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Trump will Ukrainekrieg beendenNur eine drohende Niederlage zwingt Putin zu Zugeständnissen

Kommentar von

Barbara Oertel

Wer angesichts Putins Vorgehen noch glaubt, mit ihm verhandeln zu können, lebt in einer Parallelwelt oder ist naiv. Doch die EU hadert weiter.

Russlands Angriffe auf die Ukraine hören nicht auf, Kiew, 2025 Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

E s hätte schön werden können, ein weiteres Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin, noch dazu in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Friedenstifter Trump, der sich auf gutem Weg wähnt, den nächsten Krieg zu beenden; Putin, der erneut diplomatisch punktet, sowie Gastgeber Viktor Orbán.

Ungarns Regierungschef schert sich nicht darum, dass gegen seinen Freund Putin ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) vorliegt. Immerhin hätte Orbán Schützenhilfe von Bulgarien bekommen. Sofia werde für den Staatsgast aus Moskau seinen Luftraum öffnen, hieß es. Wenn es darum geht, die Spaltung innerhalb der EU zu demonstrieren, ist das Klassenziel wieder erreicht.

Doch aus dem Tête-à-Tête wird nichts, zumindest nicht jetzt. Trump zieht den Stecker. Ist der Grund sein angekratztes Ego oder vielleicht doch die Furcht vor einem Alaska 2.0? Bei dem bilateralen Gipfel im vergangenen August wurden zwar viele Fotos produziert, aber keine konkreten Ergebnisse.

„Trumps Friedenshoffnungen werden wie Budapester Salami zerschnitten“, übertitelt die polnische Stiftung Res Publica einen Beitrag auf ihrer Webseite Visegrad Insight. Die Anspielung auf die „Salamitaktik“ – den Begriff führte der stalinistische Generalsekretär der ungarischen KP, Mátyás Rákosi, häufig im Munde – trifft ins Schwarze. Geht es doch darum, bei Verhandlungen in kleinen Schritten Zugeständnisse von der Gegenpartei zu erreichen.

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Immer dieselben Argumente

Diese Klaviatur weiß Wladimir Putin meisterhaft zu bespielen, wie auch sein langjähriger Außenminister Sergei Lawrow. Das Bestechende ist, dass der Kreml nie versucht hat, seine Absichten zu verschleiern: Die Auslöschung der Ukraine als Staat (ein bedauerlicher historischer Irrtum) sowie der ukrainischen Nation, die es gar nicht gibt, lautet das Narrativ. Alles Ukrainische gilt es zu tilgen – Kultur, Sprache und Identität.

Anschauungsmaterial, um diese Ziele umzusetzen, gibt es zuhauf. An Widersprüchen, Absurditäten und Fake News mangelt es nicht. Gebetsmühlenartig wiederholt Moskau als Grund für seinen vollumfänglichen Angriffskrieg gegen die Ukraine, dass die Nato immer näher an Russland herangerückt sei. Als Finnland 2022 ankündigte, dem Bündnis beizutreten, und das 2023 auch tat, gab Putin zu Protokoll, kein Problem zu haben. Russlands Kampf gegen die Faschisten in der Ukraine? Bei der Parlamentswahl 2019 kamen nationalistische, rechtsradikale Parteien im Verbund auf 2,16 Prozent der Stimmen.

Unterdessen werden in der Ukraine Fakten geschaffen. Mitte dieser Woche überzogen russische Streitkräfte das Nachbarland erneut mit flächendeckenden Angriffen, die sich – passend zur kalten Jahreszeit – vor allem auch gegen die kritische Infrastruktur richteten. In von Russland besetzten ukrainischen Regionen verschwinden widerständige Ukrai­ne­r*in­nen in Gefängnissen. Ukrainischen, nach Russland deportierten Kindern wird ihre Identität mit brachialen Umerziehungsmethoden ausgetrieben.

Wer angesichts dieser Barbarei noch glaubt, mit Putin verhandeln zu können, lebt entweder in einer Parallelwelt, ist ignorant oder naiv. Warum sollte sich der Kremlchef, der offensichtlich auf Zeit spielt, auf ein Einfrieren der aktuellen Frontlinie einlassen? Auch die Übergabe von Teilen des Donbass im Osten der Ukraine, an deren Eroberung sich die russische Armee bislang erfolglos abarbeitet, ist keine Petitesse.

Würden diese Gebiete Putin auf dem Silbertablett präsentiert, wäre dies nichts weniger als eine Einladung, spätestens in wenigen Jahren weiter westwärts vorzustoßen – in Richtung Charkiw und Dnipro. Auf diesen Handel will und wird sich Kyjiw nicht einlassen – zu Recht. Denn es käme in der Ukraine auch zu innenpolitischen Verwerfungen, deren Ausmaß nicht absehbar ist.

Wer sich auf ihn verlässt, ist verlassen

Eine drohende Niederlage im Krieg gegen die Ukraine wäre vielleicht das einzige Szenario, das Putin an den Verhandlungstisch brächte. Ob Trump diese Realität zur Kenntnis nimmt und Konsequenzen daraus zieht, darf bezweifelt werden. Wer sich auf ihn verlässt, ist verlassen. Das weiß auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, macht aber trotzdem gute Miene zum bösen Spiel.

Und die EU? Hadern und Zaudern weiter. Am Donnerstag dieser Woche wurde das 19. (!) Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für die Ukraine ist auf Dezember vertagt. Dabei ist vielen europäischen Po­li­ti­ke­r*in­nen eigentlich klar, dass es längst nicht mehr nur um die Ukraine geht. Sondern um eine Bedrohung für den gesamten europäischen Kontinent. Die Zeitbombe tickt, aber wir warten. Worauf?

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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12 Kommentare

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  • "Nur eine drohende Niederlage zwingt Putin zu Zugeständnissen".

    Wuerde das nur fuer beide Seiten gelten. Vor Trump hiess es immer, Russland muesse sich auf sein Staatsgebiet zurueckziehen, bevor verhandelt wird, alles andere sei ein Diktatfrieden.



    Russlands offizielles Ziel sind die vier ukrainischen Oblaste Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja. Und so wie die Dinge stehen, wird es diese auch bekommen, die Frage ist nur wie:



    1. Militaerisch, was noch Monate oder Jahre dauern kann.



    2. Im Rahmen von Verhandlungen.

    Wer 2. nicht will bekommt 1, unabaehnig von der Tatsache, dass Russland fuer die Ausweitung des Stellvertreterkrieges seit 2022 verantwortlich ist, so vorhersehbar es auch war.



    Trump hat das verstanden und probierts mit 2., nachdem er sich die Schuerfrechte in der Ukraine gesichert hat. Scheitert dies an der Ukraine und den unterstuetzenden Europaeern, solllen letztere eben die Kosten tragen. Trump bekommt sein Drecks-Fracking-LNG los und kann sich als derjenige hinstellen, der den Frieden wollte.

    P.S. Wer als Deutscher nicht versteht, warum Russland mehr Angst vor der NATO in der Ukraine als in Finnland hat, hat im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst.

  • Sehr geehrter Herr Professor Grötzinger,



    auch das Grundgesetz keinnt kein allgemeines Recht auf Kriegsdienstverweigerung, sondern lediglich ein Recht auf die Verweigerung des Dienstes an der Waffe. Frontnaher Einsatz im Lazarettdienst und ggf. beim Ausheben der Schützengräben mit Schaufel oder Spaten sind demnach zumutbar.



    Leiten Sie daraus ab, dass auch in Deutschland die Menschenrechte nicht gelten?

  • Putin wird erst aufhören, wenn ihm das Fortführen des Krieges mehr schadet als ein Friedensschluss. Das kann leider noch lange dauern, denn derzeit schadet ihm der Krieg kaum, vor allem innenpolitisch muss er offenbar keinen Widerstand fürchten.

  • Gerd Grözinger , Autor , Prof., Europa-Univ. Flensbu

    Es ist immer wieder ein komisches Gefühl, wenn man die Entstehungsgeschichte der taz von Anfang an mit Sympathie und Unterstützung begleitet hat, wie man dort kontinuierlich über die Ukraine schreiben kann, ohne darauf auch hinzuweisen, dass bei den dortigen Zwangseingezogenen kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung besteht. Die sind Staats-Leib-eigene. Der einzige persönliche Ausweg ist dann Desertion/unerlaubte Abwesenheit von der Truppe. Und mehr und mehr dieser Soldaten sehen keinen Sinn mehr in dem Krieg. 2022 gabs 29 Militärabgängige pro Tag, 2023 schon 70, 2024 sprunghafter Anstieg auf 250, im ersten Halbjahr 2025 noch mal Verdoppelung auf 576, Tendenz weiter steigend und mit vermutlich noch vielen nicht-gemeldeten Fällen. Es gibt also nicht 'die Ukraine', sondern darin Bewohner:innen mit striktem Durchhaltewillen und auch solche, die zu grossen Kompromissen bereit sind, wenn bloss dieser elende Krieg beendet werden könnte. Wer wissen will, wer die Mehrheit im Lande hat, muss nur vor den nächsten Waffenlieferungen darauf drängen, dass auch in der Ukraine endlich das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung eingeführt wird. Dann gibt es eine Abstimmung mit den Füßen.

    • @Gerd Grözinger:

      Vielen Dank für die Erwähnung derjenigen, die unserem Narrativ vom eisernen Kriegswillen der Ukrainer entgegenstehen. Portraitiert werden auch in der Taz nur noch die Kriegshelden, die jungen Menschen, deren Flucht vorm Zwang zum Krieg auch oft tödlich endete findet hier keine Betrachtung. Als ob es sie nicht gäbe oder nicht geben soll.

    • @Gerd Grözinger:

      Glaube nicht, dass die taz derart naiv ist. Natürlich ist die Ukraine kein lupenreiner Rechtsstaat, neben dem fehlenden Recht auf Kriegsdienstverweigerung grassiert dort natürlich auch noch nach wie vor die Korruption.



      Kein Krieg passt am Ende in eine Schwarz-Weiss-Schema, auch wenn hier natürlich klar Russland der Aggressor ist. Dass die Kriegsmüdigkeit bei den Ukrainern steigt ist sehr gut verständlich, nur: was ist die Alternative? Besatzung durch die Russen? Wendet das irgendetwas zum Guten?

    • @Gerd Grözinger:

      Und ändert das etwas an der Tatsache, dass Russland die erklärte Absicht hat, die Ukraine als Staat und Nation zu zerstören und das diese ein Recht darauf hat, sich dagegen zu wehren und die Unterstützung der zivilisierten Welt zu erwarten?

    • @Gerd Grözinger:

      Sehr geehrter Herr Prof. Grözinger, Frau Oertel hat schon Recht: Die Bedrohungslage und die russichen Methoden sind so wie sie sind. Was Sie sagen stimmt ebenfalls. Die ukrainische Regierung macht erhebliche Fehler. Massenproteste i. Zshg mit der geplanten Schwächung der Korruptionsbehörden zeigen den Willen der Bevölkerung. Die Fluchtbewegung junger Männer ist das gleiche: Éntlassung und Inaktivierung durch Auslandsversetzung von Walerij Salushnyi (dem der Präsident samt Umgebung ihre Leben verdanken) wegen eigenständiger Meinungsäußerung, Angriff auf Kursk, dem 2/3 der Ukrainer nichts sinnvolles abgewinnen können ... Die Regierung der Ukraine hat das Vertrauen verspielt und wird auch nicht mehr anders, das ist die Lage. Die europäischen Regierungen sind nicht viel anders, und deswegen sind wir in der gleichen Lage, in einer Bedrohungslage, in die uns unsere Regierungen gebracht haben. Da hat Frau Oertel recht. Das Recht auf KDV ist ein hohes Gut, nützt der Bevölkerung aber nichts, solange die ukrainische und unsere Regierungen so sind. M. v. Hochachtung H.F.Bär

      www.tagesschau.de/...-georgien-100.html

    • @Gerd Grözinger:

      Ein sehr ausführlicher Artikel zur Frage des auch hierzulande nicht ganz unumstrittenen Rechts auf Kriegsdienstverweigerung und zur Frage der Auslieferung ukrainischer Deserteure findet sich hier:

      verfassungsblog.de...bundesgerichtshof/

      Wenn ich den Beitrag richtig interpretiere, ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als durch die deutsche Verfassung garantiertes Grundrecht durchaus die (europäische) Ausnahme.



      Das ist natürlich keine Antwort auf die Frage der Sinnhaftigkeit eines fortgesetzten Widerstands der Ukraine gegen den russischen Angreifer.

    • @Gerd Grözinger:

      Und Sie bilden sich jetzt ernsthaft ein, das dieses Recht auf Kriegsdienstverweigerung in anderen Ländern, insbesondere unserem, im Kriegs - oder Verteidigungsfall nicht auch ausgesetzt würde?



      Warten Sie mal ab, was als nächstes die Mobilmachung in Ruzzland, denn die wird unweigerlich kommen, für die Russen bedeutet.

    • @Gerd Grözinger:

      Beschluss des BGH vom 16.1.2025:



      "Verweigert der Verfolgte im Auslieferungsverfahren nach dem Europäischen



      Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 aus Gewissensgründen



      den Kriegsdienst mit der Waffe und ist nicht gewährleistet, dass er nach seiner



      Auslieferung nicht zum Kriegsdienst im ersuchenden Staat herangezogen wird



      und im Fall seiner Verweigerung keine Bestrafung zu erwarten hat, begründet



      dies jedenfalls dann kein Auslieferungshindernis, wenn sein um Auslieferung ersuchendes Heimatland völkerrechtswidrig mit Waffengewalt angegriffen wird und



      ein Recht zur Kriegsdienstverweigerung deshalb nicht gewährleistet." Az: 4 ARs 11/24

  • Es ist leider genauso naiv, zu denken, dass es einen Weg zur "drohenden Niederlage" Putins gibt.



    Rückblickend war die Bewertung der Schwäche der russischen Armee eine naive Fehleinschätzung der KriegsbefürworterInnen.



    Ich beschönige Putins völkerrechtswidrigen Krieg nicht.



    Die Realität ist allerdings, dass die Ukraine, trotz unserer Unterstützung, nicht in der Lage ist, den Spieß umzudrehen.



    Die ewiggleiche Leier von Taurus oder jetzt Tomahawks, gleicht dem Glauben an die Wunderwaffe.



    Mittels dieser Waffen wären allenfalls weitere Nadelstiche gegen Russlands Wirtschaft möglich.



    Doch die passieren seit Jahren durch Sanktionen, die immer weiter nachgeschärft werden.



    In der Folge hat sich Putin Asien zugewandt und verkauft sein Öl dorthin.



    Wer jetzt als Lösung nicht den dritten Weltkrieg anzetteln möchte, muss auf Diplomatie hoffen.



    Dass Trump Modi dazu bewegt, weniger billiges Öl in Russland zu kaufen, ist ein wichtiger Schritt.



    Ansonsten ist Demokratie und außerdem das komplizierte Konstrukt EU einfach langsamer als ein Despot.



    Ich möchte trotzdem demokratisch bleiben.