Streit der Woche : Ist das höchste Amt im Eimer?

Das Amt des Bundespräsidenten gilt als moralische Instanz, die über dem politischen Alltag steht. Was bleibt davon übrig, nachdem Christian Wulff unmoralisch gehandelt hat?

Staatstragende Inszenierung: Christian Wulff bei einem Fototermin im Schloss Bellevue. Bild: dapd

Christian Wulff trat am 2. Juli 2010 vor die versammelten Mitglieder von Bundesrat und Bundestag, hob die rechte Hand und las aus dem Artikel 56 des Grundgesetzes den Amtseid vor, den auch seine Vorgänger abgelegt hatten: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

Noch vor einem Monat zweifelte kaum jemand, dass Wulff sein damaliges Versprechen halten würde. Immerhin war der niedersächsische Ministerpräsident nie durch einen Skandal aufgefallen. Das änderte sich spätestens zu Neujahr 2012, als bekannt wurde, dass der Bundespräsident versucht hatte, die Berichterstattung über seinen Privatkredit im letzten Moment zu verhindern, indem er Drohanrufe an Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und Springer Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner geschickt hatte.

Es war der Versuch einer Zensur. Ein Verstoß gegen Artikel 5 genau des Grundgesetzes, das Wulff bei seiner Amtseinführung zu wahren und zu verteidigen geschworen hatte. Davor verblasst nun alles, was in den Wochen zuvor ans Licht gekommen war: der Privatkredit von Unternehmer Egon Geerkens, die damit einhergehende Lüge vor dem niedersächsischen Landtag, die von Carsten Maschmeyer bezahlte Anzeigenkampagne und die sechs Urlaube als Gast bei befreundeten Geschäftsmännern.

Seit ans Licht kam, dass Wulff versucht hatte Zensur zu üben, nehmen die Kommentatoren kaum ein Blatt mehr vor den Mund. Sie benutzen Ausdrücke wie "von allen guten Geistern verlassen" (Frankfurter Allgemeine Zeitung) oder vergleichen Wulff mit der Fernsehwitzfigur Stromberg (Die Welt). Stefan Aust erklärte tagesschau.de so etwas Irres sei ihm noch nie vorgekommen. Dazu macht ein Beitrag des Radiosenders WDR 5 die Runde im Netz, bei dem ein Wulff-Imitator die Mailbox von Kai Diekmann zuerst mit Drohungen und anschließend mit wirren Bestellungen vollspricht.

Bisher musste sich kein Bundespräsident derart harsche Worte gefallen lassen. Das lag nicht nur daran, dass dem höchsten Amt seit jeher großer Respekt entgegengebracht wird, sondern vor allem daran, dass sich kein Vorgänger Wulffs so angreifbar gemacht hatte. Hat Wulff mit seinem Vorgehen also nur sich oder auch dem Amt selbst geschadet?

Was meinen Sie: Ist das höchste Amt im Eimer?

Beziehen Sie Stellung! Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen aus und veröffentlicht ihn im Wochenendmagazin sonntaz. Der Kommentar sollte etwa 1.200 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein.

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 7./8. Januar, dem Wochenendmagazin der taz. Am eKiosk, oder im Briefkasten via //www.taz.de/zeitung/abo/wochenendabo:Wochenendabo.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.