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Sozialverbände schreiben offenen BriefAbgeordnete sollen sich bei Bürgergeld-Reform querstellen

Wer Termine im Jobcenter nicht wahrnimmt, soll keine Miete mehr erstattet bekommen. Diese Sanktionspläne der Bundesregierung stoßen jetzt auf Kritik.

Dem Gewissen verpflichtet abstimmen heißt, solidarisch abzustimmen Foto: Michael Kappeler/dpa

afp/taz | In einem offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestags haben Sozialverbände und Gewerkschaften vor drastischen Folgen der geplanten Sanktionsmöglichkeiten bei der neuen Grundsicherung gewarnt. Die angedrohte Komplettstreichung der Kostenübernahme für die Unterkunft würde „zwangsläufig zu Obdachlosigkeit führen“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Brief der Organisationen. „Wohnungslosigkeit darf kein politisches Druckmittel sein.“

Die Pläne der Koalition für die neue Grundsicherung, die das bisherige Bürgergeld ablösen soll, sehen unter anderem verschärfte Sanktionsmöglichkeiten vor für Beziehende, die nicht zu Terminen im Jobcenter erscheinen. Im äußersten Fall sollen die Zahlungen ganz eingestellt werden, einschließlich der Zahlungen für die Unterkunft.

Diese Pläne seien „völlig inakzeptabel“, kritisierte Frank Werneke, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die den Brief mit unterzeichnet hat. Es dürfe „keine Sanktionen geben, in deren Folge die Menschen ihre Wohnungen verlieren und Obdachlosigkeit droht“.

In dem gemeinsamen Brief werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, der Verschärfung nicht zuzustimmen. Weiter heißt es in dem Schreiben, besonders gravierend sei, dass die Einstellung der Kostenübernahme nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien treffen würde – „darunter Kinder, Schwangere, pflegebedürftige Angehörige sowie Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern leben“.

Wie unmittelbar Familienangehörige tatsächlich betroffen sein werden, ist bislang allerdings unklar. Einen Gesetzesentwurf, der die genaue Ausgestaltung der Sanktionsregeln beinhaltet, hat die Bundesregierung noch nicht öffentlich vorgelegt. In der vergangenen Woche hieß es aus dem Sozialministerium, geplant sei, dass bei sanktionierten Personen mit Familie die Kosten der Unterkunft „in voller Höhe weiterbezahlt“ und „auf die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt“ würden.

Unterzeichner des Briefs sind neben Verdi noch der Arbeiter-Samariter-Bund, der AWO Bundesverband, der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Mieterbund, die Diakonie Deutschland, der Sozialverband Deutschland SoVD, der Sozialverband VdK Deutschland und die Volkssolidarität.

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