US-Delegation in Moskau: Der Ton wird schärfer
Ukrainische Militärs dementieren Angaben, wonach Pokrowsk gefallen sein soll. Derweil sagt Putin, man sei auch für einen Krieg mit Europa bereit.
Wer ernsthafte Erwartungen an die mittlerweile sechste Gesprächsrunde seit Jahresbeginn zwischen dem US-Sondergesandten für Friedensmissionen Steve Witkoff, Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Russlands Präsidenten Wladimir Putin gehabt haben sollte: Er wäre gut beraten gewesen, dem Kreml in der Vergangenheit genau zuzuhören.
Nur wenige Stunden vor dem Treffen am Dienstagnachmittag in Moskau betonte dessen Sprecher Dmitri Peskow in einem Briefing für indische Medien die Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen. Diese müssten jedoch dazu dienen, „unsere im Rahmen der militärischen Sonderoperation festgelegten Ziele zu erreichen“.
Putin habe „primäre Gründe“ für den Beginn eines Kriegs gegen die Ukraine gehabt, so Peskow weiter. Dazu gehören, so das offizielle Dauernarrativ, die „Entnazifizierung“ der Ukraine, die ein bedauerlicher Unfall der Geschichte und daher ein Kunstprodukt ohne eigene Exixtenzberechtigung ist, sowie der Schutz und die Verteidigung der russischsprachigen Ukrainer*innen.
Ebenfalls vor dem Treffen am Dienstag verschärfte Putin allerdings die Tonlage in Richtung Europa deutlich: Russland habe nicht die Absicht, gegen Europa Krieg zu führen – aber, man sei dazu bereit, fügte er vor Journalisten in Moskau an.
Nach wie vor eines der strittigsten Themen, wenn es um einen Waffenstillstand beziehungsweise ein mögliches Friedenabkommen geht, ist der künftige Status der von Russland völkerrechtswidrig besetzten ukrainischen Gebiete sowie die Abtretung von Territorien, die russische Truppen noch nicht erobert haben. Letzteres lehnt Kyjiw bislang kategorisch ab.
Russland meldet Erfolge
Und so ist es kein Zufall, dass Russland ausgerechnet jetzt wichtige Erfolge an der Front im Osten der Ukraine meldet. Bereits am Sonntag berichtete Waleri Gerassimow, Chef des Generalstabs der Streitkräfte Russlands sowie Oberbefehlshaber über die russischen Truppen im Krieg gegen die Ukraine, bei einem Treffen mit Putin: russische Truppen hätten die Städte Pokrowsk und Wowtschansk (im Gebiet Charkiw) in Gänze eingenommen. Der Kreml machte das Gespräch erst jetzt öffentlich – pünktlich zum Besuch der US-Delegation.
Bereits am 21. November hatte das russische Verteidigungsministerium die „Befreiung“ der Stadt Kupjansk gemeldet. Zwar bestreitet auch die ukrainische Seite nicht, dass russische Truppen Geländegewinne machen. Doch der Wahrheitsgehalt russischer Erfolgsmeldungen ist fraglich.
Beispiel: die Bergbaustadt Pokrowsk. Sie ist seit fast einem Jahr hart umkämpft und strategisch von großer Bedeutung. Doch sowohl unabhängige Spezialisten als auch ukrainische Militärs dementieren Angaben, wonach Pokrowsk gefallen sein soll.
Letztere erklärten am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie im nördlichen Teil der von Pokrowsk kontrollierten und im von russischen Truppen besetzten südlichen Teil der Stadt Angriffsoperationen durchführten. Was nun wirklich stimmt, ist – nicht nur im Fall von Pokrowsk – kaum zu überprüfen.
„Es ist schon oft vorgekommen, dass wir unsere Position mit den USA abstimmen, dann reist Witkoff nach Moskau, und nach seinem Treffen mit Putin gibt Trump eine Erklärung ab, und alles ist wieder wie vorher“, zitiert die Financial Times eine hochrangige ukrainische Quelle.
Als schlechtes Signal für die europäischen Bemühungen um einen Friedensplan für die Ukraine werteten manche Beobachter am Dienstag die Tatsache, dass das Nato-Außenministertreffen am Mittwoch in Brüssel ohne US-Beteiligung stattfinden soll. US-Außenminister Marco Rubio hat seine Teilnahme abgesagt. Er könne nicht an jedem Ministertreffen teilnehmen, ließ Rubio in Washington erklären.
Wollen die Amerikaner die Nato ausklammern und ihre europäischen Alliierten übergehen – wie schon in der vergangenen Woche, als US-Präsident Donald Trump seinen 28-Punkte-Plan präsentierte? Er mache sich da keine Sorgen, erklärte Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Die Amerikaner würden sich eng mit den Europäern abstimmen. Sie würden auch keinen Deal zulasten der Ukraine machen.
Ebenso vage waren die Aussagen zu einem möglichen Nato-Beitritt der Ukraine. Trump will diesen Beitritt offenbar endgültig ausschließen, Rutte möchte die Option offenhalten.
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