Videospiel „Anno 117: Pax Romana“: Für eine Handvoll Aale
Das Aufbauspiel „Anno 117“ spielt in der römischen Antike. Darin flext man nicht nur mit Tempeln, sondern baut auch seltenen Schlamm ab. Wie bitte?
Wer das Sprichwort „Alle Wege führen nach Rom“ erfunden hat, war ein Idiot. Denn hier, in der keltischen Pampa, gibt’s nicht einmal Wege. Die Leute sind derb, saufen aus Hörnern, und will man ihnen die römischen Annehmlichkeiten wie Fußbodenheizungen oder Aquädukte bringen, schauen sie einen nur blöd an. Sie machen es mir als Spieler im neuen „Anno 117“ nicht leicht.
Als Antike-Fan war ich stinksauer auf die Anno-Reihe: Die Aufbauspielreihe hatten schon in der Frühen Neuzeit, im 19. Jahrhundert, ja sogar in der Zukunft gespielt, aber noch nie in der Antike, trotz des lateinischen Namens. Nun wurden meinen jahrelangen Gebete an Zeus und Jupiter endlich erhört: Anno 117 spielt zur Zeit der Pax Romana, der römischen Friedensperiode.
Darin baue ich mein eigenes Rom. Und jeder Pixel blutet den Glanz dieser Zeit. Da sind purpurfarbene Lavendelfelder, die sich durch die mediterrane Landschaft ziehen und mich an den letzten Toskana-Urlaub erinnern. Wohnhäuser reihen sich ein zwischen Tempeln und Statuen, die knallbunt waren und nicht weiß, wie die Forschung heute weiß.
Wenn ich an Häuser ganz nah heranzoome, schlängeln sich hunderte Menschen durch die Gassen. Ich kann meine Römer:innen sogar aus der Schulterperspektive selbst steuern. Moment, jagt da gerade wirklich ein Schwein zwei Kinder durch die Gasse?
Wie im ersten Serienteil „Anno 1602“ erbaue ich auch in der römischen Antike mein eigenes Inselreich und erfülle Bewohnerinnen und Bewohnern ihre Bedürfnisse. Die können schnell nerven: Die Liberti, römische Bauern, sind mit Haferschleim und hässlichen Wollhüten zufrieden. Hochrangigere Bevölkerungsstufen wie Patrizier schauen mich schon fies an, wenn ich ihnen keine Austern mit Kaviar und Rotwein besorge.
Das Spiel kitzelt den Schönbautrieb
Dann gibt es noch den Norden, Britannien, dort leben die Kelt:innen. Im Spielverlauf gründet man in dieser nasskalten Region einen römischen Außenposten. Anders als die eitlen Tunikaträger:innen aus dem Mittelmeerraum werden die Kelt:innen sauer, wenn sie keine Aale zu futtern bekommen. Es geht dort derb zu: In Schlammfarmen baut man Schlamm als Baumaterial ab, ihre überschüssige Energie können die Kelt:innen auf dem Wettkampfplatz loswerden. Zu Würsten sagen sie auch nicht nein, aber die sind für die Römer:innen im Mittelmeerraum reserviert.
„Anno 117“ erfordert ständiges Abwägen, sonst bricht das Chaos aus. Bäckereien bringen beispielsweise mehr Steuereinnahmen, wenn ich sie mitten ins Wohngebiet setze, erhöhen aber auch die Brandgefahr. Wenn die Kruste mal zu kross wird, sollte immer eine Feuerwache danebenstehen. Im sumpfigen Keltengebiet kann ich Ochsenhöfe und Aaljäger nur im Sumpf erbauen. Alternativ lege ich die Felder trocken für neuen Baugrund, dann gibt’s aber auch keine Aale mehr.
Die alten Römer:innen haben vom nassen Britannien bis zum Euphrat mit ihren Bauwerken geflext. In „117“ werde auch ich zum Angeber, das Spiel kitzelt meinen Schönbautrieb. Wenn ich das römische Trier mit seinem Schachbrettmuster nachbaue, fühlt sich das sehr gut an. Genauso wie die Möglichkeit, diagonale Straßen zu bauen, wodurch sich Siedlungen realistischer anfühlen. Und zur Abwechslung führen sie auch mal nach Rom.
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