Treffen von Jungpolitikern: Rot-Rot-Grün ist sich einig

Ein Regierungsbündnis von SPD, Grünen und Linken? Kriegen wir hin, meinen die Jugendorganisationen und sagen, was sie ändern wollen.

Ein Rucksack mit der Aufschrift: Wir brauchen noch mehr von meiner Sorte

Rot-rot-grüner Nachwuchs: Bislang noch nicht mehrheitsfähig in den eigenen Parteien Foto: dpa

BERLIN taz | „Erst wenn wir anfangen zu reden, glauben die da draußen, dass die Pause vorbei ist“, sagt Stefan Liebich. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sitzt an diesem Abend in der Weißenseer Brotfabrik, ein Kulturzentrum im Ostteil der Stadt, links neben ihm sitzen Johanna Uekermann, Jamila Schäfer und Josephine Michalke. Uekermann ist Bundesvorsitzende der Jusos, Schäfer gewählte Sprecherin der Grünen Jugend und Michalke vertritt die Linksjugend ['solid].

Vor ihnen balancieren Leute Wein- und Biergläser zu ihren Plätzen. Liebigs Satz bezieht sich auf das trödelnde Publikum, aber er passt auch gut zur Veranstaltung, einem Spitzentreffen der besonderen Art: die Köpfe der Jugendverbände von SPD, Grünen und Linkspartei tauschen sich über Rot-Rot-Grün als alternatives Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl 2017 aus und die Chancen einer gemeinsamen Kandidatin für die BundespräsidentInnenwahl.

Ihre jeweiligen Mutterparteien haben Rot-Rot-Grün in den letzten Jahren kaum noch erwähnt, also reden wir eben darüber, so der Gedanke hinter dem Treffen. Entstanden ursprünglich aus Frust über das kollektive Schweigen der Parteioberen, findet das Treffen zu einer Zeit statt, in der die Idee einer gemeinsamen Präsidentschaftskandidatin im Raum steht und erstmals wieder Optimismus aufkeimt, dass eine rot-rot-grüne Alternative zur Großen Koalition möglich wäre.

Mit der Nachwuchselite wäre das jedenfalls kein Problem. Eigentlich kennt man sich bereits von gemeinsamen Gedenkstättenfahrten oder war zusammen auf Demonstrationen für eine andere Bildungspolitik wie auch für einen raschen Kohleausstieg. Inhaltlich trennt die Parteijugend also nicht viel, das wird auf dem Podium schnell klar.

Misstrauen gegenüber Regierungsbeteiligungen

Selbst wenn das Selbstverständnis der Linksjugend eigentlich ein gänzlich anderes ist als das von Jusos und Grüner Jugend. ['solid] sieht sich als Teil der außerparlamentarischen Bewegung und steht Regierungsbeteiligungen grundsätzlich misstrauisch gegenüber. Ein entsprechender Beschluss des Bundeskongresses von 2013 stuft „Grüne und SPD als Teil des Problems ein“. „Aber drei Jahre sind für einen Jugendverband eine lange Zeit“, meint Michalke lakonisch, die vor neun Jahren mit 16 auch in die Linke eintrat.

Welche Politik ihre Mutterparteien zusammen machen wollen? Man könnte den Mindestlohn ausbauen, eine echte Frauenquote einführen, mehr Geld in die Entwicklungshilfe stecken, eine Vermögenssteuer einführen und die Ehe für alle öffnen. „Das kriegen wir mit SPD und Linken hin, aber nicht mit der CDU“, meint Schäfer von der Grünen Jugend. Umso ärgerlicher findet sie, dass sich die Diskussionen in ihrer Partei auf ein Bündnis mit den Schwarzen zuspitzen.

Kritik an den Mutterparteien üben auch Uekermann und Michalke. Die Schließung der EU-Außengrenzen bezeichnet Uekermann als „Schande“. Und gegen die Zustimmung ihrer Partei zu den Asylrechtsverschärfungen haben die Jusos protestiert und Briefe geschrieben. Umsonst. „Asyl ist ein Menschenrecht, das sollte man nicht einschränken“, sagt Uekermann betroffen. Auch bei ['solid] hat so manche Äußerung aus der Linkspartei, etwa von Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihres Ehemannes, für Entrüstung gesorgt. „Oskar Lafontaine hat ja schon den Rassismus des deutschen Facharbeiters bedient, als er noch Ministerpräsident im Saarland war, und jetzt haben wir den an der Backe“, seufzt Michalke. Uekermann äußert verständnisvolles Beileid.

Ein gemeinsamer Vorschlag für die Präsidentschaftswahl wäre ein sinnvolles Signal, um einer echten Alternative zur herrschenden „Alternativlosigkeit“ näherzukommen, sind sich die drei Jugendvertreterinnen einig. Eine Person, die „die Austeritätspolitik Merkels kritisiert, am besten weiblich ist und nicht zu alt“, fänden sie gut. Aber damit das klappt, sagt Uekermann, und hat dabei alle Parteien im Blick, „dürfen wir nicht immer mit roten Linien operieren und uns hinter diese zurückziehen, anstatt erst mal miteinander zu reden, was man gemeinsam machen kann“.

Liebich fasst vergnügt zusammen. „Wenn die Politik so wäre wie auf dem Podium, wäre die Welt eine bessere.“ Er strahlt Zuversicht aus. Immerhin: als Liebich so alt war wie Uekermann heute, wurde er Landesvorsitzender der Berliner PDS und fädelte die erste rot-rote Koalition in Berlin ein. Sie hielt neun Jahre.

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