Wasserknappheit in Deutschland: Wasser sparen ist angesagt
Infolge des Klimawandels sinkt vielerorts der Grundwasserspiegel. Ein Paar zeigt, dass für die Klospülung auch eine Gießkanne reicht.
Wasser wird in Deutschland infolge des Klimawandels langfristig knapper. Höhere Temperaturen lassen mehr Wasser aus Böden und Gewässern verdunsten, das sonst ins Grundwasser sickern könnte. Starkregen fließt oft oberflächlich ab, statt ins Erdreich einzudringen. Und wenn es heißer wird, steigt der Verbrauch.
In 94 Landkreisen sind die Grundwasserstände in den letzten Jahren deutlich gesunken, wie eine Studie des Instituts für sozial-ökologische Forschung im Auftrag des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor Kurzem zeigte. In 141 der insgesamt rund 400 Kreise wird demnach jährlich mehr als ein Fünftel des neu gebildeten Grundwassers entnommen – mehr als die empfohlene Obergrenze. Das ist ein Problem für die Natur. Und auch für die Menschen: 70 Prozent des Trinkwassers stammen laut Umweltbundesamt aus Grundwasser.
Auch die Region Hannover zählt zu diesen Landkreisen. Die Kreisverwaltung hat deshalb im Mai das dritte Jahr in Folge per Allgemeinverfügung verboten, zum Beispiel Parks, Gärten, Sportplätze und Felder bei einer Temperatur ab 27 Grad Celsius zwischen 11 und 17 Uhr mit Wasser aus der Leitung, aus Brunnen, Flüssen oder Seen zu „beregnen“. Ähnliche Beschränkungen gibt es auch in anderen Landkreisen.
Die Alts, die in einem Reihenhaus im Hannoveraner Stadtteil Misburg wohnen, haben diese Entwicklung schon länger kommen sehen. Sie wissen: 2022 etwa verbrauchten private Haushalte und Kleingewerbe wie Friseursalons oder Bäckereien dem Statistischen Bundesamt zufolge fast 82 Prozent des Trinkwassers in Deutschland. Deshalb hat das Paar unter dem Pflaster seiner Garagenauffahrt eine Zisterne mit 5.000 Litern Fassungsvermögen vergraben lassen. Regenwasser vom Dach fließt über Rinnen und Rohre in den Tank. Eine Pumpe fördert das Wasser in den Garten.
Spießige Gärtner hassen diesen Trick: Mulchen
Den Bewässerungsbedarf reduziert das Paar zum Beispiel dadurch, dass es mulcht – „das bedeutet, dass der Boden immer mit organischem Material bedeckt ist, sodass weniger Wasser aus dem Boden verdunstet“, erläutert Bernd Alt. Mit einer Gartenschere trennt er einen überflüssigen Zweig einer Pflanze ab und schneidet ihn in Stücke, die er auf der Erde liegen lässt. Viele Gärtner würden das nicht mögen, „weil es ja ordentlich aussehen muss“. Aber ihm ist wichtiger, Wasser einzusparen.
Im Garten können die Alts so völlig auf Trinkwasser verzichten. In der Küche verwendet das Paar aber aus hygienischen Gründen weiter nur Leitungswasser. Doch sie benutzen es mehrfach. „Das Gemüse wasche ich in der Schale“, sagt Corina Alt, öffnet den Backofen und holt eine runde Plastikschüssel hervor. Das Waschwasser kippen die Alts dann zum Beispiel in die Gießkanne für die Toilette. Natürlich, sagen sie, würden sie Waschmaschine und Geschirrspüler nur anstellen, wenn diese voll sind.
Und wie halten die Alts es mit dem Duschen? Laut Umweltbundesamt ist Körperpflege mit mehr als einem Drittel der größte Posten des Trinkwasserverbrauchs in Haushalten. „Ein bis zwei Minuten reichen“, sagt Bernd Alt. Da schweigt seine Frau aber.
Egal. Am Ende stimmt das Ergebnis: Bernd Alt zeigt eine Wasserrechnung. „Wir verbrauchen nur noch 77 Liter pro Kopf“, rechnet der pensionierte Kardiologe vor. 2022 verbrauchte jede Person in Deutschland laut Statistischem Bundesamt im Schnitt 126 Liter am Tag. Die Alts liegen fast 40 Prozent unter dem Durchschnitt.
Die Alts sind gerne Ökospinner
„Wenn alle mitmachen, könnten wir den Trinkwasserverbrauch bestimmt um 30 Prozent senken“, sagt Alt, der auch Mitglied des BUND-Kreisvorstands in Hannover ist. Dann würden die Grundwasserspiegel unter dem Fuhrberger Feld – der größten Trinkwasserquelle für die Stadt – wieder dauerhaft steigen. „Das würde auch den Eichen und der Landwirtschaft in der Region dienen“, ergänzt Alt. Bisher litten dort Bäume unter Wassermangel, Bauern befürchten, dass es irgendwann nicht mehr genug gibt, um Felder zu bewässern.
„Man muss halt ein bisschen Unbequemlichkeit in Kauf nehmen“, sagt Bernd Alt. Ja, manche Leute würden sie für „Ökospinner“ halten. „Viele wollen sich das nicht antun.“ Doch Corina Alt sagt: „Ich lebe zufriedener, wenn ich Wasser einspare.“ Die sinkenden Grundwasserspiegel bereiten ihnen Sorgen. Aber sie würden ganz konkret etwas dagegen unternehmen. „Das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagt Corina Alt.
Die Regenwasseranlage, die einige Tausend Euro gekostet habe, werde sich zu seinen Lebzeiten nicht mehr amortisieren, sagt der 71-jährige Bernd Alt. „Aber es gibt ja Nachfolgegenerationen.“ Alle anderen Maßnahmen kosten nichts und sparen den Alts bei den aktuellen Wasser- und Abwasserpreisen rund 100 Euro im Jahr.
Zwar verbrauchen die Deutschen laut Statistik seit den 1990er Jahren weniger Trinkwasser, doch der Verbrauch bleibt zu hoch, wie die sinkenden Grundwasserstände zeigen. Umweltschützer wie Alt fordern deshalb, zum Beispiel sparsame Duschköpfe, Wasserhähne und Toiletten vorzuschreiben. In Neubauten sollten verpflichtend Grauwassersysteme eingebaut werden, die etwa Waschmaschinenwasser für die Toilettenspülung nutzen.
Alt fordert auch neue Preise. „Wer viel verbraucht, der sollte viel zahlen.“ Bisher kostet der erste Liter in den meisten Kommunen genauso viel wie der zehntausendste. Private Pools und große Planschbecken mit 1.000 Litern und mehr füllen? „Das sollte verboten werden in einer Zeit der Wasserknappheit“, sagt Alt. „Jeder vermeidbare Verbrauch sollte vermieden werden.“
Lösungen für die Landwirtschaft: Lass es beregnen
Die Allgemeinverfügung sollte seiner Meinung nach an heißen Tagen ab 27 Grad erst ab 18 Uhr die Bewässerung erlauben. „Vorher ist der Boden sehr heiß; da verdunstet zu viel Wasser ungenutzt.“ Für Landwirte brauche es eine Lösung, damit sie trotzdem ausreichend bewässern können. Die Branche ist nach den Wasserwerken der größte Grundwasserverbraucher in der Region Hannover: 24 Prozent der genehmigten Fördermenge entfallen auf Bauern und Sportvereine, wobei die Landwirte weit vorne lägen, teilt die Kreisverwaltung der taz mit. Industrie und Gewerbe kämen nur auf 7 Prozent. Bundesweit ist der Anteil der Landwirtschaft geringer, aber er steigt.
Für Bauern wäre ein noch längeres Beregnungsverbot ein Problem. Zum Beispiel für Christian Fricke aus dem 30 Kilometer östlich von Hannover gelegenen Dorf Schwüblingsen, einer Gegend, die so trocken ist, dass die Landwirte dort bereits seit den 1950er Jahren Felder bewässern. „Falls wir erst ab 19 Uhr beregnen dürfen, komme ich vielleicht erst um Mitternacht ins Bett“, sagt der 27-Jährige, der zusammen mit seinem Vater unter anderem Kartoffeln anbaut.
Fricke steht vor einer seiner Beregnungsanlagen: einer großen Trommel aus Stahl, um die ein mehr als 400 Meter langer schwarzer Kunststoffschlauch gewickelt ist. Er ist über Rohre mit einer Dieselpumpe und einem Brunnen am Feldrand verbunden. Am anderen Ende des Schlauchs hängt der Regner, ein großer Sprinkler, der das Wasser in hohem Bogen über das Feld schießt. Dabei kann er sich in einem Winkel drehen, den Fricke am Handy einstellt. Doch zuvor muss der Landwirt das vier Meter hohe Gerät mit einem Traktor zur richtigen Position ziehen und dann mit dem Regner im Schlepptau einmal das Feld durchqueren. Erst danach kann er die Anlage starten, die den Schlauch und den Sprinkler langsam wieder zu sich zurückzieht.
Da dann aber immer nur ein knapp 70 Meter breiter Streifen Wasser abbekommt, muss er die Prozedur mehrmals wiederholen. So kann es locker 19 Stunden dauern, einen Acker zu bewässern. „Das sind lange Tage“, sagt Fricke. „Wenn ich noch später anfangen muss, aber am nächsten Morgen wieder früh rausmuss, komme ich irgendwann an meine körperlichen und betrieblichen Grenzen.“
Trockenresistente Pflanzen sind keine Lösung
Mit der aktuellen Allgemeinverfügung der Region kommt Fricke auch deshalb zurecht, weil sie Ausnahmen für die Landwirtschaft gestattet: Wasser sparende Verfahren wie Düsenwägen sind immer erlaubt. „Als die Allgemeinverfügung vor drei Jahren erlassen wurde, haben wir uns diesen Düsenwagen gekauft“, sagt Fricke und zeigt auf ein Fahrgestell mit zwei jeweils 30 Meter langen Stahlauslegern, an denen Düsen aus Kunststoff hängen. Da das Wasser aus nur etwa 1,20 Metern Höhe auf die Pflanzen spritzt, geht nicht so viel verloren.
Könnte Fricke nicht auf Sorten setzen, die mit weniger Wasser auskommen? „Wenn ich zum Beispiel Hirse anbaue, die ganz wenig Wasser braucht, dann habe ich dafür keinen Markt“, antwortet der Landwirt. „Und meistens sind Kulturen, die wenig Wasser brauchen, auch keine Kulturen mit genügend Erlös.“
Inzwischen baut Fricke aber mehr verschiedene Pflanzenarten als früher an, die zu unterschiedlichen Zeiten ihren Hauptwasserbedarf haben. So kann er den Regen besser nutzen und benötigt weniger Grundwasser. Der Bauer sorgt nach eigenen Angaben auch dafür, dass sein Boden möglichst lange bedeckt ist, damit er nicht so schnell austrocknet. Bevor er Zuckerrüben sät, baut er eine Zwischenfrucht wie Ölrettich, Rauhafer oder Sommerwicke an. Die zerkleinert er und lässt sie auf dem Acker liegen. Fricke mulcht also – so wie das Umweltschützerehepaar Alt in seinem Garten.
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