Russlands Rolle beim G7-Gipfel: Das unsichtbare Hauptproblem

Wladimir Putin ist nicht eingeladen, ohne ihn geht es aber nicht. Wie Kanzlerin Merkel versucht, ein unlösbares Dilemma zu bewältigen.

Wladimir Putin

Am Tisch: Wladimir Putin. Foto: dpa

BERLIN taz | Wenn Angela Merkel am kommenden Sonntag mit Barack Obama, François Hollande und den anderen Regierungschefs der G-7-Staaten auf Schloss Elmau diniert, wird ein mächtiger Mann unsichtbar mit am Tisch sitzen: Wladimir Putin. Der russische Präsident ist nicht eingeladen, die Runde schloss ihn 2014 nach der Annexion der Krim vom damaligen Gipfel aus – und dabei bleibt es auch beim diesjährigen Treffen in Deutschland.

Dennoch wissen alle Beteiligten, dass sich die wichtigsten Gespräche um Russlands Rolle in der Welt drehen werden. Ohne Putin über Putin reden, obwohl das Wichtigste nur mit ihm zu klären wäre? Diese Entscheidung stieß auf viel Kritik, sowohl in der Opposition als auch bei prominenten Altpolitikern.

Der Linke Gregor Gysi forderte, Putin dazuzubitten, weil es sonst keine Krisenlösung gebe. Altkanzler Helmut Schmidt gab sich überzeugt, Putin hätte eine „in gehöriger Form“ ausgesprochene Einladung akzeptiert. „Die Zukunft Europas geht nur mit Russland“, stimmte Gerhard Schröder zu, der bekanntlich eine Freundschaft mit Putin pflegt.

Kanzlerin Merkel hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Rückkehr des Russen in das Gesprächsformat für falsch hält. Sie wies immer wieder darauf hin, dass die G 7 eine Wertegemeinschaft seien. Die klare Verletzung des Völkerrechts und Putins Haltung im andauernden Ukrainekonflikt passen aus ihrer Sicht nicht zu einem Treffen der wichtigsten Demokratien. Zumal die Bundesregierung, das betonen Merkels Vertraute, auf vielen Kanälen ständig mit Russland kommuniziert.

Regierung setzt auf Repression

Merkels dürfte letztlich selbst über die Causa Putin entschieden haben. Sie hat bei der Lösung des Ukrainekonflikts die Führung des Westens übernommen, auch deshalb, weil die USA und wichtige EU-Staaten sie dazu drängten. Wenn sie Putin nicht einlädt, wird es auch kein anderer der G-7-Staats- und Regierungschefs tun. Selbst wenn man die Krim beiseitelässt: Russlands Regierung setzt innenpolitisch auf Repression – beim Umgang mit der Opposition, mit Journalisten oder Demonstranten. Dass der Staat 1998 überhaupt in die Runde aufgenommen wurde, hing damals eng mit der Wiedervereinigung zusammen. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) setzte sich damals für erweiterte G 8 ein, als Dank für den russischen Kurs bei der Wende.

In der Koalition ist Merkels Kurs gegenüber Putin nicht umstritten - in der Union sowieso nicht, aber auch in der SPD sind Schmidts und Schröders Bedenken nicht mehrheitsfähig. „Diese Diskussion irritiert mich“, sagt etwa SPD-Außenpolitiker Niels Annen. Die Regierung rede täglich mit Russland, man habe es sich mit dem Ausschluss Putins damals nicht leicht gemacht. „Seitdem gibt es keinen Fortschritt in der Konfliktlösung. Warum sollte man Putin jetzt wieder einladen?“

Selbstverständlich senden die Deutschen gleichzeitig versöhnliche Signale, das gehört zum diplomatischen Geschäft. Man brauche Moskau bei der Lösung der vielen Krisen und Konflikte in der Welt, betont Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Es könne nicht darum gehen, Russland dauerhaft zu isolieren. „Unsere Botschaft an Russland ist: Die Tür für eine Rückkehr in den Kreis der G 8 ist nicht verschlossen.“

Solche Sätze drücken allerdings kaum noch reale Hoffnungen aus. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Putin die Krim wieder hergibt. Die „Achtung der Einheit und Souveränität der Ukraine“, die Steinmeier als Bedingung für eine Rückkehr anmahnt, wird Russlands Präsident nicht akzeptieren. Führende Politiker der Duma beschimpfen die G 7 als „Klub der USA“ und loben die Brics-Runde als Gegenmodell. Russland kooperiert hier mit Brasilien, Indien, China und Südafrika, also künftig dominierenden Volkswirtschaften.

Diversen bilaterale Treffen

Viel spricht deshalb dafür, dass die sieben dauerhaft unter sich bleiben und dass Russlands Mitgliedschaft, die immerhin 16 Jahre währte, als historische Episode ad acta gelegt werden kann. Auf Schloss Elmau reden Merkel und die Staatschefs am Sonntag beim Abendessen über Außenpolitik. In dem eng getakteten Zweitagesprogramm mit sechs Arbeitsgesprächen, diversen bilateralen Treffen und Fototerminen ist das der wichtigste Termin. Er sei „zeitlich flexibel und länger“, heißt es in Regierungskreisen, einfach deshalb, weil die Regierungschefs bis in die Nacht in Ruhe reden können.

Bei der Ukrainekrise kommt hinzu, dass die Kämpfe just vor dem Gipfel eskalierten. US-Präsident Obama hält sich bei der Frage, ob er Waffenlieferungen in die Ukraine unterstützt, seit Merkels Washington-Besuch im Februar bedeckt. Auf ihn könnte der innenpolitische Druck steigen. Die Deutschen lehnen diese Idee strikt ab. In Regierungskreisen glaubt man dennoch nicht an Neuigkeiten in diesem Punkt: „Die Grundsatzpositionen zu Waffenlieferungen sind bekannt“, heißt es. Ebenso wenig wird erwartet, dass die G 7 ihre Linie im Ukrainekonflikt wesentlich ändern.

SPD-Außenpolitiker Annen betont zwei bekannte Punkte: Waffenexporte seien keine Lösung, und die Konfliktparteien müssten sich an das Minsker Abkommen halten. Er hofft auf ein entsprechendes Signal: „Ich halte es für wichtig, dass die Staatschefs ihre Einigkeit für eine Verhandlungslösung bekräftigen.“ Das werden sie ohne Zweifel tun.

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