Wahlkampf in Italien: Wenn ein Komiker den Nerv trifft

Beppe Grillo mischt die etablierte Politik auf. Seine populistischen Parolen stechen. Die Italiener könnten seine Bewegung bei der Wahl auf 20 Prozent hieven.

Hat in seiner einst basisdemokratischen Bewegung das letzte Wort: Beppe Grillo, Komiker und Politiker. Bild: reuters

VERONA taz | Bloß eine Handvoll kleine Plakate im Zentrum Veronas weisen auf die Wahlveranstaltung des MoVimento5Stelle mit dem Gründer, Chef und Guru Beppe Grillo hin. Doch am Abend drängen sich schon eine halbe Stunde vor dem Start der Kundgebung Tausende Menschen auf dem weiten Platz direkt vor der antiken Arena. Aus den Boxen hämmert der Song der „5-Sterne-Bewegung“: Weg mit der „Politikerkaste“! „Wir sind Bürger, Punkt und basta!

„Tsunami-Tour“ hat Grillo seine Wahlkampf-Rundreise quer durch ganz Italien genannt, und kaum tritt er ans Mikrofon, zeigt sich, dass er nicht zu hoch gegriffen hat: Das Publikum feiert den 65-Jährigen, von Beruf Komiker, als wäre er ein Popstar.

Ein Popstar mit ungebändigtem grauen Haarschopf und Vollbart, der zum Rumpelstilzchen der italienischen Politik geworden ist, der den lauten Ton liebt, der seine gesamte Rede als Frontalangriff auf die etablierten Parteien anlegt. Schon nach zwei Minuten ist er beim Kern seiner Botschaft: „Diese parasitäre Form der Politik muss aufhören! Sie alle müssen ab nach Hause!“ – und tosender Beifall brandet auf.

Klar werde er Grillo wählen, sagt der junge Mann, der mit seinem Ziegenbärtchen aussieht, als komme er aus dem Milieu der linksautonomen Jugendzentren – der dann aber erzählt, bisher habe er immer die Rechtspopulisten von der Lega Nord gewählt.

Er findet sich wieder in dem Bild, das Grillo in seiner Rede von Italien zeichnet: ein krisengebeuteltes Land, in dem Hunderttausende die Arbeit verlieren, in dem „ganz normale Familien mit kleinen Kindern vor den Armenküchen der Caritas anstehen“, in dem die Jugendlichen dem sicheren Schicksal Arbeitslosigkeit entgegengehen, in dem die kleinen Unternehmer unter der exorbitanten Steuerlast ächzen, in dem „ein Laden nach dem anderen dichtmacht“.

Der Polit-Anfänger

Erst vor fünf Jahren hat Beppe Grillo sich in die Politik begeben, erst vor drei Jahren seine „5-Sterne-Bewegung“ aus der Taufe gehoben. Seinen ersten politischen Auftritt hatte er 2007 in Bologna, mit der von ihm einberufenen Großkundgebung, dem „Vaffa-Day“ – auf Deutsch: dem „Leck-mich-am-Arsch-Tag“.

Zehntausende strömten damals herbei, junge Leute meist, zum Großteil gut gebildet, in der Überzahl enttäuschte Linke. Aus diesem Milieu auch rekrutierte sich von 2009 an die Basis seiner Bewegung, einer Bewegung, deren Ort einerseits das Internet ist, vorneweg der Blog Beppe Grillos, dazu aber auch jede Menge lokaler Websites; andererseits treffen sich die Aktivisten vor Ort in den „Meet-ups“.

Grillo gelang so das Kunststück, eine basisdemokratische Bewegung mit charismatischer, ja diktatorischer Führung aufzubauen: Das letzte Wort hat immer er – und er allein entscheidet, welche Dissidenten rausfliegen.

Die Wahlerfolge

Im krisengeplagten, parteienverdrossenen Italien blieben die Erfolge nicht aus: Im Jahr 2012 räumten die „5 Sterne“ erst bei den Kommunalwahlen ab und eroberten mit Parma das erste Rathaus einer Großstadt, dann kamen sie bei den Regionalwahlen in Sizilien auf 15 Prozent.

Jetzt, bei den Parlamentswahlen, steht der endgültige Durchbruch bevor. In Verona hat Grillo keine Mühe, sich über die Konkurrenz lustig zu machen. Die zeige sich ja gleich gar nicht mehr auf den großen Plätzen. Es stimmt: Grillo ist der einzige, der quer durch Italien auf die Piazze geht – und sie füllt.

In Verona zeigt sich auch, dass ihm der Durchbruch nach rechts gelungen ist. Der ältere Herr, der als Fotograf fürs örtliche Meet-up dabei ist? „Bis letztes Mal habe ich Lega Nord gewählt.“ Die elegante Frau? „Bisher immer Berlusconi – aber von dem habe ich die Nase voll.“

Wahlkampfversprechungen

Es sind Wähler, die von Grillos Steuersenkungsversprechen angezogen sind, von seiner Polemik gegen die Politiker, die sich die Taschen füllen. Begeistert klatscht der Platz auch, wenn Grillo von der Schwulenehe spricht, vom Grundeinkommen für alle, von der ökologischen Wende, von der Verteidigung des öffentlichen Gesundheitswesens.

Zum Schluss dann ergreifen die örtlichen Parlamentskandidaten das Wort. Eine Sopranistin, zwei Ingenieure, ein Ökonom, ein Anwalt – und keiner ist älter als 40.

Heilig versprechen sie, von ihrem Parlamentariersalär würden sie nur 2.500 Euro netto pro Monat behalten, wieder brandet Beifall auf. Für die Leute auf dem Platz steht ein Wahlsieger des Urnengangs schon fest: Beppe Grillo.

Die Meinungsforscher prognostizieren 15 bis 20 Prozent. Das heißt: Ins nächste Parlament könnten gut 100 Abgeordnete und Senatoren aus der „5-Sterne-Bewegung“ einziehen.

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