Umweltbotschafter über Geo-Engineering: „Riskante Eingriffe bereiten Sorgen“

Kann man den Klimawandel mit technischen Maßnahmen drosseln? Umweltrechtsexperte Franz Perrez mahnt eine Regulierung an.

Dämmerung, Himmel und zwei Vulkane am Horizont

Geo-Engineering heißt etwa, Partikel in der Luft zu verteilen – so wie der Popocatépetl in Mexiko Foto: dpa

taz: Herr Perrez, der erste Versuch, das umstrittene Thema Geo-Engineering international zu regeln, ist gescheitert. Warum halten Sie so eine Regulierung für notwendig?

Franz Perrez: Es gibt viele Unsicherheiten und Unklarheiten bei diesem komplizierten Thema. Die verschiedenen Techniken bergen unterschiedliche Risiken und sind noch zu wenig verstanden. Die Vorstellung, dass einzelne Akteure oder Staaten einseitig mit Geo-Engineering-Maßnahmen beginnen, bereitet uns Sorgen. Die internationale Gemeinschaft muss sich dieser Risiken dringend bewusst werden und entscheiden, wie damit umzugehen ist.

Die Schweiz hat bei der UN-Umweltversammlung UNEA versucht, eine Kommission zum Geo-Engineering einzusetzen. Warum haben Sie Ihre Resolution zurückgezogen?

Es war kein Konsens möglich. Eine kleine Gruppe von Ländern bekundete Mühe damit, dass UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, Informationen sammeln und diese in zwei Jahren zur nächsten UN-Umweltversammlung präsentieren sollte. Sie wollte, dass sich einzig der Weltklimarat IPCC damit befasst, und lehnte es ab, das Vorsorgeprinzip dabei zu erwähnen. Eine andere Staatengruppe wollte unbedingt das Vorsorgeprinzip festschreiben. Zwischen diesen Positionen gab es keine Einigung.

Wo ist das Problem, wenn einzelne Länder beim Geo-Engineering vorangehen?

Das Problem sind die möglichen globalen Auswirkungen. Man könnte zum Beispiel durch gezieltes Ausbringen von Partikeln in die Atmosphäre die Stärke von Hurrikans, etwa vor den USA, verringern. Das könnte aber auf der anderen Seite zu mehr Trockenheit in einigen Regionen Afrikas führen. Solche grenzüberschreitenden Folgen sind nicht ausreichend bekannt. Es ist auch unklar, welche Technik unter die Begriffe „Solar Radiation Management“, eine Veränderung der Sonneneinstrahlung, oder unter „Carbon Dioxide Removal“, also CO2-Entfernung, fällt. Es wäre gerade für die politische Debatte wichtig zu sehen, was die unterschiedlichen Techniken ausmacht und welche Regelungen man braucht.

Sie betonen die Risiken der Technik. Werden wir diese bei schnell fortschreitendem Klimawandel nicht dringend brauchen?

Unser Antrag hat klar formuliert, dass Geo-Engineering keine Alternative zu den Bemühungen um Emissionsreduzierung sein darf. Wir haben aber darauf hingewiesen, dass wir Risiken und Potenziale prüfen möchten. Nur wenn es Risiken gibt, ist eine internationale Regelung notwendig. Das Konfliktpotenzial ist groß und die Diskussion wird weiter­gehen. Ideologische Ansätze helfen nicht weiter. Das Thema wird ja größer und nicht kleiner. Je länger wir mit Reduktionen und Gegenmaßnahmen warten, desto drastischer müssen diese irgendwann sein.

Franz Perrez ist Experte für internationales Recht und seit 2001 beim Schweizer Umweltamt.

Wie erklären Sie sich den Widerstand?

Das ist die Angst, dass multilaterale Regeln nötig sind. Das ist die eine Seite. Die andere sagt: Wir dürfen Informationen erst sammeln, wenn wir auf das Vorsorgeprinzip hinweisen. So haben von beiden Seiten ideologische Gründe verhindert, dass wir uns um ein drängendes Thema kümmern. Wenn man gar keine Regeln will, dann macht es Sinn, sich so zu verhalten. Aber wenn man internationale Regeln anstrebt, macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, den Prozess zu blockieren.

Müssen wir jetzt zwei Jahre auf die nächste Resolution warten?

Internationale Prozesse brauchen viele Anläufe und Zeit. Wir haben jetzt aus ideologischen Gründen zwei Jahre verloren. Aber gleichzeitig haben wir zum ersten Mal im richtigen Gremium die Debatte lanciert: bei UNEP. Diesen Prozess kann man nicht mehr stoppen. Ich erinnere an die Quecksilber-Konvention. Das begann auch ganz harmlos und es brauchte etwa sechs Sitzungen, bis man zu einer politischen Entscheidung kam.

Sechs UNEP-Sitzungen, das heißt zwölf Jahre. Können wir uns diese Warterei leisten?

Nein, eigentlich nicht. Aber eine Entscheidung in Nairobi war eben nicht möglich. Wir lassen das nicht auf sich beruhen und ich bin zuversichtlich, dass die Diskussion in zwei Jahren anders verlaufen wird.

Verzweifeln Sie an der Langsamkeit internationaler Prozesse, wenn beim Klima und der Biodiversität die Zeit so drängt?

Ja, diese Frustration gehört zum Prozess. Aber das ist wie beim Bergsteigen: Wenn man unten steht und hochblickt, denkt man, man kommt nicht schnell genug hoch. Aber am Schluss ist man doch oben. Wenn man sieht, dass wir manchmal auch große Schritte machen, stimmt das wieder zuversichtlich.

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