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Uneinigkeit zwischen Union und SPDTschüs, Mindeststeuer!

Die USA verabschieden sich auf Raten aus dem internationalen Abkommen zur Besteuerung großer Konzerne. Union und SPD sind uneins, wie es weitergeht.

Uneins über globale Mindeststeuer: Kanzler und Finanzminister Foto: Liesa Johannssen/reuters

Berlin taz | Es war eine verheißungsvolle Idee, um die Globalisierung gerechter zu machen: die internationale Mindeststeuer für Unternehmen. In möglichst vielen Ländern sollten große Konzerne wenigstens 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Wegen der egoistischen Wirtschaftspolitik der US-Regierung ist dieses Vorhaben nun jedoch in schwerem Fahrwasser – und die Bundesregierung ringt um eine gemeinsame Haltung.

„Das Konzept ist im Kern richtig“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Ende der Woche in Berlin. „Es setzt allerdings voraus, dass sich die großen Industrienationen der Welt daran beteiligen“, fügte er mit dem Blick auf die USA hinzu. Ansonsten werde es schwierig, die Mindeststeuer umzusetzen. Entschlossener äußerte sich SPD-Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil: „Der Bundeskanzler und ich, wir sind uns einig, dass wir an der globalen Mindestbesteuerung festhalten.“ Die Regierung werde „alles dafür tun, dass dieses Vorhaben weiterverfolgt wird“.

Zwischen beiden Positionen tut sich ein Widerspruch auf, der bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD angelegt ist. „An der Mindeststeuer für große Konzerne halten wir fest“, heißt es dort. Zusatz: Die Regierung wolle die Regeln aber „vereinfachen“ und dafür sorgen, dass „daraus keine Benachteiligung unserer Unternehmen im internationalen Wettbewerb resultiert“.

Die Mindeststeuer beschäftigt die deutsche Politik seit Langem. Der frühere Finanzminister Olaf Scholz (SPD) trieb das Vorhaben voran. Schließlich brachte die Industrieländer-Organisation OECD ein Rahmen-Abkommen mit 140 Staaten zustande. Aber nur einige Länder setzen es bisher teilweise um. Die Verhandlungen über die Anwendung der sogenannten Säule 1 des Abkommens laufen noch immer. Es geht darum, das Recht, Steuern zu erheben, zwischen den Staaten neu zu verteilen. Konzerne wie Google könnten dann in Europa mehr Abgaben auf ihre hier erzielten Umsätze entrichten müssen. Die US-Regierung will das vermeiden.

Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro

Bei der Säule 2 sieht es besser aus. Zahlreiche wohlhabende Staaten wenden diese Regelung bereits an. Dazu gehören die EU, Japan und Australien. Wenn zum Beispiel eine deutsche Firma auf ihre Gewinne im Ausland dort weniger als 15 Prozent Steuer entrichtet, kann das deutsche Finanzamt bis zu dieser Höhe nachversteuern. Im Jahr 2026 würden daraus erstmals Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro erwartet, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.

Unklar erscheint aber, ob die Vereinigten Staaten das für ihre Unternehmen genauso handhaben. Dort existiert eine nationale Mindeststeuer mit gewissen Ausnahmen. Die Staatengruppe der sieben großen westlichen Wirtschaftsnationen (G7) hat der US-Regierung kürzlich zugestanden, dass sie ihre Regeln weiter anwenden kann. Das Zugeständnis der G7 gilt auch für einen weiteren Fall. Eigentlich könnten EU-Staaten unter bestimmten Umständen Gewinne von US-Firmen, die diese in Europa erzielen, mit 15 Prozent besteuern. Das aber will die US-Regierung auf keinen Fall akzeptieren. Die G7 haben klein beigegeben. Im Gegenzug will US-Präsident Donald Trump auf Rache-Steuern gegen EU-Unternehmen in den USA verzichten.

„Bei Säule 2 haben die G7 der US-Regierung einen Freibrief für deren nationalen Regeln gegeben, die nicht mit dem internationalen Steuerabkommen harmonieren müssen“, erklärt Martin Beznoska vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. „Im Gegenzug blockieren die USA dieses nicht länger.“

Nun herrschen unterschiedliche Interpretationen, welche Rückschlüsse aus dieser Lage zu ziehen seien. SPD-Finanzminister Klingbeil will die G7-Einigung als Ausgangspunkt nehmen, um die Mindeststeuer weiter voranzutreiben. Dagegen sieht Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) aktuell keine Chance mehr für das Vorhaben. Ein Argument: Hiesige Unternehmen würden benachteiligt, wenn sie die Mindeststeuer entrichteten, ihre US-Wettbewerber eventuell aber nicht. Eine abschließende Antwort gebe es nicht, sagte Kanzler Merz während seiner Sommer-Pressekonferenz.

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