking mittlerweile als die am weitesten verbreitete. Entwickelt hat sie 1947 die Erdöl-Company Halliburton. Dabei werden tausende Liter einer Flüssigkeit, meist Wasser, auf die betreffende Gesteinsschicht gepresst. Dadurch entstehen Risse und es wird möglich, die eingelagerten Gas- oder Öl-Reservoirs auszubeuten.

Um diese Risse zu stabilisieren - offen zu halten -, aber auch, um unerwünschte Mineralien zu lösen, das Korridieren der Geräte zu verhindern, die Fließeigenschaften zu verbessern und Bakterienanlagerungen zu unterbinden, werden dem Wasser Säuren, Mikrobizide, Schaumbildner und andere Chemikalien beigefügt. Viele dieser Zusätze gelten als krebserregend.

Die Wissenschaftler waren durchaus nicht unkritisch. Aber ihre Sprache war oft schönfärberisch und verschleierte. Untersuchungsergebnisse, die der Fracking-Methode eigentlich ein vernichtendes Zeugnis ausstellen, nannten sie „eine neue Dimension von Risiken“. Das klingt modern. Auch die miserable Energie- und Klimabilanz von unkonventionellem Gas – so schlecht wie die von Braunkohle – wurde im Kapitel „Forschung und Entwicklung“ zum Schluss nur kurz erwähnt. „Das Wissen um diese Fragestellung ist erstaunlich gering“: Derart weichgespült kommentierte Borchardt die Frage eines kommunalen Umweltreferenten nach dem ungewollten Entweichen des Klimakillergases Methan durch Fracking.

Der Expertenkreis bejahte die Fracking-Technologie und hält sie für kontrollierbar. Die Wissenschaftler gaben Empfehlungen, einige Gebiete auszulassen – etwa zum Schutz des Trinkwassers oder wegen dort vorhandener kritisch gespannter Tektonik. In Gebieten, auf die solche Ausschlusskriterien nicht zutreffen, könne man in „Demonstrationsvorhaben“ die Fracking-Technologie aber wieder einsetzen. Freilich: nur ganz langsam und vorsichtig.

Das wirkt seriös. Aber ist Vorsicht wirklich möglich bei einer Technologie, die mit Unmengen von Wasser und Chemikalien die Struktur der Erde tief im Untergrund zerstört? Die nicht nur Gas nach oben befördert, sondern auch Schwermetalle und sogar Radioaktivität? Mit dem Segen der Wissenschaftler kann Exxon-Mobil nun weitermachen. Das ist der Dienst des „neutralen Expertenkreises“.

Wir reden miteinander, und alle sind dabei gleichberechtigt: Diese Illusion inszenierte der „Info-Dialog Fracking“ mit großem Aufwand. Exxon-Chef Gernot Kalkoffen bedankte sich mehrfach bei all jenen, die sich ein Jahr lang den Mühen des Dialogs gestellt und jetzt zur Abschlusskonferenz angereist waren. „Ich kann sie gut verstehen“, sagt er, wenn er über die Sorgen der Bürger um ihr Trinkwasser sprach. Und dass Exxon sich an die Empfehlungen und Beschränkungen halten werde, die die Wissenschaftler festgelegt hätten: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Exxon will also einen verantwortungsvollen Umgang mit der neuen Technik – das ist zumindest die Botschaft.

Manch einer liebt Bauchpinseleien. Die lieferte der „Info-Dialog“ zum Fracking, professionell und reichlich: Wann sonst kann, sagen wir: der Bauer aus einem kleinen Dorf, der Bürgermeister aus einer unbedeutenden Amtsstube mit einem derart hochrangigen Professor reden? Wann sonst begegnet man solch mächtigen Managern, kann mit ihnen plaudern oder mal einen Scherz wagen – vor Publikum? Wo es derart freundlich zugeht, alle zugewandt und aufgeschlossen sind – da kann Fracken doch so schlimm nicht sein, oder?

Manipulativ wirkte der Exxon-Dialog wesentlich auch dadurch, dass über entscheidende Fragen gar nicht erst gesprochen wurde: Die Machtfrage etwa wird in diesem Zusammenhang nicht gestellt. So gibt das noch aus Kaiser Wilhelms Zeiten stammende Bergrecht der Gewinnung von Rohstoffen stets den Vorrang vor allem anderen. Es kennt keine Umweltprüfung und keine Bürgerbeteiligung.

Dieses Bergrecht nun sei „verbesserungsfähig“ und um Umweltgesichtspunkte zu „erweitern“, heißt es lapidar und auch erst auf Nachfrage. Verschwiegen wird dabei, in welchem Maße Exxon und anderen Energieunternehmen von diesem vordemokratischen Gesetz profitieren – und wie sie seine zeitgemäße Reform durch erfolgreiche Lobby-Politik verhindern.

Exxon setzt beim „Info-Dialog“ den gesamten Rahmen und beeinflusst die zulässigen Fragestellungen. „Wir haben nicht über Energiepolitik gesprochen“, sagt Moderatorin Ruth Hammerbacher am Ende der Tagung. Kein Zufall. Denn „wir“ sollten uns ausschließlich mit Fracking beschäftigen. Grundsätzliche Fragen hörte man nur einmal, von Manfred Lück, einem Arzt aus dem Münsterland: Brauchen wir das Gas, das im Gestein tief unter der Erdoberfläche fest gebunden ist? Sollten wir unseren Energiebedarf nicht besser aus regenerativen Quellen decken anstatt aus den letzten, schwer zugänglichen fossilen? Und wem nützt diese Gasförderung?

Aber da hatten sich die Reihen der Abschlussveranstaltung schon gelichtet, waren Presse und Kamerateams wieder abgezogen. Weder einer aus dem „neutralen Expertenkreis“ noch ein Manager von Exxon gab eine Antwort. Diese Fragen sprengten den beschränkten Rahmen. Endlich. Einen Moment lang öffnete sich in der Stadthalle Osnabrück die Tür.

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