Sachsens Ministerpräsident Tillich: Biegsamer Landesvater
Wenn die heile sächsische Wunschwelt in Gefahr ist, wirkt Stanislaw Tillich oft schockiert. Geht es um Fehler seiner CDU-Regierung, bleibt er vage.
taz | Am Dienstag trat Stanislaw Tillich nach einer Kabinettssitzung zu Clausnitz und Bautzen vor die Presse, und einmal mehr kostete es Mühe, dem Gesagten eine klare Aussage zu entnehmen. Wohl wiederholte der sächsische Ministerpräsident seine scharfe Verurteilung der „schändlichen und verbrecherischen Umtriebe“ der Fremdenfeinde vom Wochenende. Doch wenn es um grundsätzliche Positionen, gar um Eingeständnisse von CDU-Versäumnissen in der Vergangenheit geht, steigt wie so oft Nebel über den hingehaltenen Mikrofonen auf.
Am besten ist der 1959 geborene Sorbe, wenn er lächeln und seinen Charme spielen lassen kann. Oder wenn er in Hintergrundgesprächen mit Journalisten Detailkenntnis und Überblick über die politischen Entwicklungen gleichermaßen erkennen lässt. Oder eben, wenn er wegen brachialer Eingriffe in die heile sächsische Wunschwelt unmittelbar unter Schock zu stehen scheint.
Nach seinem Heidenau-Besuch Ende August 2015 zeigte er sich geradezu sprachlos, hielt den Dialog mit dieser Sorte „besorgter Bürger“ für aussichtslos. Oder jetzt, wenn in Bautzen, unweit seines Heimatdorfs, „das Volk“ den Brand eines Flüchtlingsquartiers feiert. Doch für Tillich sind das nur „einige wenige Personen, die sich außerhalb unseres Rechtsstaates stellen“.
Geradezu flehentlich beschwört er eine Mehrheit von Demokratieverteidigern. Ob die sächsische Union und er selbst die heraufziehende Gefahr von rechts nicht ignoriert hätten? Er habe doch vor einem Jahr den Bürgerdialog angestoßen, rechtfertigt sich der dienstälteste Ministerpräsident. Und will nun den starken Staat.
Manches klingt im formelhaften Duktus nach der Zeit, als Tillich noch stellvertretender Ratsvorsitzender im DDR-Kreis Kamenz war. Immerhin gelang es dem Korruptionsermittler Karl Nolle nicht, nach Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt auch den seit 2008 amtierenden Stanislaw Tillich mit Tiefenbohrungen in dessen Ost-Biografie aus dem Amt zu werfen.
Auch die verbleibenden dreieinhalb Amtsjahre bis 2019 dürfte Tillich mangels Alternative überstehen. Seine Biegsamkeit wird ihm dabei helfen.
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